„Vernetzte Sicherheit“ heißt die Zauberformel der Bundesregierung, wenn sie über Afghanistan spricht. Dahinter steckt der Wunsch, den zivilen Wiederaufbau am Hindukusch militärisch abzusichern, Drogenproduktion zu verhindern und eine demokratisch gewählte Regierung in Kabul zu stabilisieren – damit die internationalen Truppen das Land irgendwann einmal wieder verlassen können.
Auf dem NATO-Gipfel an diesem Freitag und Samstag in Straßburg, Baden-Baden und Kehl werden die Partner der Allianz über die neue Afghanistan-Strategie der USA sprechen. In punkto „vernetzter Sicherheit“ dürften sie sich einig sein. Für den Journalisten und Autor Eric Chauvistré zeichnet das Militärbündnis hingegen das Bild der „vernetzten Unsicherheit“.
In seinem Buch „Wir Gutkrieger“ schreibt der Politologe und Gegner des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr: „Je mehr über vernetzte Sicherheit geredet wird, desto weniger gefragt ist vernetztes Denken.“ Denn wer wolle, dass die Bundeswehr und die NATO irgendwann aus dem Land auch wieder abziehen könnten, müsse im Grunde die afghanischen Regierungstruppen aufrüsten, damit sie den Krieg allein weiterführen können. Er beklagt: „Die Einhaltung der Menschenrechte und Bedenken gegen Rüstungsexporte sind nur noch zweitrangig.“
Über die Bundeswehr schreibt Chauvistré: „Aus der Armee im Einsatz ist die Armee der überschätzten Möglichkeiten geworden.“ Die Deutschen hielten sich für „Gutkrieger“, die Politik bemühe sich um den Eindruck, dass deutsche Soldaten eine „Art bewaffnete Entwicklungshilfe“ leisteten. In Wirklichkeit seien es aber auch bewaffnete Kampfeinsätze. „Und es ist äußerst fraglich, ob die gesetzten Ziele mit militärischen Mitteln überhaupt erreicht werden können.“
Chauvistré stellt das Lob in Frage, das sich Regierung und Bundeswehr für den Einsatz im Norden Afghanistans gern selbst ausstellen. Es sei nicht ruhiger im Norden des Landes, weil dort die Deutschen stünden, sondern sie seien im Norden, weil es dort ruhiger sei als im umkämpften Süden mit seinen Taliban-Hochburgen. Die provozierende Empfehlung des Autors: Läge der Unterschied tatsächlich am sensibleren Umgang der Deutschen mit den Afghanen, wäre es konsequent, wenn sie in den Süden gingen, „um den dort agierenden NATO-Streitkräften zu zeigen, wie man es richtig macht“. Das ist für die Bundesregierung aber tabu.
Literaturangaben:
CHAUVISTRÉ, ERIC: „Wir Gutkrieger“. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2009. 227 S., 17,90 €.
Verlag