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Die Welt der Habsburger

Vielvölkerstaat mit Überzeugung des Lebens in Vielfalt

© Die Berliner Literaturkritik, 27.08.10

Von Imke Teerling

Liberaler Vielvölkerstaat und despotisches Herrscherhaus, große Kaiser und spleenige Erzherzoge, zukunftsweisende Reformen und rückständige Traditionen – Fast 800 Jahre regierte das Hause Habsburg in Europa. Angefangen als kleine Hausmacht in der Alpenregion, wurde mit Friedrich III. erstmals ein Habsburger zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt. Der Siegeszug begann und sollte erst nach dem Ersten Weltkrieg sein Ende nehmen.

Doch was war ihr Geheimnis? Wie konnte ein ursprünglich einfaches Grafengeschlecht über Jahrhunderte lang die Weltgeschichte entscheidend prägen? Antworten darauf geben verschiedene Spiegel-Autoren und Historiker in diesem umfassenden Panorama, indem sie den Weg des Herschergeschlechts von den Anfängen im Aargau über den Aufstieg zur größten Monarchie Europas bis zum heutige Erbe in Portraits und historischen Ereignissen beleuchten.

Dabei werden nicht nur große und bekannte Persönlichkeiten wie Karl V. oder Maria Theresia vorgestellt, sondern beispielsweise auch Einblicke in die Entstehung des strengen Hofzeremoniells, der Kunst- und Musikverliebtheit der Habsburger und der schwierigen Beziehung der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gegeben. Überdies wird der Mythos von Sissi und ihrem Franzl durchaus entzaubert und eine Monarchie, die sich am Ende des 19. Jahrhunderts bereits selbst überlebt hat, kommt zu Tage.

Dass ein Reich dieser Größenordnung so lange bestehen konnte, ist nicht zuletzt auf die scharfsinnige Heiratspolitik Österreichs zurückzuführen. „Bella gerant alii, tu felix austria nube“ – Kriege führen mögen andere, du glückliches Österreich heirate. Ein einst mehr aus Hohn gefallener Satz, der wie kaum ein anderer das System Habsburg auf den Punkt bringt. Bereits beim ersten Spross der Sippe Rudolf I. zum Machtausbau benutzt, findet jene Taktik unter Maria Theresia mit ihren 16 Kindern, von denen sie die meisten europaweit verheiratet, ihren Höhepunkt.

Es wird allerdings auch deutlich, dass es sich nicht nur um geschicktes Heiratskalkül handelte, sondern auch andere Faktoren zur Legitimation der Macht und zum Zusammenhalt des Reiches dienten. Systematisch eingesetzte Ideologie und verklärte Geschichte zur Imageförderung war einer dieser Punkte. Hier sei nur auf das Kapitel „Sagenhafte Schätze“ verwiesen, in dem Dietmar Pieper pointiert die Bedeutung der Achatschale und des Ainkhürns als unveräußerliche Erbstücke des Hauses Österreich beschreibt. Der Legende nach handele es sich bei jener Schale um den Heiligen Gral – ein genialer propagandistischer Schachzug! Doch auch das unantastbare Hofzeremoniell, die diversen Prunkbauten und die Förderung der schönen Künste bauten ihre Superiorität weiter aus. Sozusagen ein riesiger Marketingapparat.

Trotz der Rückwärtsgewandtheit der letzten Vertreter dieses Hauses, wird doch in vielen Kapiteln ihre Vorreiterrolle deutlich. Besonders im Abschlusskapitel „Die Hinternationale“ von Eberhard Straub wird Habsburg als Jahrhunderte währender Vielvölkerstaat mit der Überzeugung des Lebens in Vielfalt skizziert: Verschiedene Nationen, Völker, Sprachen und Kulturen. Alle vereint unter dem casa austriae. In mancher Hinsicht war dieser Staat seiner Zeit voraus, besonders was Toleranz und Akzeptanz unterschiedlicher Nationalitäten undKonfessionen betraf. „Ein Reich, dass hinter den Nationen mit ihrem Nationalismus zurückblieb, weil es viele Völker und Nationen verknüpfte und damit in die Zukunft wies, in der Mannigfaltigkeit und Einheit, nicht Vereinheitlichung, einander ergänzten.“

Literaturangabe:

PIEPER, DIETMAR; SALTZWEDEL, JOHANNES: Die Welt der Habsburger. Glanz und Tragik eines europäischen Herrscherhauses. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010. 304 S., 19,95 €.

Weblink:

DVA

 

 


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