FRANKFURT AM MAIN (BLK) – „Pillen, Pulver, Powerstoffe. Die falschen Versprechen der Nahrungsergänzungsmittel“ von Udo Pollmer und Susanne Warmuth ist im Eichborn Verlag erschienen.
Klappentext: Was wird den gesundheitsbeflissenen Kunden nicht alles versprochen! Kaum ein Nahrungsmittel, das nicht mit irgendeiner angeblich lebenswichtigen Substanz „angereichert“ wurde. Glaubt man der Werbung, brauchen wir Fischöl für Herz und Gefäße, probiotische Bakterien für die Darmflora, Eisen und Zink für unser Wohlbefinden und so weiter, und so weiter. Dank Folsäure, Betain, Capsaicin, Grapefruitkernextrakt und allen möglichen Vitaminen sollen wir schöner, gesünder, älter, wenn nicht gleich unsterblich werden. Und obendrauf am besten noch täglich ein Tässchen Eigenurin. Den gibt’s wenigstens umsonst!
Gestützt auf unabhängige Untersuchungen und eine gehörige Portion gesunden Menschenverstand verraten uns Udo Pollmer und Susanne Warmuth, was es mit Algen und Schwedenkräutern, Q 10 und Alpeneiern auf sich hat, und enthüllen schließlich noch das Geheimnis der Yeti-Spucke. Nach der Lektüre ist man schlauer und gerüstet für die immer neuen Marketinggeschütze, die die Gesundheitsverkäufer auffahren, um unsere natürliche Skepsis zu überlisten. Und vor allem wissen wir, was wir von Nahrungsergänzungsmitteln und Functional Food erwarten dürfen – und worauf wir in Zukunft getrost verzichten können. (nor/wip)
Leseprobe:
© Eichborn Verlag ©
„Sie haben drei Wünsche frei!“,
säuselt die Functional-Food-Fee und zaubert mit professionellem Lächeln ewige Jugend, strahlende Schönheit und pralle Gesundheit in Saftflaschen und Margarinetöpfchen auf die Mattscheibe. Eine Werbeunterbrechung später zieht der beschlipste Kollege von der Nahrungsergänzungsfraktion elegant Kapseln, Pillen und Brausetabletten aus dem Hut und verheißt mit sonorer Stimme die Erfüllung derselben Herzenswünsche. Bei diesem Supersondersparpreis – nur für kurze Zeit! Im praktischen 500er-Pack! – sollten Sie unbedingt gleich zugreifen. Natürlich waren nur die Wünsche frei, die Ware kostet selbstverständlich… Manche Dinge ändern sich nie, zum Beispiel der Wunsch, gesund, schön und potent zu sein. Wider besseres Wissen – das heißt gegen die alltägliche Erfahrung – hört die Menschheit offenbar nie auf zu hoffen, dass soeben ein Wundermittel gegen Krankheit und Verfall entdeckt wurde. Unsere Altvorderen bauten auf Ziegenkot und Einhornpulver gegen Zahnwurm oder Hexenwerk. Die aufgeklärten Zeitgenossen von heute bestellen Schönheitsvitamine, Powerstoffe und Muschelpulver gegen Krebs, Cellulitis und die Angst vor dem Tod. Natürlich will niemand mehr an Zauberei glauben, aber das, was moderne Wundermittel versprechen, ist nichts anderes. Da auch der Nepp mit der Zeit geht, sind die Begründungen, warum sie wirken müssen, allerdings nur noch selten dem magisch-religiösen Wortschatz entlehnt; dem Hokuspokus von heute hängt man stattdessen mit allerlei biochemischen Phrasen ein pseudowissenschaftliches Mäntelchen um. Keck wie Mäusedreck!
Doch das sind Äußerlichkeiten. Am Ende werden Kunden immer damit geködert, dass ihnen andere Menschen im Brustton der Überzeugung versichern, das Produkt funktioniere genau so, wie sie es sich wünschen. Wenn der seriös wirkende Fernsehzahnarzt eine bestimmte Zahnbürste empfiehlt, wenn Mutter und Tochter in der heimischen Küche über Abführmittel philosophieren, wenn Oma und Opa auf die Kraft der zwei Herzen schwören oder wenn der sympathische Wetterfrosch mit windzerzaustem Haar probiotische Milchprodukte schlürft, dann sind das nur ein paar Varianten des großen Glaub-mir-und-kauf-das-Spiels. Dabei spielt es nicht die geringste Rolle, ob der beworbene Artikel hält, was die Akteure behaupten – oder ob die Akteure überhaupt irgendeine Ahnung davon haben, was sie da gerade vertickern.
Es ist schon erstaunlich, wie wenig sich das offenkundig Irrationale und das scheinbar Logische unterscheiden, wenn es darum geht, potenziellen Kunden das Geld aus der Tasche zu leiern! Da praktisch jeden Tag irgendein neues „Vitalisierungsprodukt“ aus irgendwelchen Reststoffen nach immer dem gleichen Muster generiert wird, wie eine Flut von einschlägigen Patentschriften aus vieler Herren Länder belegt, war uns weniger daran gelegen, ein umfassendes Lexikon der Nahrungsergänzungsmittel zusammenzustellen. Wir wollen Ihnen vielmehr die Highlights der Wunderstoffe zeigen, ihren Aufstieg, ihren Fall und ihre Wandlungsfähigkeit.
Neben Nahrungsergänzung oder Functional Food aus dem aktuellen Angebot werden Sie auch auf Mittel stoßen, die schon wieder aus der Mode gekommen sind, wie Mumienpulver (einst einer der ganz großen Renner der Szene), oder die ihren ehemals omnipotenten Gesundheitscharakter durch Profanisierung verloren haben, wie Coca-Cola. Daneben stellen wir einige Kandidaten aus der ganz gewöhnlichen Lebensmittelwelt vor, die man mit Fug und Recht als „funktionell“ bezeichnen könnte, denen die Experten diesen Titel aber beharrlich vorenthalten, zum Beispiel Kaffee, Kaugummi oder Bärendreck (Lakritz). Last not least werden Sie auf ein paar schier unglaubliche Geschichten stoßen…, aber wir wollen nicht zu viel verraten. Lesen Sie los! Und lassen Sie sich bloß keinen Bären aufbinden!
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Literaturangaben:
POLLMER, UDO / WARMUTH, SUSANNE: Pillen, Pulver, Powerstoffe. Die falschen Versprechen der Nahrungsergänzungsmittel. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 208 S., 19,95 €.
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