Januar 1904: Herero-Aufstand in Deutsch-Südwestafrika
Vor 110 Jahren lehnte sich die Bevölkerungsgruppe der Herero in Namibia gegen die deutschen Kolonialherren auf. Diese antworteten auf die Angriffe mit einer bis dahin ungekannten Brutalität. Zehntausende Menschen fielen dem Vernichtungsfeldzug zum Opfer.
1884 wurde das deutsche "Schutzgebiet" Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia, offiziell errichtet und zur Kolonie ausgebaut. Bis 1914 kamen rund 15.000 weiße Siedler nach Deutsch-Südwestafrika, darunter mehr als 12.000 Deutsche. Die deutsche Kolonialverwaltung regierte das Gebiet mithilfe von Rassentrennung und Unterdrückung. Die Einheimischen wurden von den europäischen Siedlern als Menschen zweiter Klasse behandelt und praktisch entrechtet. Einheimische Stämme wurden gezwungen, ihr Land zu räumen. Lebenswichtiges Weideland ging so immer mehr in die Hände der Siedler über. Das bedrohte vor allem die Lebensgrundlage des halbnomadische Hirtenstammes der Herero.
Der Aufstand
Am 12. Januar 1904 begannen die Herero sich mit Angriffen auf koloniale Einrichtungen gegen die Unterdrückung zu wehren. Sie belagerten Militärstationen, blockierten Bahnlinien und überfielen Handelsniederlassungen. In den ersten Monaten des Kriegs dominierten die Herero die Auseinandersetzungen mit den deutschen Kolonialtruppen.Die Vertreter des deutschen Reiches waren von dem Aufstand überrascht. Der Gouverneur Deutsch-Südwestafrikas, Theodor Leutwein, wurde angewiesen den Aufstand militärisch niederzuschlagen. Im Mai 1904 wurde das Kommando auf Generalleutnant Lothar von Trotha übertragen. Von Trotha führte die Auseinandersetzungen gezielt als einen Vernichtungskrieg. Die 2.000 Mann starken kaiserlichen Schutztruppen wurden durch 14.000 Soldaten verstärkt, die mit brutaler Härte gegen die Aufständischen vorgingen.
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Deutscher Imperialismus
Einen zeitlichen Überlick bietet die Chronologie zur Deutschen Kolonialgeschichte.
Schlacht am Waterberg
Im August 1904 hatte die deutsche Armee das Volk der Herero auf dem Plateau des Waterbergs umzingelt. Die in die Enge getriebenen Herero mussten in die Omaheke-Wüste fliehen, die von den Deutschen mit einem 250 Kilometer langen Absperrgürtel abgeriegelt wurde. Nur wenige Herero durchbrachen die Absperrung, die meisten verdursteten und verhungerten in der Wüste. Die deutschen Truppen unter von Trotha nahmen dabei die völlige Vernichtung der Herero gezielt in Kauf. Am 2. Oktober 1904 ließ von Trotha verlauten:
"Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu Ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen." (Quelle: BArch R 1001/2089)
Weitere Maßnahmen gegen die Herero-Bevölkerung
Im November 1905 wurde von Trotha, auch wegen öffentlicher Kritik an der brutalen Niederschlagung des Aufstands, abberufen. Die überlebenden Herero wurden in Konzentrationslagern interniert und zur Zwangsarbeit herangezogen. Von den ursprünglich 60.000 bis 80.000 Herero überlebten nur etwa 16.000, genaue Opferzahlen sind jedoch umstritten. Auch die Hälfte der rund 20.000 Menschen zählenden Bevölkerungsgruppe der Nama, die im Oktober 1904 ebenfalls gegen die deutschen Kolonialherren aufbegehrten, fielen der Vernichtungspolitik zum Opfer.Die Diskriminierung und Unterdrückung beider Bevölkerungsgruppen ging bis zum Ersten Weltkrieg weiter. Die deutsche Kolonialherrschaft über Südwestafrika endete erst 1915 mit der Kapitulation der kaiserlichen Schutztruppen vor südafrikanischen Truppen des britischen Empire.
Einordnung des Krieges
Historiker stufen den Vernichtungskrieg gegen die Herero heute mehrheitlich als Genozid ein. Die deutsche Bundesregierung lehnt eine offizielle Wertung des Krieges gegen die Herero als Völkermord ab. 2012 erklärte sie, die "brutale Niederschlagung" des Aufstands könne nicht nach den heute geltenden Regeln des humanitären Völkerrechts bewertet werden[1]. Forderungen nach Entschädigungszahlungen wies sie zurück. Gleichzeitig betonte Sie die "historische und moralische Verantwortung" Deutschlands gegenüber Namibia und den Nachfahren der Opfer. Bei einer Erinnerungsveranstaltung an die Schlacht vom Waterberg im Jahr 2004 in Namibia hatte sich die damalige deutsche Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczorek-Zeul bei den Nachkommen der Herero und Nama entschuldigt.”
2004: Entschuldigung der damaligen Entwicklungsministerin Heide Wieczorek-Zeul
Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde – für den ein General von Trotha heutzutage vor Gericht gebracht und verurteilt würde.
Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen, moralisch-ethischen Verantwortung und zu der Schuld, die Deutsche damals auf sich geladen haben. Ich bitte Sie im Sinne des gemeinsamen "Vater unser" um Vergebung unserer Schuld. […]"
Auszug aus der Rede von Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul bei den Gedenkfeierlichkeiten der Herero-Aufstände am 14. August 2004 in Okakarara. Rede-Manuskript auf der Website der Deutschen Botschaft in Windhuk http://www.windhuk.diplo.de/Vertretung/windhuk/de/03/Gedenkjahre__2004__2005/Seite__Rede__BMZ__2004-08-14.html
Deutschland und Namibia heute
In Namibia, Botswana und Angola leben heute wieder bis zu 120.000 Menschen vom Volk der Herero. Deutschland betreibt seit der Unabhängigkeit Namibias eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit. Namibia war 1990 als letztes afrikanisches Land nach einem fast 25 Jahre andauernden Freiheitskampf gegen die Mandatsmacht Südafrika unabhängig geworden. Seit 1990 belaufen sich die Hilfszahlungen Deutschlands an das Land auf über 700 Millionen Euro. 2013/2014 erhält das Land 77,7 Millionen Euro. Zudem unterhält Deutschland enge politisch-kulturelle Beziehungen zu Namibia. Rund 20.000 Menschen in Namibia zählen zur deutschsprachigen Gemeinschaft.- Sebastian Conrad: Kolonialismus und Postkolonialismus
- Jürgen Zimmerer: Expansion und Herrschaft: Geschichte des europäischen und deutschen Kolonialismus
- Andreas Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis