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Von der Zeit eingeholter Science-Fiction-Trash

Philip K. Dicks „Sämtliche 118 Science-Fiction-Geschichten“ sind jetzt in fünf Bänden erschienen

© Die Berliner Literaturkritik, 31.10.08

 

In den 1950er und 60er Jahren müssen Philip K. Dicks düstere Geschichten von Zeitreisen, Außerirdischen und postapokalyptischen Fallout-Welten bei den Lesern eingeschlagen sein wie sprichwörtliche Bomben. Heute jedoch lesen sie sich wie Science-Fiction-Trash. Vielleicht ist das gar nicht so verwunderlich, sondern zwangsläufig, weil Science Fiction mit der Zeit seine Aktualität verliert. Science-Fiction-Autoren sind in diesem Szenario Visionäre. Wenn sie jedoch keine guten Autoren abgeben, überdauert ihr Werk nur schwerlich die Zeit.

Philip K. Dicks „Sämtliche 118 Science-Fiction-Geschichten“, die jetzt in fünf Bänden im Schuber in Haffmans Verlag erschienen sind, lesen sich wie eine Blaupause dieses Phänomens. Was Dick an metaphysischen, philosophischen und moralischen Fragestellungen aufwirft sucht seines Gleichen. Die Szenarien sind düster, die Menschen in seinen Geschichten (über-) leben inmitten von interstellaren Kriegen, von Zerstörung, Krankheit und allgegenwärtigem Tod. Schriftstellerisch jedoch geben die Texte wenig her: „Das Klima ist abwechslungsreich genug, um den Siedlern ausreichend Gesprächsstoff zu liefern“ heißt es da, wenn es um die Besiedlung eines Planeten geht. Und warum die „wechselnde Abfolge verschiedener Melodien“ der Hintergrundmusik einer Kantine „mathematisch entwickelt“ sein muss, erschließt sich auch dem spitzfindigsten aller Leser nicht. Es braucht eine technisierte Umgebung, mag Dick sich gedacht und diesen kolossalen Unsinn geschrieben haben.

Vielleicht ist Science-Fiction nicht nur abhängig von der Zeit, in der sie entsteht, vielleicht – so könnte man argumentieren – ist sie auch eine Form weniger entwickelter Literatur. E versus U also. Aber dieser Argumentation zu folgen würde weder zu einer Ehrenrettung Dicks beitragen, noch wäre die Argumentation selbst richtig. Denn es gibt Beispiele für Science-Fiction- oder zumindest SF-eske Literatur, die gut geschrieben ist: „Brave New World“ von Aldous Huxley oder Orwells „1984“. Nein, das Problem an Philip K. Dick ist einfach, dass sich inmitten spannender Szenarien immer wieder schreiberisches Unvermögen Raum verschafft.

Viele von Philip K. Dicks Geschichten wurden erfolgreich verfilmt: Paycheck (Paycheck), Minority Report (Minority Report) oder Next (The Golden Man). Bezeichnend jedoch ist, dass die Filme stets um Klassen besser sind als die literarische Vorlage.

Ob das nun daran liegt, dass 50 Jahre zwischen Geschichten und Verfilmungen liegen und die Filme der technischen Möglichkeiten wegen ganz einfach besser aussehen als die Geschichten klingen oder ob Philip K. Dick einfach kein Großer unter den Literaten ist: Darüber mag angesichts der zitierten Sätze kaum gestritten werden. Das ändert nichts daran, dass Philip K. Dick ein Visionär war, seiner Zeit weit voraus. Lesen aber kann man ihn heute nicht mehr.

Literaturangaben:
DICK, PHILIP K.: Sämtliche 118 SF-Geschichten. In fünf Bänden. Aus dem Amerikanischen von Bela Wohl, Thomas Mohr, Clara Drechsler, Harry Rowohlt, Klaus Timmermann, Ulrike Wasel u.a. Haffmans Verlag bei ZWEITAUSENDEINS, Frankfurt am Main 2008. 3216 S., 49,90 €.

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