Argentinien auf der Buchmesse – ein erster Vorgeschmack
Der Hochsommer ist traditionell die Zeit für die Pressekonferenz des Ehrengastes der Frankfurter Buchmesse. Argentinien präsentierte sein geplantes Programm für den Auftritt auf der Buchmesse in sommerlicher Hitze im Instituto Cervantes in Frankfurt.

Pressekonferenz des Ehrengasts Argentinien, Instituto Cervantes
Eines sei vorweggenommen: Erstaunlich wenig Titel auf der Liste der Neuerscheinungen aus Argentinien, die 2010 auf Deutsch publiziert werden, behandeln das angebliche Zentrum des argentinischen Lebensgefühls: Fußball. Dabei stand kurz vor der Pressekonferenz fest, dass Deutschland und Argentinien im Viertelfinale der WM aufeinandertreffen würden, und viele Journalisten interessierte gerade das brennend: Maradona, Fußball und … Literatur.
Wer die Liste der Neuerscheinungen durchblättert, dem fällt vor allem eines ins Auge: Rund ein Drittel der Titel behandeln die Zeit der Militärdiktatur. Fußball kommt darin höchstens, wie bei Martín Kohans “Zweimal Juni”, am Rande vor – als Erinnerung an die Fußball-Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien, die ebenfalls ganz unter dem Zeichen der Militärdiktatur stand.

Magdalena Faillace
Magdalena Faillace, die Präsidentin des argentinischen Organisationskomitees (COFRA), das den Ehrengast-Auftritt verantwortet und dem argentinischen Außenministerium unterstellt ist, sagte dazu: “Man kann unsere (argentinische) Kultur nicht ohne unsere Art der geschichtlichen Aufarbeitung verstehen, die für die Argentinier maßgebliche Bedeutung hat und die sich in der gesamten Präsentation (auf der Buchmesse) als Kernthema … wiederfindet”. Die Literatur beschäftigt sich jedoch erst seit kurzer Zeit mit dem Thema der Aufarbeitung der Vergangenheit – ebenso wie die argentinische Justiz. Marcelo Figueras war einer der ersten, der 2003 mit dem Drehbuch für den Kinofilm “Kamtschatka” international Aufmerksamkeit erregte, sein gleichnamiges Buch wurde 2006 ins Deutsche übersetzt von Sabine Giersberg und ist erschienen im Nagel & Kimche Verlag. Der Auftritt Argentiniens auf der Buchmesse fällt in das 200. Jahr der Unabhängigkeit Argentiniens. In Argentinien, aber auch in Deutschland und zur Buchmesse wird der so genannte “Bicentenario” ausgiebig begangen. Dabei werde das Thema nicht nur von offiziellen Institutionen gesetzt, sondern bewege auch die argentinische Gesellschaft, so der Autor

Marcelo Figueras
Marcelo Figueras: “Diese Art von Feierlichkeiten hilft, dass bestimmte Fragen gestellt werden, die bislang noch nicht gestellt wurden – wir Argentinier sind ja nicht nur 200 Jahre alt, sondern haben schon mindestens 1000 Jahre auf dem Buckel”. Das Thema der Migration, des Verhältnisses zwischen Einwanderern und indigener Bevölkerung wird der Buchmesse-Auftritt Argentiniens ebenfalls in den Fokus nehmen.
Eine gute Neuigkeit ist, dass das Übersetzungsförderungsprogramm SUR, welches die argentinische Regierung extra zur Buchmesse aufgelegt hat, auch nach der Messe weiterlaufen wird. Insgesamt wurde in den letzten 14 Monaten die Übersetzung von 292 Titeln argentinischer Autoren in 31 Sprachen bezuschusst. Rund 60 Titel davon werden in Deutschland veröffentlicht, 14 in Großbritannien, 19 in den USA und 33 in Italien.
Auf 450 Quadratmetern werden sich argentinischeVerlage auf der Messe präsentieren, rund 45 Autoren aus Argentinien
werden vom Organisationskomitee eingeladen – hinzu kommen noch Autoren, die unabhängig davon über ihre Verlage und unabhängige Institutionen zur Messe kommen. Die Liste der offiziell von argentinischer Seite eingeladenen Autoren stehe bis Mitte August fest, so Magdalena Faillace. Zwölf Ausstellungen aus den Bereichen Kunst, Architektur, Desing, Gesellschaft, Literatur und Comic sind in ganz Deutschland geplant, darunter zu den Themen “Jüdisches Leben in Argentinien” oder “Erinnerungen und Menschenrechte” in der Frankfurter Paulskirche. Das Herzstück der Präsentation im Forum der Buchmesse wird den wohl bekanntesten argentinischen Klassikern der Weltliteratur gewidmet: Julio Cortázar und Jorge Luis Borges. Das helle Labyrinth aus Stoffen und hohlen Sechsecken erinnert an Borges’ berühmte Bibliothek, die sich “aus einer unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen (setzt)” (aus: Die Bibliothek von Babel).
Die Buchmesse eröffnen wird die Autorin Griselda Gambaro, eine Autorin deren Roman “Ganarse la muerte” (während der Militärdiktatur verboten) in die Sammlung der größten Schätze der argentinischen Nationalbibliothek aufgenommen wurden. Ihre Theaterstücke “Das Lager”, “Böses Blut” und “Die siamesischen Zwillinge” wurden in deutschen Theatern aufgeführt, auf deutsch übersetzt wurden mehrere ihrer Stücke.
Weitere Eindrücke zur Pressekonferenz liefern HR online , Focus , Frankfurter Rundschau , Kölner Stadtanzeiger .
Alle Fotos: © Fernando Baptista