Es gibt nun erste Test- und Nachholtermine, alle vorbehaltlich der weiteren Pandemie-Entwicklung und entsprechend der praktischen Umsetzbarkeit. Bitte verfolgt die Updates und ggf. Veranstaltungslinks.
Noch ohne konkreten Termin, aber in Planung sind eine weitere “Entschwörungstheorie” in Dresden (Roter Baum) und “Leben im Rausch” in Augsburg (Bäckerei). Wer noch mehr aushecken will oder sich daheim die Slides und Materialien anschauen, findet hier mein aktuelles Programm.
Chop chop, Kopf ab, runter mit der Rübe: Chop-Literatur, wann immer der Name Jeff Bezos auftaucht. Die Revolution mit der Guillotine war die bürgerliche. Chip-Chop, das Unteilbare wird zum Dividuum: Wollen wir uns mal auf Französisch unterhalten mit dem Herren Baron. Les aristocrates à la lanterne! The taking of the Bastille on July 14th had done more than intimidate the King and the Court – it had frightened the bourgeoisie, who hastened to form a National Guard, strictly excluding the poor. Chip Chop and you don’t stop: und dann?
Kopf kürzer: Als erster Mensch wurde am 25. April 1792 der Straßenräuber Nicolas Jacques Pelletier mit der neuen Guillotine öffentlich hingerichtet. Zum einen sollte die Maschine die zahlreichen Hinrichtungen rationalisieren. Kopf kürzen, bitte. Ja, hinten, im Nacken. Between June 1793 and the end of July 1794, 16,594 people were officially sentenced to death in France, including 2639 people in Paris. Ferner sollte die Hinrichtung für die Betroffenen schmerzfrei gemacht werden, denn zuvor brauchte ein Henker mit einem von Hand geführten Beil unter Umständen mehrere Schläge.
Wer wen? Of the formal death sentences passed under the Terror, only 8 percent were doled out to aristocrats and 6 percent to members of the clergy; the rest were divided between the middle class and the poor, with the vast majority of the victims coming from the lower classes. Kill, kill, kill, kill, kill the poor. Und wie? Die Folter und besonders grausame Hinrichtungsmethoden wie das Rädern sollten mit der Guillotine abgeschafft werden. Tatsächlich gibt es jedoch Berichte, nach denen bei den während der Französischen Revolution benutzten Modellen bisweilen erst nach mehreren Durchgängen der Kopf vollständig abgetrennt werden konnte – so auch bei der Hinrichtung Ludwigs XVI., angeblich aufgrund seines dicken Nackens.
Vive la Commune, holt die Guillotine! On April 6, 1871, armed participants in the revolutionary Paris Commune seized the guillotine that was stored near the prison in Paris. Vive la Commune, Tod der Guillotine! They brought it to the foot of the statue of Voltaire, where they smashed it into pieces and burned it in a bonfire, to the applause of an immense crowd. Die Szene ist mit Rotfilter eingefärbt. This was a popular action arising from the grassroots, not a spectacle coordinated by politicians. Die Würfel erloschen. At the time, the Commune controlled Paris, which was still inhabited by people of all classes; the French and Prussian armies surrounded the city and were preparing to invade it in order to impose the conservative Republican government of Adolphe Thiers. Hier kann der Rachegedanke sanktionsfrei rehabilitiert und konsequenzfrei in Destruktion übersetzt werden. In these conditions, burning the guillotine was a brave gesture repudiating the Reign of Terror.
Chop-chip, ab Kopf. For radicals, fetishizing the guillotine is just like fetishizing the state: it means celebrating an instrument of murder that will always be used chiefly against us. Den Kopf riskieren, aber die andere Wange hinhalten? Denn mit hingehalt’nen Wangen wissen die was anzufangen… Sich bewaffnen um die Waffen nicht einsetzen zu müssen. Die Frage, wer hier den (männlichen) Subjektstatus innehat, wird auf komplexe Weise verdreht. CutUptionsangst! Sind wir ohne Terror nicht wehrlos? Das Ausmaß der Gewalt bestimmt die andere Seite. Self-defense is necessary, but wherever we can, we should take the risk of leaving our adversaries alive.
Für uns dürfte die Sache damit erledigt sein. Those who don’t desire revenge because they are not compassionate enough to be outraged about injustice or because they are simply not paying attention deserve no credit for this. Where’s your anger, where’s your fucking rage?Die strukturelle Ähnlichkeit der Position des Monsters und der Stellung der Frau ist vielfach beschrieben worden. There is less virtue in apathy than in the worst excesses of vengefulness. Für ihre Selbstermächtigungen wird sie im Laufe des Films immer wieder bestraft.
Also sind wir noch nicht an den Kern der Gruppe herangekommen. Do I want to take revenge on the police officers who murder people with impunity, on the billionaires who cash in on exploitation and gentrification, on the bigots who harass and dox people? Yes, of course I do. They have killed people I knew; they are trying to destroy everything I love. When I think about the harm that they are causing, I feel ready to break their bones, to kill them with my bare hands. Am Ende bleibt die Frage, ob in Kill Bill Aggressivität eher gefeiert oder studiert wird. But that desire is distinct from my politics. I can want something without having to reverse-engineer a political justification for it. Es bleibt der jeweiligen Wahrnehmung des Zuschauenden überlassen, ob der Film als ein Denkmal für die unterdrückte Präsenz von Racheordnungen angesehen wird oder als Kritik an bestehenden Rachelogiken. I can want something and choose not to pursue it, if I want something else even more. Nun zum Objekt: I don’t judge other people for wanting revenge, especially if they have been through worse than I have. But I also don’t confuse that desire with a proposal for liberation.
Aus dem Unglück ins Glück sehen. Those who fetishize the guillotine don’t want to kill people with their bare hands; they aren’t prepared to rend anyone’s flesh with their teeth. Die Fetzen des Zerfetzten im Zerfetzten suchen und mit nicht einmal sorgfältiger Hand aufreihn, bis – siehe da! – sich das nicht einmal Unerwartete zeigt: Kopfkürzer want their revenge automated and carried out for them. In der Guillotinerie, der Halsabschneiderei, im Schneidewerk, in der Köpffabrik. Warum ist das, was gerne unerwartet sein soll hier nicht unerwartet? Kopfkürzer prefer for bloodshed to take place in an orderly manner, with all the paperwork filled out properly, according to the example set by the Jacobins and the Bolsheviks in imitation of the impersonal functioning of the capitalist state. Kopf muss kurz, wenn der Kopf kurz muss. Antwort des Lesers: “Weil ich das Zerfetzte und das Entfetzte zur gleichen Zeit sehen kann.” And one more thing: they don’t want to have to take responsibility for it. Das ist eines der Schicksale des kurzatmigen, linearen Zweidimensionalen. Kopfkürzer prefer to express their fantasy ironically, retaining plausible deniability. Beilfall! Yet anyone who has ever participated actively in social upheaval knows how narrow the line can be between fantasy and reality. Antwort des Darstellenden: “Weil ich die Bildteile des Zerfetzten als Umgekehrtes in meinem umgekehrten Magen, dem Gehirn, schon getragen habe, während ich noch im Zerfetzten nach Fetzen suchte.”
Chip-chop, Kopf ab, runter mit der Rübe: das gute Kapital lässt die aufgebrachten Arbeitskräfte dem bösen Kapital den Kopf abschlagen und übernimmt dann dessen Assets. Chip-Chop, das Unteilbare wird zum Dividuum: Fantasie der herrschenden bürgerlichen Klasse – Kopf ab, raus aus der Sache, sollen sie doch zusehen! Der abgeschlagene Kopf steckt nicht mehr in der Schlinge. Wie diese Revolution, die sie immer schon mal haben machen lassen: für moderneres Management, bessere Governance oder einfach mal für ein paar neue Gesichter. Kopf hinhalten lassen, Knochen hinhalten lassen, Wangen hinhalten lassen. Meist zur Abwehr einer richtigen Umwälzung, nach der sie alle hätten mit aufräumen müssen, sich der Verantwortung stellen, sich am Ende noch selbst ändern.
Our adversary is not a kind of human being, but the form of social relations that imposes antagonism between people as the fundamental model for politics and economics. Unsere Berechnungen hatten nämlich ergeben, daß der Gegner erst losschlagen konnte, wenn die Delegation bereits unterwegs war und von uns nicht mehr und irgendeinem Vorwand abbestellt werden konnte. Abolishing the ruling class does not mean guillotining everyone who currently owns a yacht or penthouse; it means making it impossible for anyone to systematically wield coercive power over anyone else. Das Kapitalverhältnis ist kein Mensch (und kein Drachen oder Vampir), es wurde von Menschen eingerichtet, wird von Menschen aufrechterhalten und spielt sich zwischen Menschen ab. Entfernung des Kopfes, Kopfstücks, Hauptstücks, Kapitals heißt nicht die Entfernung von lauter Köpfen, kürzende Kopfkritik, sondern Abschaffung dieses Verhältnisses zwischen Menschen. Das geht trotzdem damit los sich zusammenzutun und denen, die übers Kapital verfügen, so viel wie möglich wegzunehmen um ihnen ihre Macht über die Gesellschaft zu entreißen und die Verhältnisse anders einrichten ZU KÖNNEN.
Apokalypse, Weltuntergang, Kopf ab – the easy ways out. Die Kämpfe im Elend des allmählichen Zerfalls, das Aufräumen – the hard way. Kopf ab zum Gebet – so einfach kommen sie nicht davon! Jens Spahn in die Produktion! Kurz mal Kopf: Ich stelle mir Revolution ja positiv unter anderem ungefähr so vor: die, die bisher schlecht bezahlt oder unbezahlt die Drecksarbeit machen mussten, organisieren diese möglichst gründlich menschenfreundlich um (Arbeit komplett verschwinden zu lassen, halte ich für die irgendwie absehbare Zukunft für eine bürgerliche und männliche Chimäre), während diejenigen, die sie dazu angetrieben und ihnen die Gelder gestrichen haben, sie solange übernehmen (wenn sie dazu in der Lage sind usw.) ABER ABER ABER im Moment gibt es noch nicht einmal eine richtige Klassenorganisation, also erstmal: auf die Existenz, Lage und Rolle der Klasse hinzuweisen, der Arbeitskräfte, die alles machen und alles machen sollen, auch wenn man sie nicht lässt. Wir waren noch nie so viele! If you must count to keep the beat, then count.
Dann will ich euch mit dem Ablauf bekannt machen. Chop Chapeau, Rübe mit Name Revolution. Wollen wir mal auf Französisch an der Laterne. Die Namen gehören zu verschiedenen Phasen ihrer Existenz. The bourgeoisie hastened strictly, and you don’t stop. Sie hat so etwas gewonnen und verloren. Dann poor taking more, wollen Revolution. Sie seufzt erleichtert.
(Gemischt im Studio O2, Museumsquartier Wien, 11-28.12.2020, enthält Samples aus den Büchern “Die Insel der Roboter” von Karl-Heinz-Tuschel, “The Black Jacobins” von C.L.R. James und “Da drinnen vor dem Auge” von Dieter Roth, aus den Texten “Splattering Bride” von Julia B. Köhne und “Against The Logic of the Guillotine” von CrimethInc, aus dem Wikipedia-Eintrag “Guillotine”, aus den Songs “Kill The Poor” von den Dead Kennedys, “Der Tag des Herrn 2” von Joint Venture, “After the eulogy” von Boysetsfire und “Coded Language” von Saul Williams sowie aus einer Facebook-Diskussion.)
Benannt nach dem Großgrundbesitzer und Industriellen Albert Dub (1841 bis 1908), welcher diesen Grund zum Bau der Kirche und der Parkanlage stiftete. Stiftungsurkunde von 1887: “Zur Verschönerung von Gersthof”. THC. Die Benützung erfolgt auf eigene Gefahr. Unsere Gärten. Für den Widerstandskämpfer Kaplan DDr. Heinrich Maier gepflanzt.
Wien ist anders. Vorsicht bei Sturm! In die offene Kirche kommen .. Dub ist nicht allein .. und dann Weihnachten feiern. Hauskirche feiern. I wanna misch you a merry christmas. Wenn Sie Hilfe brauchen … Dankbar … Hoffnungsfroh … Liebevoll. Sata… Brücken bauen statt polarisieren. Im Freien sind Sitzplätze für alle zur Verfügung zu stellen. Beim Ausgang im Mittelgang stehen zwei Sammelkisten für diese Daten. Dieser Weg wird bei Schneelage nicht gesäubert. FCK NZS.
Reden wir mehr miteinander statt übereinander. Ich bin froh gerade nicht authentisch sein müssen, weil mein authentisches Ich stinkt, es hat so viele Fehler. Eigentlich Heigerlein. Jeder Weg beginnt mit einem Schritt. Mitfeiernde werden gebeten, auf aufliegenden Formularen das Datum anzugeben. Grundsatz: in möglichst großen Räumen feiern. Diese Boxen werden nach jeder Feier entleert.
Version.
Einfach, wenn du’s doppelt siehst: Benannt nach dem Dub, welcher Gärten ist. Brücken sind Sitzplätze für alle. Zur Verfügung stehen viele Fehler. Weg mit Grundsatz. In möglichst großen Boxen.
Doppelt hallt besser: Benannt diesen Großgrund zur Verschönerung auf eigene Gefahr. Wien ist nicht allein. THC FCK NZS. Mein authentisches Ich beginnt mit einem Schritt. Mitfeiernde werden auf aufliegenden Formularen in möglichst großen Räumen entleert.
Doppelt und dreifach: Ich kann diese Frau Direktor nicht ausstehen. Benannt nach Industriellen zum Bau, “zur” Benützung bauen, so viele Fehler. Sie antwortete nicht. Es ist hier kein Ort für ihr. Wenn Hilfe stinkt.
Dopplereffekt: und welcher von THC auf Sturm liebevoll wird, stinkt so Schritt auf möglichst entleert.
Doppel-Dopp-Stopp: zwei Sammelkisten NZS werden nach jeder Feier entleert, für Kaplan Heinrich Maier.
***
(Gedoppelt, filetiert und angerichtet am 16.12.2020 im Künstlerstudio O2, Museumsquartier Wien – enthält Text, den ich im Albert-Dub-Park und an der angrenzenden Pfarrkirche in Gersthof, 18. Wiener Gemeindebezirk, vorgefunden habe, darunter Schilder, Tafeln, Aushänge, Gesprächsfetzen, das Buch “Trotzkopfs Brautzeit” von Else Wildhagen sowie ca. anderthalb Zeilen, die mir dort durch den Kopf gingen. Heinrich Maier war Teil einer Gruppe, die während der Zweiten Weltkriegs Informationen an die Allierten weitergab, vor allem über die Nazi-Rüstungsindustrie, aber auch erste Nachrichten über Auschwitz.)
daß das Ding einen Heringsgeruch und einen Petroleumsgeschmack habe und dadurch imstande sei, Ekel zu erregen. Am nächsten Tag wurde Katharina durch die Grippe mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen niedergeworfen. Ich gehe mit traumwandlerischer Sicherheit den Weg, den mich die Vorsehung gehen heißt. Wir deutschen Hausfrauen wissen aber Bescheid und wir hoffen, daß sich diese Eigentümlichkeiten beim Kochen vollständig verlieren werden, ja, wir sind überzeugt, daß die Mineralnährhefe den Speisen einen feinen Wohlgeschmack verleiht.
Am Tag darauf erwischte es Ernst, Mizzi und Gudrun. Wenn aber diese Allmacht ein Werk segnet, so wie sie unseres gesegnet hat, dann können Menschen es auch nicht mehr zerstören. Ist das Mittachbrot vorbei, so kommt wieder die Sorge um’s Amdbrot. Franzi und Jakob waren die Einzigen in der Wohnung, die noch gesund waren.
Wenn ich auf die 5 Jahre, die hinter uns liegen, zurückblicke, dann darf ich doch sagen: das ist nicht Menschenwerk allein gewesen. Zum Amdbrot gibts heut wie immer Eintopfgericht, zur Abwechslung aber Leberwurst aus Stärkekleister und rotgefärbtem Gemüse und als Käseersatz Berliner Quark mit Paprikaersatz, auch erproben wir heute das vielgerühmte Alldarin mit Eiersatz Dottofix aus Schlemmkreide mit Backpulver und etwas Salatfix, ein köstlicher Zusatz, den ich dem Salatin wie dem Salatol vorziehe.
Besonders schlimm traf es Mizzi, sie hustete Blut und lief blau an. Wenn uns nicht die Vorsehung geleitet hätte, würde ich diese schwindelnden Wege oft nicht gefunden haben. Denn für den deutschen Familientisch ist das Beste gerade gut genug und es ist alles da, nich so wie bei arme Leute.
Im heiligen Namen Gottes, unseres himmlischen Vaters und Herrn, um des gesegneten Blutes Jesu willen, welches der Preis der menschlichen Erlösung gewesen, beschwören wir Euch, die Ihr von der göttlichen Vorsehung zur Regierung der kriegführenden Nationen bestellt seid, diesem fürchterlichen Morden, das nunmehr seit einem Jahre Europa entehrt, endlich ein Ziel zu setzen. Die Reden wurden von wilden Zwischenrufen wie “Hoch die Revolution!” und “Generalstreik” übertönt. Der Kaiser ist ein leeres Symbol, da hast du schon recht. Die schönsten Gegenden Europas, dieses Gartens der Welt, sind mit Leichen und Ruinen besät. Die Nervosität der Demonstranten wurde durch ein übermäßiges Aufgebot von Polizei und Militär verstärkt. Aber es geht um die proletarische Macht und die Organisierung als Werkzeug der proletarischen Macht.
Das wiederholen wir jetzt solange, bis es alle begriffen haben.
Die Fülle der Reichtümer, mit denen Gott der Schöpfer die Euch unterstellten Länder ausgestattet hat, erlauben Euch gewiß die Fortsetzung des Kampfes. Aber um was für einen Preis? Darauf mögen die Tausende Menschenleben antworten, die alltäglich auf den Schlachtfeldern und in den Krankenstationen erlöschen. Nach Ende der Demonstration setzte sich die Menge in großen Gruppen in Richtung der Vorstädte in Bewegung. Wen interessiert denn noch der Kaiser? Die Parteifunktionäre versuchten verzweifelt, Ausschreitungen zu verhindern, auch in der Sorge, daß ein Exzeß die anfänglichen Sympathien für die Demonstration schwinden lassen würde. Aber die Aktion ist sicher sehr populär: die Arbeit niederlegen, die Infektionsketten endlich richtig unterbrechen. Sogar die Arbeiterführer konnten die wütende Menge diesmal nicht beruhigen. Das Proletariat hasst den Kaiser.
Das wiederholen wir jetzt solange, bis es alle begriffen haben.
(Wien, Studio O2, zum Internationalen Tag der Staatsgewalt, 13.12.2020, eine Kreis-Mischung/Merry-go-round aus drei Quellen: “Die letzten Tage der Menschheit” von Karl Kraus, “Herbst 1918” von Robert Foltin und “Hitlers Wien” von Brigitte Hamann, behutsam aktualisiert)
Menschen sind potentiell unsterblich in den Gedächtnissen der anderen Menschen, solange die sich an sie erinnern und die Erinnerung und hinterlassenen Spuren und Aufzeichnungen weitergeben. Viele sind schon vergessen, wenn sie sterben. Most of my heroes don’t appear on no stamps. Der meisten Toten wird nicht angemessen gedacht, der meisten Toten kann ich nicht angemessen gedenken, der Hungertoten, der sterbenden Kranken, der Toten ignorierter Konflikte. When it comes to the poor, no lives matter.
Den Toten ein Gesicht geben, einen Anfang der Sichtbarkeit machen, wenn wir sie gerade als Gesellschaft umbringen. Wenn wir ihre Markierung als überflüssig, minderwertig zulassen. Sie nicht gegeneinander ausspielen: die von den zusammengespahnten Gesundheitsbudgets Umgebrachten, die von der Polizeigesellschaft Umgebrachten, die von der Männlichkeitsgesellschaft Umgebrachten, die von der Rassismusgesellschaft Umgebrachten, die immer noch vom Nationalsozialismus Umgebrachten. Das machen alles Menschen durch Menschen mit Menschen.
In dieser kommunistischen Vorstellung gibt es etwas, was über den einzelnen Menschen hinausgeht, die Gattung, die Menschheit. Das, was ich tue, geht auf den ideellen Gesamthaufen der Menschheit. Das bedeutet, dass die Toten alle noch leben, dass sie alle noch sprechen, dass sie alle noch handeln, dass Geschichte das ist, wodurch sie das tun, und dass Religion wiederum das ist, wodurch wir damit Verbindung aufzunehmen versuchen. Dann ist das hier Religion.
Den Toten ein Gesicht geben, einen Anfang der Sichtbarkeit machen, wenn wir sie gerade als Gesellschaft umbringen.
Ceremonial Burial, trying to make it appear as if the death of these people wasn’t in vain, as if they gave their lives for something good. Trying to give their death some kind of reason, some kind of meaning, some kind of purpose, even if there isn’t, even if their death just means that the others managed to kill them. Nobody actually asked them to die, they were thrown into battle, and before they knew they were dead.
In one respect this is wrong. We don’t really mourn the dead, we glorify them, we use them for our purposes, we try to make them march. Historical legitimization as a parade of zombies. These people aren’t here anymore, they are dead. The way it’s presented here it isn’t scary though. One of the main religious aspects about communism is that it’s a way to deal with death. It makes dying, or having lived for something, meaningful. You won’t be lost, you’ll still be there. Not because of spiritual reasons but because the traces you leave behind, the things you produced, the battles you fought, the stances you took.
Den Toten ein Gesicht geben, einen Anfang der Sichtbarkeit machen, wenn wir sie gerade als Gesellschaft umbringen.
Wir haben gesagt, dass sich im Astrallicht die Bilder der Menschen und Dinge erhalten. Instead of a tunnel and angels, East Indians may describe the River Ganges and a particular guru. Da sind wir aber immer noch, und der Staat ist noch da, den Arbeiter erbauen. A child having a “Near Death Experience” may “see” his or her still-living friends and teachers, or Nintendo and comic book characters, rather than God. Das Land, es lebt, es lebe hoch, weil Arbeiter sich trauen. Some near-death experiences may be a re-activation of birth memories or an actual re-experiencing of parts of the process in symbolic form. In diesem selben Lichte kann man die Gestalten jener beschwören, die nicht mehr in unserer Welt leben. Thus racing through tunnels towards the light may be a memory or symbolic re-experience of being born: a memory of “the near-birth experience.” Die Kabbalisten, die von der Geisterwelt erzählten, haben einfach das wiedergegeben, was sie bei ihren Beschwörungen sahen.
Hab keine Angst: Das sind die Geister der Toten, Manolito. My memory is a museum of dead people. Ich kenne euch nicht, wann seid ihr gestorben? Der Tod der Pioniere und der Tod der Vergessenen. Einmal im Jahr kehren die Geister der Toten zu ihren Familien zurück. Steige, Ikarus, fliege uns voraus. Und dann feiern wir mit ihnen. Viele folgten ihm, darum ist sein Tod ein Sieg. Liebe Geister, probiert doch unser Pan de Muerto! Wenn ein Mensch lange Zeit lebt, sagt die Welt, es ist Zeit. Das Universum ist Wandel, jeder Wandel ist das Ergebnis eines Aktes der Liebe, doch eine solche Deutung ist trügerisch. Alt wie ein Baum möchte ich werden.
Den Toten ein Gesicht geben, einen Anfang der Sichtbarkeit machen, wenn wir sie gerade als Gesellschaft umbringen.
Es gibt eine Romantisierung eines ehrwürdigen Todes, durch den Alte und Kranke ihren Mitmenschen nicht mehr zur Last fallen, was die Alten und Kranken oft stark internalisiert haben. Wenn eine Zelle nicht mehr gebraucht wird, stirbt sie, und zwar auf eine Art, die man nur als äußerst würdig bezeichnen kann. Sie baut alle Streben und Stützen ab, die sie zusammenhalten, und löst ihre Bestandteile in aller Stille auf – ein Vorgang, den man als programmierten Zelltod oder Apoptose bezeichnet. Jeden Tag opfern sich viele Milliarden Zellen zum Nutzen des Gesamtorganismus, und Milliarden weitere beseitigen den Abfall. Menschen sind keine Zellen, sie bestehen aus ihnen. Parallele ist nicht Identität.
Zellen können auch eines gewaltsamen Todes sterben – beispielsweise, wenn sie mit Krankheitserregern infiziert sind -, aber meist gehen sie zugrunde, weil sie den Befehl dazu erhalten. Sie töten sich sogar selbst, wenn sie nicht zum Weiterleben aufgefordert werden – wenn sie nicht irgendeine aktive Anweisung von einer anderen Zelle erhalten. Zellen brauchen viel Bestätigung. The tourists are all trying to take a picture, like thieves, then they go again. They check carefully if the machine has properly recorded it, then they go. Once they have the proof for having been here they take off. Pictures with themselves on them and the dead. Hast du mich gut drauf? Ich neben den ganzen Toten?
Den Toten ein Gesicht geben, einen Anfang der Sichtbarkeit machen, wenn wir sie gerade als Gesellschaft umbringen.
Sich im Angesicht des Todes der anderen selbst jung und frisch und gesund und nützlich und verwertbar fühlen, don’t stop me now, I’m having such a good time. Now I reach the point where I’m the desecrator. I cannot have this kind of trip here. Doch noch ein Wörtchen an dich, Tod. Du hältst dich ja vielleicht für unangreifbar, weil so viele blöderweise glauben, du wärst erst der Anfang, der Eingang zu einem besseren Ort usw. Aber ich sag dir was: Ich für meinen Teil kann dich nicht leiden, deine Fresse gefällt mir nicht. Warum sind sie alle tot, wozu soll das gut sein?
Und dein Stündchen wird schlagen, Tod. Je mehr Leute dieses Leben und diese Welt wirklich wollen und beides endlich angemessen einrichten, desto weniger werden sie sich einreden lassen, Gutes müßte knapp sein, gute Zeiten kurz und das Glück, wie Freud es ausdrückte, episodisch. Warum denn aufhören, wenn’s am schönsten ist? Warum auch nur dann aufhören, wenn es noch schön werden könnte?
Schon bis jetzt haben die Menschen dir – trotz all jener, die das Leiden verherrlichen und aufs Jenseits vertrösten, trotz jener, die die Stecker rausziehen wollen und die Öfen befeuern, trotz jener, für die Menschen zum Opfern und Verheizen da sind – beträchtliche Lebenszeit abgerungen, von der sie hoffentlich mehr darauf verwenden, dich in den letzten Winkel zu treiben und dich zu bannen. Geh sterben, Tod!
Den Toten ein Gesicht geben, einen Anfang der Sichtbarkeit machen, wenn wir sie gerade als Gesellschaft umbringen.
Vergesst die Toten nicht, kämpft für alle Lebenden!
(gemischt im Studio O2, Museumsquartier Wien, 11.12.2020 – enthält Samples aus den Büchern “Eine kurze Geschichte von fast allem” von Bill Bryson, “Ketamine” von Karl Jansen und “Dogma und Ritual der hohen Magie” von Eliphas Levi, der Ausgabe 43 des “mosaik – die unglaublichen Abenteuer von Anna, Bella & Caramella”, aus dem Film “Shaun of the dead”, aus Nachrufen auf Bekannte und Tripdikaten aus dem Treptower Park, aus einer Kurzanleitung zum Crowley Tarot sowie aus den Songs “Fight The Power” von Public Enemy, “No Lives Matter” von Body Count, “Da sind wir aber immer noch” vom Oktoberclub, “Museum of dead people” von Clastah, “Wenn ein Mensch lebt”, “Ikarus” und “Alt wie ein Baum” von den Puhdys.)
Different parts of the brain excite and inhibit sexual activity in humans, normally maintaining a balance between the two tendencies. To our amazement, the activation was huge and definitely not restricted to the primary auditory area. The finding also had peculiar effect on scientific research. If the complete spinal cord injury is near the base of the spinal cord, which is just below the last rib, erection, ejaculation, and orgasm in response to physical stimulation of the penis may also be blocked, due to damage to the nerves that carry genital sensation to the spinal cord. From the remains they calculated that the tentacles were 30 feet long, the beaklike mandibles were 4 inches across, and the eye was 15 inches in diameter.
That could lead us back to the nasty conclusion that we are all different. Whereas, breakbeats have been the missing link connecting the diasporic community to its drum woven past. WE FOLLOW THE LITERARY CREED TO HELP THE OTHERS READ
Sexual desire, however, is often unaffected in people with spinal cord injury. There, it coexisted with Hindu and Buddhist cultures that were being diffused from India and China along the same routes. At times, the water from the siphon was as black as ink. Fairly soon after it was found to be modern-day Europeans who have the closer connection to Neanderthals – not, as it turned out, Aboriginal Australians – the image of the Neanderthal underwent a dramatic makeover.
That could lead us back to the nasty conclusion that we are all different. Whereas the quantised drum has allowed the whirling mathematicians to calculate the ever changing distance between rock and stardom. WE FOLLOW THE LITERARY CREED TO HELP THE OTHERS READ
Whereas, it is admitted that the Practice of Onanism in private houses, Is Engaged in on a Nightly Basis, Its Effect is Underestimated. On the contrary, an entire network of cortical regions lit up. Through them, Islam was transmitted to India, Ceylon, Malaysia, and Indonesia. An estimate of its total length was 47 feet. The latest discoveries appear to move the story back a little closer to the nineteenth-century account. I can see how it might be racialised.
That could lead us back to the nasty conclusion that we are all different. Whereas the velocity of the spinning vinyl, cross-faded, spun backwards, and re-released at the same given moment of recorded history, yet at a different moment in time’s continuum has allowed history to catch up with the present. WE FOLLOW THE LITERARY CREED TO HELP THE OTHERS READ
When the tide receded, it died. And then these articles are handed down from father to son. But in the twenty-first century, these same Neanderthals, the dictionary definition of simple-minded, loutish, uncivilised thugs, have become oddly rehabilitated.
That could lead us back to the nasty conclusion that we are all different. WE FOLLOW THE LITERARY CREED TO HELP THE OTHERS READ We change the course of history everyday people like you and me WE FOLLOW THE LITERARY CREED TO HELP THE OTHERS READ Renegades in this Atomic Age to uplift the consciousness of the entire fucking world.
aus diesen Quellen zum Feiertag frisch gemischt im Studio O2, Museumsquartier Wien, Teil meines Artist-in-Residence-Projekts
🥂 Zum heutigen WELTTOILETTENTAG möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass Urophilie, die in den letzten Jahren zwischen “Trump’s Pee Pee Tape” und Festival-Spycam-Übergriffen mehr als ohnehin schon in Verruf geraten ist, in einvernehmlicher Form vielen Menschen sehr viel Freude und Erbauung, Erregung und Entspannung verschafft – don’t shame kink, fight rape and harassment and the whole sexist mess! ✊
🚾 Und wo ich die Aufmerksamkeit nun habe, auch auf die Arbeitsbedingungen im Toilettenbetrieb, z.B. die Kämpfe ums “Trinkgeld”.
🚽 Und auf die etwa 2,5 Milliarden Menschen ohne richtige Toilette. Laut WHO hängen 80 Prozent der endemischen Krankheiten in Indien mit mangelnder Hygiene und verschmutztem Wasser zusammen, 800 Millionen Ind*r haben keinen Zugang zu Toiletten – Doku aus 2019 zur Welt-Toilettenlage.
🛒 Und noch einmal auf den schlichten Umstand, dass Menschen, die mehr zu Hause sind, mehr dort aufs Klo gehen und deshalb dort mehr Klopapier verbrauchen, das sie für gewöhnlich im Supermarkt kaufen.
Ich wünsche Erleichterung und erfolgreiche Kämpfe!
Zum 10. Geburtstag unseres Albums “Wir hatten doch noch was vor” gibt’s für (einander) Liebhabende von Vinyl mit schön viel Text die Songs “Identität” und “Besseres Leben” auf 7 Zoll, plus Interview und Bonusmaterial – beim Sozialistischen Plattenbau.
Seit heute ist die Ausstellung “Alltag/Revolution. Leipzig 1918-1923” im Leipziger Hauptbahnhof eröffnet. Der Text zur Ausrufung des Freistaats und zur Revolution in Sachsen ist von mir, bei den anderen Texten war ich Korrekturfeuerwehr, auch bei den englischen Übersetzungen.
Die Ausrufung des Freistaats Sachsen im Zuge der 1918 ausbrechenden Revolution verwirklicht, was sächsische Arbeitskräfte zuvor jahrzehntelang fordern. Diese prägen in demokratischer und sozialistischer Selbstorganisation maßgeblich den Weg der deutschen Arbeiter*innenbewegung zur sozialdemokratischen Massenpartei. Seit 1917 streiken sie gegen den Krieg und bilden dazu die ersten Räte.
Von den Großstädten bis in Dutzende Kleinstädte beteiligen sie sich nun an allen Kämpfen der Revolution. Sie verteidigen die Räterepubliken gegen Regierungstruppen Anfang 1919, nehmen am Generalstreik gegen den konterrevolutionären Kapp-Putsch teil und kämpfen für die Vergesellschaftung der Großindustrie. Als die gewählte Landesregierung aus SPD und KPD durch die einmarschierende Reichswehr abgesetzt wird, beteiligen sich Arbeiter*innen am kommunistischen Aufstandsversuch im Herbst 1923.
Der Dresdener Arbeiter- und Soldatenrat übernimmt im November 1918 die Macht vom sächsischen König („Dann macht doch euern Dreck alleene!“). In seiner ersten Regierungserklärung stellt der Rat den Freistaat in den Rahmen der „Epoche des Übergangs von der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaftsordnung“ und einer „einheitlichen deutschen Volksrepublik“. Er verkündet die Trennung von Kirche und Staat, den Achtstundentag und verspricht die „Beseitigung jedes auf Ausbeutung beruhenden Einkommens“.
Die Ausstellung ist noch bis 8. November zu sehen, Langfassungen aller Texte finden sich auf Deutsch und Englisch unter http://www.alltagrevolution-leipzig.de/
Teen Vogue: “Right now, class solidarity is not only a good and necessary means of navigating the world around us and looking out for our more vulnerable neighbors. It’s a strategy for survival. No one is coming to save us; our only hope is one another.”
Gott
Elton John über ‘Trans-Europe Express’ von Kraftwerk: “I remember smoking a joint and listening to it on really loud speakers and I thought I saw God during that album.”
Gewinnen und verlieren
Miley Cyrus, die mit 16 das erste Mal Sex hatte, tat ihrem Freund Liam Hemsworth gegenüber jahrelang so, als hätte sie zuvor schon Sex gehabt, um nicht als “Loser” dazustehen: “It was a lie that I held onto for 10 years.”
Kürzere Schichten, mehr Pausen!
Uniklinik Leipzig: “Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vermindert die körperliche Belastbarkeit von Gesunden”.
In die Geschichte fallen
Jessica Johnson, einer 18jährige Schülerin am Ashton Sixth Form College in Greater Manchester, die für eine Geschichte über klassenbasierte Zensurenvergabe durch Algorithmen mit einem Orwell-Jugendpreis ausgezeichnet worden war, wurden ihre eigenen Noten heruntergestuft: “I’ve fallen into my story. It’s crazy.”
1) Auf der Demo waren wohl mehr als die von der Polizei angegebenen 17000, wenn auch deutlich weniger als die aus der Demo verkündeten 1,3 Millionen.
2) Es nahmen vermutlich viele aus Berlin teil, aber auch aus praktisch allen anderen Teilen des Landes.
3) Es waren viele Nazis dabei, viele radikal-nationalistische Leute, aber auch ein großer Teil, der sich politisch nicht rechts verortet, ebenso Menschen, die sich als Linke verstehen. Hier wird es sich zur eigenen Entlastung und zur Rettung von Verbindungen vielfach zu leicht gemacht.
4) So verheerend ein solches Superspreading-Event mit Ansage infektionsmäßig höchstwahrscheinlich ist (auch mit all den zu erwartenden Nachahmungseffekten), ist es Quatsch, eine drohende oder schon einsetzende “zweite Welle” nun ausschließlich dieser Demo oder ähnlichen Auffassungen insgesamt zuzuschieben. Auch in dieser Hinsicht sehe ich gerade viel Entlastungsdiskurs.
5) Noch weiter daneben als die vielen als Wünsche an die Polizei gerichteten Bestrafungsphantasien liegen Äußerungen, die mit Verweis auf Darwin und “natürliche Selektion” herbeiphantasieren, dass sich das Problem so nun hoffentlich “von selbst” lösen werde – so funktioniert das einfach nicht! Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit andere anstecken und es so in exponiertere und ärmere Milieus tragen, die davon stärker betroffen sein werden, vom behandelnden Pflegepersonal noch gar nicht angefangen…
6) Gleichsetzungen mit der BLM-Großdemo im Juni müssen neben dem komplett anderen Anlass, dem Zeitpunkt (Einsetzen allgemeiner “Lockerungen” vs. Vorbereitung neuer “Verschärfungen”) und den damals unerwarteten Ausmaßen vor allem ignorieren, dass MNS bei BLM anders als gestern nicht die absolute Ausnahme sondern trotz vieler Ausnahmen eher die Regel war, die räumliche Enge nicht beabsichtigt und z.T. von der Polizei herbeigeführt wurde, Pandemieschutz insgesamt nicht abgelehnt und zu seiner Missachtung nicht vorher und währenddessen dauernd aufgerufen wurde.
7) Ideologie als Dummheit oder mit (Psycho-)Pathologisierung zu beschreiben, funktioniert selbst als ideologische Abwertung.
8) Die Polizeistrategie mit der Rede von “Überforderung” retten zu wollen. arbeitet einerseits der Auffassung der Demonstrierenden zu, eine nicht mehr kontrollierbare Millionenmasse gewesen zu sein, geht aber vor allem an der offensichtlichen Ungleichbehandlung von Gegenprotesten und vor allem den abendlichen linken Kiezdemos vorüber, für die fast das ganze Arsenal an Gewaltmitteln ausreichend bereitstand und zum Einsatz gebracht wurde.
“Insofern wird die auch sonst übliche Gegenüberstellung des guten eigenen und des bösen anderen Kapitals nun in dieser Weise verschärft: Attila Hildmann wirft Gates ja gerade vor, sein Vermögen nicht weiter vermehren zu wollen, sondern außerökonomische und niederträchtige Motive zu hegen. Die Pläne des Monopolkapitals stehen dem eigenen Geschäftserfolg und damit dem Erfolg der Nation im Weg. Wie relevant dieser konkrete Kitt noch wird, hängt sicher sehr davon ab, ob der ganz gewöhnliche Nationalismus die schon teilweise etablierte Gleichgültigkeit gegenüber dem anhaltenden Sterben und Leiden weiter ausbauen kann.”
Als sich Anfang des Jahres abzeichnete, dass sich die Ausbreitung der jüngsten Sprosse der Familie der Coronaviren zu einer globalen Pandemie entwickeln würde, versuchte ich, wie die meisten anderen auch, Vorkehrungen für den zunächst selbstverständlich bevorstehenden Lockdown zu treffen, Vorräte an Lebensmitteln und Hygieneartikeln anzulegen, Masken/MNS und Desinfektionsmittel aufzutreiben.
Zu diesem Zeitpunkt wäre es für mich (naiverweise) schwer vorstellbar gewesen, dass die Regierung verkündet: “ein paar Dutzend Tote und ein paar Hundert Infektionen pro Tag sind vertretbar, damit der Laden weiter brummt”, ebenso wenig, dass der Pandemieschutz zum Gegenstand von Regionalkonkurrenz wie während der Pest 1347ff. werden würde. Auch hatte ich noch keine Ahnung, mit welcher Aufgeblasenheit und Selbstgerechtigkeit schon bald ein Teil der Bevölkerung, darunter durchaus auch einige Linke, die Grenzen des Pandemieschutzes um ihre eigenen Gewohnheiten und Ansprüche herum ziehen würde, fast immer unter Berufung auf andere und deren ökonomische, gesundheitliche und andere Notlagen.
Ab Anfang März fiel dann allmählich auf, dass es bei den Vorbereitungen so gut wie keine staatliche Unterstützung gab. Weder wurden Masken/MNS ausgegeben – die mussten größtenteils auf eigene Faust beschafft oder gebastelt werden, sogar von Krankenhauspersonal. Noch waren Anzeichen für Massentests zu erkennen – nach wie vor werden fast nur klare Verdachtsfälle getestet. Die aktuellen Pläne für Ausweitung der Tests in Bayern werden aus Berlin für kontraproduktiv erklärt, weil das angeblich Menschen in falscher Sicherheit wiegen würde – worin auch immer die aktuelle Menge an Tests die Menschen so wiegt… Auch sah und sieht es trüb aus in Sachen Quarantäneunterbringung bzw. -erleichterung im großen Stil (für besonders Betroffene, besonders beengt Lebende, für Leute, die trotz hohen Risikos weiter arbeiten müssen, für von häuslicher Gewalt Bedrohte). Was es hingegen sofort gab, waren öffentliche Ermahnungen gegen “Hamsterkäufe”, ja noch wochenlang sogar gegen den Kauf von Masken/MNS (um sie niemandem wegzunehmen, der sie wegen des erzeugten Mangels womöglich dringender brauchte).
Die Prioritätensetzung schien eine andere zu sein, was die Äußerungen des Gesundheitsministers unterstrichen, der die Pandemie systematisch herunterspielte und verharmloste. Dass Spahn Ende Januar von einem im Vergleich zur Grippe „milden Infektionsgeschehen“ sprach, konnte als ahnungslose Abwiegelung aus noch halbwegs sicherer Entfernung abgebucht werden. Dass er sich Ende Februar gegen das Absagen von Großveranstaltungen aussprach, schon weniger. Als er am 14. März „Gerüchte“ zerstreute, die Bundesregierung plane Einschränkungen des öffentlichen Lebens, wurde langsam klar, wohin der Zug unterwegs war.
Das Regierungskalkül, das sich schließlich durchsetzen konnte, bestand offenbar darin, den potentiellen Vorteil in der Staatenkonkurrenz auszunutzen, den Laden laufen zu lassen, während andere schon runtergefahren wurden, während vor allem China gerade vorübergehend teilweise ausfiel – und die Gesellschaftsmehrheit war nicht in der Lage, dieses Scheißkalkül zu durchkreuzen, als Klasse waren wir nicht organisiert genug um alles nicht Lebensnotwendige zu bestreiken, um Lockdown, Begleitmaßnahmen und Kompensation durchzusetzen (und jetzt werden die Zahlungen halt doch fällig, Überprüfungen gehen los, Mietern* kann wieder gekündigt werden usw. usf.)
Nach allen Umfragen und Stimmungsbildern hätte es für einen richtigen Lockdown (mit entsprechenden Begleitmaßnahmen) im März und April ausreichend große Unterstützung gegeben. Der hätte die Pandemie tatsächlich auf das kontrollierbare Maß herunterbringen können, das sich heute allgemein eingebildet zu werden scheint. Ein derartiger überschaubarer Quarantäne-Zeitraum vor Sommerbeginn wäre ungleich leichter machbar gewesen, für diese Zeit hätten notfalls Mieten, Löhne und vieles andere komplett erstattet werden können, die oben erwähnte verbesserte Unterbringung wäre leichter zu organisieren gewesen – gesellschaftliche wie individuelle Kosten wären unterm Strich geringer gewesen. (Hier liegt für mich die Parallele zu 2015ff. nahe, als der bundesweit riesige Wohnungsleerstand nicht für die Unterbringung von Geflüchteten requiriert wurde, heute kommen ja noch enorme Mengen an leerstehenden Hotels usw. hinzu – auch damals verdankte sich massenhafter individueller Initiative und Hilfeleistung, dass die Situation nicht noch übler wurde.)
Stattdessen gab und gibt es nun On-and-off über einen viel größeren Zeitraum, welcher die skizzierten Maßnahmen immer weniger bezahlbar und die sozialen Auswirkungen immer heftiger macht. Es besteht ein Flickwerk aus unterschiedlichen lokalen und regionalen Regeln, unterschiedlich tauglichen Hilfsmitteln und unzuverlässiger öffentlicher Aufklärung, dazu kommt eine krasse soziale Schieflage gerade in den Kernbereichen Wohnen und Arbeit. Es gibt keine flächendeckenden Tests, dafür weitgehende Unsicherheit und Sorglosigkeit, je nach Auffassung und Betroffenheit, jede Menge Anlass für Missgunst und Verdächtigung, ganz im Sinne der allgemeinen Konkurrenz. Die Akzeptanz für Pandemieschutz ist mittlerweile stark erodiert, immer wieder haben sich hochrangige Politiker zum Sprachrohr größtmöglicher “Lockerung” gemacht.
Diese Entscheidung, den Tod und das Leid von soundsoviel Menschen in Kauf zu nehmen, dieses Beispiel an andere Länder weiterzugeben und all die Ansteckungsrisiken an die Zielorte von Tourismus und Geschäft zu exportieren, ist kollektiv so nie getroffen worden. Die Gesellschaft trifft keine Entscheidungen dieser Tragweite, das macht nur dieses aus ihr delegierte Machtsystem, das zuerst das Kapital vor sich selbst schützt und dazu kürzer- oder längerfristige Strategien verfolgt – und das aktuell z.B. das Kapital nicht zur Nutzung der vorhandenen Testkapazitäten zwingt, ebensowenig zur präventiven Einstellung nicht lebensnotwendiger Arbeit oder zur pandemietauglichen (oder in vielen Fällen überhaupt erstmal zur halbwegs erträglichen) Umorganisation der lebensnotwendigen Arbeit.
Schreibe ich zum Schluss auch mal was anderes als “Wir müssen uns als Klasse organisieren”? Vielleicht sobald ich den Eindruck habe, dass das ausreichend passiert. Ein großer Teil der Linken scheint jedoch nach wie vor eher damit beschäftigt, verschiedenes Regierungshandeln gegeneinander zu stellen und sich als Fanclubs der rivalisierenden Kapitalrettungsstrategien hochheiß in die Wolle zu kriegen – als würden wir nur besser regieren wollen, als ginge es nicht (mehr) darum, Herrschaft zu überwinden.
In diesem Sinne: Masken auf, Abstand halten, Hände waschen, alle umeinander kümmern!
Ich schrieb von den ideologischen Verrenkungen, die Linke machen müssen, um “Lockerungen” zu rechtfertigen. Wenn ich die nun in bezug auf die Black Lives Matter-Demos nicht machen will, muss ich versuchen, niemanden gegeneinander auszuspielen und soviel wie möglich Teile der Situation zu berücksichtigen (was immer nur vorläufig geht und sich gestern erstmal auf die einprasselnden Hauptvorwürfe der anderen Seite konzentrierte).
Fangen wir mit den offensichtlichen Widersprüchen an:
Das Infektionsrisiko unter freiem Himmel ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand geringer als an vielen der mittlerweile wieder geöffneten Orte, aber es ist immer noch vorhanden – das weiß ich aber auch nicht genauer als irgendwer sonst, weshalb ich (im Zweifel für den Zweifel) seit nunmehr drei Monaten “freiwillige Quarantäne” treibe, fast nur frühmorgens und mit MNS alle paar Tage für Waldspaziergang und zum Einkaufen rausgehe und so oft Hände und Wäsche wasche wie noch nie. (Weitere Offenlegung für die Perspektive: ich war nach Hanau auf der Straße, jetzt bislang noch nicht.)
Fast alle mir bekannten Aufrufe für gestern enthielten klare und ernstgemeinte Hinweise zum Pandemieschutz, und es war kaum vorhersehbar, dass soviele kommen würden – andererseits ist derzeit generell zu erwarten, dass es Menschen ins Freie zieht, und das war alles auch bei der Schlauchbootdemo so.
Von allen der gestrigen BLM-Demos wird generell ein überwiegend verantwortungsvolles Verhalten berichtet. Die Mehrzahl der Beteiligten trug MNS und achtete, wo möglich, auf Abstand. Leute gingen auch wieder, wenn sie feststellten, dass es zu voll war. Das heißt dennoch, dass einige keinen MNS trugen oder nicht durchgängig, dass viele trotz Überfüllung weiter hinzuströmten und dass Abstand mancherorts nicht ausreichend möglich war oder nicht beachtet wurde. (Nebengedanke: Wenn der Alexanderplatz mit 15000 Menschen schon voll war, dann müssen sie zumindest irgendwie Abstand gehalten haben, wenn auch dennoch nicht unbedingt genug – für die Fotos gilt nach wie vor die Sache mit dem Teleobjektiv…)
Aber gehen wir mal eine Ebene tiefer: Ich hielt es die ganze Zeit für die beste Ansage, dass alle die Schutzmaßnahmen einhalten, die sie einhalten können, nicht zuletzt weil viele sie nicht (immer) einhalten können. (So möchte ich auch obige Schilderung meines Umgangs mit der Pandemie verstanden wissen.) Spielraum besteht also vor allem da, wo Dinge nicht unbedingt nötig sind (wie z.B. in Restaurants gehen, wenn es andere weniger riskante Möglichkeiten gibt an eine Mahlzeit zu kommen) und/oder wo sie nur einem bestimmten ökonomischen Interesse dienen, dem sich prinzipiell auch verweigert werden könnte (ja, schwer, aber siehe Bornheim).
Begleitend ging es darum, Verständnis für eine krasse Ausnahmesituation (mit mittlerweile weltweit 400000 Toten, auch hierzulande mindestens 8000, und mit Millionen von weiteren Betroffenen) zu schaffen, dafür zu sorgen, dass sie ernstgenommen wird und dass an die Mitmenschen gedacht wird – und bisher waren m.E. alle Abwägungen zugunsten dieser Ausnahmesituation zu treffen, hätte sie (mit relativ einfach zu organisierenden Ausnahmeregelungen wie Asthma-Attest o.ä.) immer Priorität haben müssen. Ins Restaurant zu gehen ist nicht wichtiger als Pandemieschutz. So beschissen, furchtbar und nachteilig es ist alleine zu sein, wäre auch das bis auf Notfälle prinzipiell dem Pandemieschutz nachzuordnen. Usw.
Nun gibt es im nach wie vor ökonomisch wie militärisch mächtigsten Staat der Welt seit fast zwei Wochen praktisch überall aufstandsartige Massenproteste gegen mörderische Polizeigewalt und gegen den zusätzliche Armut und weitere Gewalt produzierenden Rassismus. Das konstituiert eine neue Ausnahmesituation, für die Bewusstsein zu schaffen ist – es muss auch hier dafür gesorgt werden, dass sie ernstgenommen wird und dass an die Mitmenschen gedacht wird. Hierzulande wollten Leute an diese Massenproteste anschließen – soweit ich das überblicken kann, größtenteils aus eigener Betroffenheit (dazu zählen z.B. auch Angehörige!). Mitlaufenden nicht betroffenen Sympathisierenden kann meinetwegen teilweise eine andere primäre Motivation unterstellt werden, den allermeisten aber sicher nicht. Wer meint, dass es in Deutschland keine 100000 Betroffenen von Rassismus und Polizeigewalt gibt, sollte wirklich mal seine Privilegien checken.
Das heißt, das ist alles immer noch eine Abwägung, aber statt eine Ausnahmesituation gegen die andere auszuspielen, würde ich auf die bestmögliche Verbindung hinwirken wollen. Es ist auch im Interesse von Risikopatienten, dass das Problem Rassismus angegangen wird, d.h. dass die Arbeits- und Lebensumstände der wegen Rassismus gerade Corona besonders Ausgesetzten verbessert werden, wie auch ihre Möglichkeit sich zu artikulieren, zu organisieren, zu wehren – und damit vielleicht auch andere besonders Betroffene, die bisher zu wenig oder gar nicht berücksichtigt wurden, mit ins Bild zu bekommen (einige Stichworte: “häusliche Gewalt”, Sexarbeitskräfte, Roma, Obdachlose), in die Forderungen einzuschließen und zu Organisation zu ermutigen.
Mit Blick darauf, wie die Demonstrationen begleitet und aufgelöst wurden (Absperrungen, Kessel, Wasserwerfer), ist auch schwer zu behaupten, es läge nicht im eigenen Interesse sich gegen Vorgehen, Sonderstellung und weitgehende Straffreiheit der Staatsgewalt starkzumachen – was halt von zu Hause viel weniger wirksam geht. Die Parole “Erst nach Corona!” scheint mir an dieser Stelle jetzt reaktionär und auch kurzsichtig – die rassistisch verursachte Überbetroffenheit möglicherweise bis nächstes Jahr oder wer weiß wie lange unbeantwortet zu lassen, betrifft letztendlich alle.
Diese Demos fanden nun vor dem Hintergrund immer weitergehender “Lockerungen” und “Öffnungen” statt, die – das muss vielleicht auch noch mal klar gesagt werden – nicht wegen der Demonstrierenden vorgenommen werden und die für sie bedeuten, dass sie höchstwahrscheinlich noch mehr als eh schon verheizt werden, sich ihre spezifische Situation der in anderen westlichen Staaten und auch der in den USA weiter annähert. Es ist in diesem Moment eine krasse Unterstellung voller Paternalismus, sie würden gegen ihre eigenen Interessen auf die Straße gehen. Und es ist eine reichlich schiefe Perspektive, nach wochenlangen bundesweiten Demos gegen Pandemieschutz und nach all der kapitalgetriebenen Ermöglichung von immer mehr potentiellen Infektionsherden nun ausgerechnet ihnen anlasten zu wollen, dass “es bald wieder losgeht”.
Umgedreht müssen sich aber viele vorwerfen lassen, dass von Rassismus Betroffene in der Rede von Risikogruppen kaum vorkamen (siehe Flüchtlingsunterkünfte) und nun eher als Sündenböcke herhalten müssen (Göttingen), dass generell nicht genug wahrgenommen wurde, wer sich überhaupt wie weit sein Verhalten aussuchen kann, wer da welcher Art von zusätzlichem Druck ausgesetzt ist und wie existentiell der ist – durch die Demos haben sich viele überhaupt erstmal eine hörbare Stimme erkämpft. Ihnen vorzuwerfen, ihnen sei alles andere egal, nachdem sie vorher fast allen egal waren, ist ganz schön zynisch.
Wenn ich immer davon schreibe, dass im Interesse des Kapitals vorgegangen wird, scheint vielen nicht klar zu sein, dass es verschiedene Kapitalfraktionen gibt – es würde gerade zu weit führen, die im einzelnen aufzudröseln, aber sie unterscheiden sich z.B. dahingehend, wie langfristig sie planen, worin die Mehrwertproduktion jeweils besteht und welche Arbeitskräfte dazu wie genau ausgebeutet werden, wie sie mit anderem Kapital und dem Staat verbunden sind bzw. wie genau sie zueinander in Konkurrenz stehen – was u.a. auch heißen kann, dass sie Dinge tun oder politisch unterstützen, von denen sie sich ausrechnen, dass sie den jeweils anderen mehr schaden als ihnen selbst.
Viel zu viele Arbeitskräfte machen sich (aufgrund des mangelnden Selbstorganisationsgrads der Klasse) politisch zum Fußvolk dieser Kapitalfraktionen, wie vorher z.B. beim Klimaschutz auch (ganz grob: grün gegen blau) – deswegen noch mal: Ich werbe insgesamt dafür, das Richtige zu tun, sich nicht auf diese oder jene herrschaftliche Seite zu stellen, auch wenn deren Interesse momentan mit dem eigenen zusammenzufallen scheint.
Bezüglich der gestrigen (und heutigen) Proteste spreche ich mich dafür aus, ihr riesiges Ausmaß anzuerkennen, ihr Anliegen nicht zu delegitimieren, die Demonstrierenden als politisch Handelnde ernstzunehmen, auf eine bessere Verbindung von Pandemieschutz und Protest hinzuwirken und der (nicht nur) linken Unsitte zu widerstehen, sich wegen einzelner Aspekte empört abzuwenden statt sich solidarisch für deren Thematisierung einzusetzen.
Ja, es gibt bei Black Lives Matter und der gesamten antirassistischen Bewegung ein teilweise problematisches Verhältnis zu Israel, in einigen Fällen gibt es offenen Antisemitismus – aber dem sollte doch begegnet werden statt ihm diese Proteste als Spielfeld zu überlassen. Ideologie hat eine Geschichte von gescheiterten Klassenkämpfen, die sichtbar gemacht werden sollte und aus der gelernt werden kann, wie Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit und die vielen anderen Formen von Ideologie zurückgedrängt und perspektivisch überwunden werden können.
“Tikkun Olam heißt Black Lives Matter” rufen jüdische Aktivisten derzeit in den USA und auch in Deutschland und erklären so das Anliegen der Proteste zu einer der Scherben, in die eine Menschheit zersplittert ist, die wieder zusammengeführt werden muss. “Pride is a riot” stand auf dem Transparent, das von Demonstrierenden über dem Stonewall Inn angebracht wurde, bevor sie sich als NYC Pride den übrigen Protesten in Massen anschlossen. “Krankenschwestern haben gegen Covid-19 gekämpft, jetzt kämpfen wir gegen die Cops” hatte Jillian Primiano auf ihr Schild geschrieben, bevor sie die Straße für genau diese Proteste freihalten half. Mit “We All We Got, We All We Need” (“Wir sind alles, was wir haben, wir sind alles, was wir brauchen”) wird in New York zu den heutigen Protesten aufgerufen.
dass eine Polizeiwache klargemacht werden musste, bis der Mörder sich zu verantworten hatte, und dass es tagelanger Massenproteste bedurfte, bis seine beteiligten Kollegen angeklagt wurden.
dass es weiterer tagelanger internationaler Massenproteste bedurfte, bis zumindest in einigen Städten Vorhaben zur Umstrukturierung und tendenziellen Abrüstung der Polizei angekündigt wurden.
dass es rassistische Polizeigewalt gibt und dass Militanz und Massenproteste die direkt wirksamsten Mittel dagegen sind.
dass auch hierzulande fast nur durch möglichst sichtbare Proteste die Themen Rassismus und Polizeigewalt überhaupt auf den Tisch kommen.
dass die Pandemiebekämpfung in Deutschland mit Rücksicht aufs Kapital so unvollständig, verschleppt und sozial ungleich stattfindet, dass es trotz vorhandener Kapazitäten keine Massentests gibt usw. – Die allerwenigsten der Demonstrierenden dürften vorher gegen Pandemieschutz auf der Straße gewesen sein.
That being said, hoffe ich, dass alle, die sich an den Demos beteiligt haben, jetzt in Hinblick auf Ansteckung besonders vorsichtig sind, ggf. notwendige Schritte unternehmen, sich (weiter) für Pandemieschutz einsetzen und dass sie Rassismus und Staatsgewalt weiterhin sichtbar und hoffentlich wirksam zum Thema machen.
Rassismus hilft sich in der Konkurrenz durchzusetzen. Mit der rassistischen Abwertung geht eine ökonomische einher, Waren und vor allem Arbeitskraft der rassistisch Abgewerteten sind “weniger wert” oder auch gar nichts (Sklaverei).
Gleichzeitig werden die “unmarkierten” Arbeitskräfte, die “Weißen”, relativ dazu aufgewertet, nehmen so die Rolle der früheren Haussklaven ein: weniger intensiv ausgebeutet, besser bezahlt, ausgestattet mit Zugang zu “weißen” gesellschaftlichen Sphären und mit automatisch unterstellter Kompetenz (das ist das, was Theodore W. Allen als das Privileg des Weißseins beschrieb, einst Kern seines “Critical Whiteness”-Ansatzes), dadurch loyaler gegenüber der Herrschaft und meist selbst aktiv rassistisch.
Die Exotisierung des Rassismus in Deutschland, seine Einstufung als Erscheinung vor allem der USA, der anderen Kolonialmächte und der nationalsozialistischen Vergangenheit, hat mit der Verdrängung der eigenen Kolonialgeschichte, mit der Unsichtbarmachung der Nichtweißen in Deutschland aber auch damit zu tun, dass sich Rassismus hierzulande nicht nur auf die Hautfarbe, sondern historisch sogar mehr noch aufs Blut/Wesen bezieht und so auch andere “Weiße” (vor allem Osteuropäer*) abzuwerten vermag, die Begrifflichkeiten des US-Antirassismus also nur teilweise übertragbar sind bzw. zusätzlicher Erläuterung bedürfen.
Die gleiche Abwertung der Arbeitskraft findet sich auch im Sexismus, der als nicht-männlich klassifizierte Arbeit als “weniger wert” ansieht, sie geringer oder gar nicht bezahlt sehen will (“Hausfrau”) und das ebenfalls mit Zwang, Einschüchterung und Ideologie durchsetzt. Durch das Zusammenwirken kommt es zu doppelter Abwertung gegenüber nichtweißen Frauen*, viele Menschen sind weiteren Abwertungen ausgesetzt. (“An outcast in everybody’s life” nennt sich Shea Diamond)
Um sich wirksam dagegen zu wehren, war fast immer zumindest ein partieller, aber sichtbar wirksamer Zusammenschluss der je konkret Abgewerteten nötig – viel mehr konnte erreicht werden, wenn sich die verschieden Abgewerteten miteinander und den “Unmarkierten” zusammentaten, wenn Anfang des 20.Jahrhunderts etwa die polnischen und deutschen Arbeitskräfte im Ruhrgebiet, die intensiv rassistisch und religiös gegeneinander aufgehetzt worden waren, gemeinsam streikten und während der Revolution ab 1918 auch gemeinsame Kämpfe führten.
Im großartigen Film “Matewan” über einen erbittert geführten Arbeitskampf in den USA 1920/21 macht der “rote” Joe Kenehan den weißen Gewerkschaftsmitgliedern klar, dass sie keine Gewerkschaft, sondern ein Club sind, wenn sie keine Nichtweißen aufnehmen: “You think this man is the enemy? Huh? This is a worker! Any union keeps this man out ain’t a union, it’s a goddam club! They got you fightin’ white against colored, native against foreign, hollow against hollow… We got to organize and build support. We got to work together. Together! Till they can’t get their coal out of the ground without us cause we’re a union! Cause we’re the workers damn it and we take care of each other!” (Hier die ganze Szene, beginnt mit rassistischen Statements)
In diesem Sinne sei auch noch eine der wichtigsten Schwarzen Stimmen des vergangenen Jahrhunderts zitiert, einer der Sprecher der Black Panther Party, Fred Hampton: “Wir werden den Kapitalismus nicht mit Schwarzem Kapitalismus bekämpfen, wir werden ihn mit Sozialismus bekämpfen.”
“They fuck whoever can’t fight back”, heißt es in der Antirassismus-Hymne “No Lives Matter” von Body Count, “but now we gotta change all that!”
Auch als großer Freund der Raumfahrt finde ich es gerade weniger beeindruckend, dass in den USA ein Privatunternehmen in Zusammenarbeit mit einer staatlichen Einrichtung letztlich etwas macht, das staatliche Einrichtungen seit Jahrzehnten machen.
Viel beeindruckender und vor allem lehrreicher: dass sich wie seit Jahrzehnten nicht mehr ein wachsender Teil der Bevölkerung desselben Landes in Dutzenden Städten auch von Gummigeschossen, Schlagstöcken, Tränengas und Propaganda nicht davon abhalten lässt, weiter gegen den rassistischen Terror der Staatsgewalt zu protestieren.
Und: mit wieviel Einfallsreichtum offenbar die meisten der Protestierenden versuchen, sich dabei gegenseitig zu schützen, sich nicht einschüchtern zu lassen, durchaus vielerorts auch Ansteckung zu vermeiden, die eigene Kommunikation trotz Störsendern aufrechtzuerhalten und die Kommunikation der anderen Seite zu sabotieren.
Kann das noch richtig schlimm werden? Ja. Wird das politisch ausgeschlachtet und ausgenutzt? Keine Frage. Gibt es bei den Protesten Trittbrettfahrer, die einen “Rassenkrieg” vom Zaun brechen wollen? Das ist unbedingt möglich, bisher aber nur vereinzelt wirklich greifbar. Versuchen andere, die Proteste weiter nach links zu radikalisieren? Das ist viel greifbarer, scheint auf einer erstaunlich großen Basis zu passieren, und um die Wahl der Mittel dabei wird intensiv gestritten.
Umso wichtiger, ein möglichst unverzerrtes Bild des Geschehens zusammenzutragen und zu verbreiten!
After Germany introduced its pandemic protection measures, which were internationally considered to be rather unstrict and much marvelled at, protests against them, demanding their “easings” or even a full end to them, first appeared online and then from late April more and more in the streets. Media coverage first hooked on the so-called “hygiene demonstrations” at Rosa-Luxemburg-Platz in the center of Berlin from whose alleged composition quickly the narrative of a nationwide “querfront” formed, a political front linking left and right. Even though most of the other heavily conspiracist protests came predominantly from the right (widely mirroring and often continuing the anti-refugee mobilizations from 2015ff.) and although most leftist rallies during these last weeks were concerned with the situation of the refugees in camps in and around the European Union, with the social inequality in the impact of pandemic and measures, as well as with the still ongoing climate catastrophe, still some on the Left agreed with the “querfront” assessment and thus helped, as often before, in fostering the infamous but widespread idea of a political “horseshoe” with the extreme left and right converging.
There isn’t much certainty in the numbers, but in general it seemed that approval of, if necessary, economically damaging measures much rather came from the Left, from socially below, from the workers, and also much rather from women, and where it came from conservatives it appeared in much more instrumental thought. Propaganda for softening the measures, for undermining or completely abolishing them and for prioritizing “the economy” came much rather from the right, from socially higher up, from men, from the economically liberal or libertarian political spectrum. Leftists had issues not so much with the measures themselves but rather with their enforcement by police and authorities which seemed necessary exactly because too many of the others simply didn’t comply.
Not only in Berlin the Grundgesetz (the German Constitution) was fielded against the measures which explains the attractiveness of the protests to small and wannabe bourgeois (self-defined) Leftists who only begin to show interest for basic rights when, for a change, they are themselves affected, and who then start talking about the police as if they see it in action for the first time. The class character was also visible in the regional distribution and general appearance of the protests – and that matches the historical record: in 1919 an “Anti-Mask League” gathered in San Francisco protesting the mandatory protection against the deadly spread of the Spanish Flu, the participants were described as“public spirited citizens, skeptical physicians, and fanatics”.
As on other occasions, the small and wannabe bourgeoisie yelled and “worried” omnipresent in the media, while the uncomplaining workers, accustomed to their relative invisibility, prepared themselves for distancing already before the official declarations, stocked up household and food supplies, sewed masses of masks at home weeks before the government recommendations, kept taking care of everything and, well, going to work. The further step of refusing the now so-called “non-essential” work, as had already been done elsewhere, would have been easier to take if left-wing discussions wouldn’t have been so focussed on the distinction from the “nutters” on the street and their pathologization, but more on concrete steps for self-organization of the workers, or simply on helping them. There were at least, a little late though, clear statements from the Left Party (Die Linke) about further limiting the spread of the virus and, if necessary, forcing companies to comply with that.
In this context, the search for the most blatant and erroneous conspiracy narratives is (as always) itself a part of the problem – it hardly helps in understanding how and where exactly the search for explanations for a confusing situation becomes the search for almighty, sinister cabals. Viruses are a classic conspiracist topic: the invisible world government uses an invisible weapon or pretends an invisible virus – this is where the deniers separate from those who see a direct attack; both, however, aim, even without a large conspiracy, at keeping business running or at starting it up again: “it’s just a cold” or “now more than ever!”
This means that the danger of a reactionary escalation does not primarily come from now widely publicized conspiracists (like Ken Jebsen, Jürgen Elsässer, Xavier Naidoo or Attila Hildmann) – as much as they are important for the direct spread and shaping of ideas and as much as their followers must be directly resisted – but from capitalism pushing for business, and its speakers in the form of all those heads of state and regional governments who put their economic and political-strategic interest into practice very directly, and who only have to resort to ideology in their justifications.
Modern forms of domination rely particularly much on the assertion of approval, they have to organize a favorable election result or, if necessary, another form of acclamation, and this is by no means primarily a deception, but actually a matter of establishing this type of consensus (cf. US Constitution: “consent of the governed”, elsewhere “will of the people”, “volonté générale” etc.) in order to achieve the enthusiastic participation of as many people as possible while having to fight as little refusal and resistance as possible. That means that at least the attempt must be made to somehow mediate between this articulated popular will and practical politics – and that works best if one adheres to the articulations that fit into the picture, that is, to those that already suggest one’s measures or to those that can serve as particularly drastic examples of the obliquity of differing opinions.
And this mediation navigates by emotion (as in recent discussions about the nationalist wave in Germany in 1990ff. which argued a lot with the feelings at that time). There are emotions that are articulated very clearly and audibly and that can easily be exploited for politics. But the juxtaposition is not emotion vs. reason at all – it’s rather about different kinds of emotion and reason. Emotions in the direction of “We want to go outside”, “We don’t want to be told what to do”, “We are afraid for our economy, existence, competitive position” etc. are very visible and are eagerly picked up by everyone who tries to foster their competitive position despite the pandemic and regardless of protection. But on the other side there is also emotion, there is also fear, especially fear for others – and compassion is also an emotion, even if that gets a bit lost in the whole situation now.
Governments could just say: People have to die for business to run. And a growing number of officials say that more and more clearly, but for all those who have too much scruple for it and who can’t bring themselves to openly support that, ideological justifications become necessary, in matching levels of blatancy: for some, the mere suggestion suffices that the so far apparently better prepared countries in Asia are also “behind it” and have deliberately caused the pandemic, which turns the whole thing into a competitive self-defense situation (according to a survey, half of the British who were asked in April believed that the corona virus was man-made; especially the US government never tires of putting all responsibility for the pandemic with all available means and in the sound of the conspiracy culture on China); for others, this must be further exaggerated, depending on how clearly the information that is accessible and believed to be credible contradicts this. After all, it shouldn’t really come out in the end that what the others are doing works better, and so far the body count has traditionally been a core argument of anti-communism. So it also becomes important to declare one’s own ruthlessness to be a struggle for freedom so that, for example, mandatory vaccination is labelled as “forced vaccination” as part of a “corona dictatorship”. Depending on how deep the contradictions are and how they are communicated ideologically for the individual, digging has to go even deeper and additional manipulations have to be assumed.
Under normal circumstances, ideology is primarily the narrative of the good (own or desired) form of domination and the bad form of domination of the respective others, “good capital” points at “bad capital” and yells: “Stop the thief!” (see: “Behind the scenes: always the others!”) Especially in long-lasting and global crisis situations, these ideological motifs grow together to form an increasingly open anti-Semitic narrative, and so the topical threads “Gates Foundation is planning epidemics for profit and population control”, “Pharmaceutical lobby wants forced vaccination with microchips”, “5G cell towers are used for surveillance, body and brain manipulation”, “Soros Foundation wants to break liberal-nationalist resistance everywhere” and “Elite extracts super drug adrenochrome from kidnapped toddlers” (“QAnon” or previously “Pizzagate”) are currently combining to the general narrative that the “corona dictatorship” now finally breaks societies that have not yet been worn down by mass immigration (right-wing version), incitement of the peoples by the western elites (traditional left version), incitement by Putin (neo-conservative version), and gets them ready to form the population-reduced, totally monitored, socially atomized New World Order.
And the most convenient reaction now is to make these particularly clear forms of ideology the main subject, to separate them from the rest of society by pathologizing them, or to allow connections only as ammunition against the other wrong political half of the bourgeois-democratic game. If some on the Left now focus on how (other) Leftists are particularly susceptible to those “delusions”, then they join in.
The crucial difference in regard to the central decisions on pandemic protection right now is that there is simply no contradiction for right-wing liberal or fascist people to say: the competitive position of our nation, i.e. our all-classes collective of the brave, is more important than the life of some weak, sick and poor. But this is in contradiction to practically every left-wing view. When on the left side the desire for “opening up” can be seen now, a whole other set of ideological contortions have to be undertaken to make it commensurable and to justify it in front of oneself. How much ideology has to distort reality, shows how much scruple and doubt has to be bridged, and not how “insane” people intrinsically are (even if some might suffer from actual mental illness).
The common thought shortcut to talk about “delusion” rather than about ideology, must be abandoned. Focussing on extreme positions has always been a substitute act. To understand ideology not primarily as an expression of the social reality, but some of its more dazzling representatives as a major cause of that, is police logic, and that is why this type of analysis can be done without much problems for a wide variety of state institutions and organizations. It is a possible moment of agreement with domination, a part of a justification discourse that still works in a similar way to 1990ff. (“They all wanted it that way”, “There you have it, they can’t be helped” etc.) The better I can show that the vast majority of people are simply screwed-up beyond salvation and always want the wrong things, the easier I can refrain from devoting myself to the laborious and less career-promoting organization of the workers.
Because the biggest problem at all is still the insufficient level of self-organization of the working class (in the widest sense of all those who have to live on someone in their family to try and sell their labor power), which means that it cannot take the necessary protective measures itself and cannot master crisis situations alone, but has to rely on the institutions of the state, which, although the workers pay it and keep it going, is not theirs.
Roughly speaking, there are state and social solutions: shutting down (still or again) running non-essential production can be brought about by state prohibition or by strike. The supply of protective masks etc. can be improved through government purchases/subsidies or through consumption cooperatives, DIY production etc. Regulating the crowded coexistence and maintaining the distancing can be taken care of by the police or by neighborhood and aid groups. In practice, of course, both happen in different proportions.
There was a long wait for the state, but the state’s calculation first revolves around competition with the other states; the needs and protection of its population are always subordinate to that. There is as much state as self-organization does not succeed. Or vice versa: the less the working class manages to organize its needs and protection itself, the more power it gives to the state.
Changes in society often start when something that the social order no longer manages to provide is taken over by the people themselves. So if we want the planet to remain habitable, we have to produce differently, and in order to do this, we have to be able to decide how and what is produced, and in order for that we all have to own the factories and the land. If we want all of us to remain as unharmed as possible, we all have to protect ourselves and each other – from the violence of the social circumstances that we have internalized and continue to carry with us, from the current catastrophes and from those that are yet to come …
This text was originally requested by a bigger left-wing magazine and then rejected because they preferred something about “why leftists are so vulnerable to conspiracy theories”.Here is the German version.
Nach dem Einsetzen der im internationalen Maßstab lockeren und von außerhalb viel bestaunten Pandemieschutz-Maßnahmen in Deutschland begann sich erst online, dann gegen Ende April mehr und mehr auch auf den Straßen Protest gegen sie zu zeigen. Besondere mediale Aufmerksamkeit erfuhren dabei zuerst die sogenannten “Hygienedemos” am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, aus deren mutmaßlicher Zusammensetzung zügig das Gesamtbild einer sich bundesweit formierenden Querfront entstand. Obwohl die meisten der übrigen Proteste recht deutlich von rechts kamen und linke Kundgebungen hauptsächlich auf die Lage der Geflüchteten, soziale Ungleichheit in der Betroffenheit von Pandemie und Maßnahmen sowie die nach wie vor drohende Klimakatastrophe hinwiesen, stimmten auch manche Linke dieser Einschätzung zu und halfen so, wie oft zuvor, beim Hufeisenbasteln mit.
Zu den Zahlenverhältnissen insgesamt lässt sich wenig Verbindliches sagen, dennoch schien Zustimmung zu notfalls ökonomisch einschränkenden Schutzmaßnahmen eher von links, von unten, von den Arbeitskräften, auch eher von Frauen zu kommen, und wo sie von konservativer Seite kam, wirkte sie zumeist schon deutlich instrumenteller gedacht. Propaganda zur Aufweichung der Maßnahmen, zu ihrer Unterlaufung, zu ihrer kompletten Abschaffung, zur Priorisierung der Wirtschaft(TM) kamen hingegen weitaus eher von rechts, von oben, von Männern, aus dem wirtschaftsliberalen Spektrum. Linke hatten begründeterweise Probleme damit, dass die Maßnahmen nun von Ordnungsamt und Polizei durchgesetzt werden, gerade weil (von den anderen) zu viele sie nicht einsehen wollten.
Nicht nur in Berlin wurde das Grundgesetz gegen die Maßnahmen ins Feld geführt, was den Reiz der Proteste für solche (im Selbstverständnis) Linke erklärt, die sich als Klein- und Möchtegern-Bürgertum auch sonst erst für Grundrechte zu interessieren beginnen, wenn es zur Abwechslung auch mal sie betrifft, und die dann über die Polizei reden, als würden sie sie zum ersten Mal in Aktion sehen. Der Klassencharakter war auch an örtlicher Verbreitung und Erscheinungsformen der Proteste erkennbar und deckt sich mit diesbezüglichen Erfahrungen aus der Geschichte: so versammelte sich 1919 in San Francisco gegen die Maskenpflicht angesichts der tödlich grassierenden Spanischen Grippe eine “Anti-Mask League”, deren Teilnehmer als “besorgte Bürger, skeptische Ärzte und Fanatiker”beschrieben wurden.
Wie schon bei anderen Gelegenheiten schrien und sorgten sich die Klein- und Wannabe-Bürgers omnipräsent in den Äther, während die duldsamen Arbeitskräfte, an ihre relative Unsichtbarkeit gewöhnt, größtenteils schon vor den offiziellen Aufforderungen sich auf Abstand einstellten, Vorräte anlegten, Wochen vor den diesbezüglichen Regierungsempfehlungen bereits massenhaft Masken nähten, sich um alles kümmerten und, nun ja, arbeiten gingen. Der Schritt, gemeinsam die nun ja immerhin auch so genannte “nicht-essentielle” Arbeit zu verweigern, wie das andernorts bereits geschah, wäre wohl leichter zu gehen gewesen, wenn linke Diskussionen sich nicht so sehr um die Abgrenzung von den “Spinnern” auf der Straße und ihre Pathologisierung gedreht hätten, sondern mehr um konkrete Schritte zur Selbstorganisation der Klasse oder schlicht zu ihrer Hilfe. Etwas spät, aber immerhin, gab es aus der Linkspartei klare Ansagen, die Virusausbreitung weiter eindämmen zu wollen und die Unternehmen dazu notfalls zu zwingen.
Insofern ist die Fahndung nach den krassesten und irrsten Verschwörungserzählungen (wie sonst auch) selbst ein Teil des Problems – sie hilft kaum beim Verständnis, wie und an welcher Stelle genau aus der Suche nach Erklärungen für eine unübersichtliche Lage die Suche nach übermächtigen, sinistren Schuldigen wird. Viren sind ein klassisches Verschwörungsthema: die unsichtbare Weltregierung nutzt eine unsichtbare Waffe bzw. täuscht ein unsichtbares Virus vor – an der Stelle trennen sich die Leugner von denen, die hier einen direkten Angriff sehen; beides jedoch zielt, auch ohne große Verschwörung, darauf, die Geschäfte weiterlaufen zu lassen bzw. wieder aufzunehmen: bloß ein Schnupfen bzw. jetzt erst recht.
Das heißt, die Gefahr einer reaktionären Eskalation geht nicht primär von Leuten wie Ken Jebsen, Jürgen Elsässer, Xavier Naidoo oder Attila Hildmann aus (so sehr sie auch für direkte Vermittlung wichtig sind und sich ihrer Anhängerschaft weiter direkt erwehrt werden muss), sondern vom auf Vollzug drängenden kapitalistischen Normalbetrieb und seinen Lautsprechern in Gestalt all der Staatsoberhäupter und Regionalregierungen, die sehr deutlich und ohne Hokuspokus ihr ökonomisches und politisch-strategisches Interesse in die Praxis umsetzen und erst in den Begründungen zur Ideologie greifen (müssen). Besonders die modernen Herrschaftsformen leben von der Behauptung der Zustimmung, müssen sich ein günstiges Wahlergebnis oder ggf. eine andere Form der Akklamation organisieren, und das ist keineswegs primär ein Täuschungsmanöver, sondern es geht tatsächlich darum, diese Art von Konsens herzustellen (vgl. US-Verfassung: “consent of the governed”, sonst “Wille des Volkes” usw.), um die möglichst begeisterte Mitwirkung von möglichst vielen Menschen zu erreichen, möglichst wenig Verweigerung und Widerstand bekämpfen zu müssen. Das heißt, es muss zumindest der Versuch unternommen werden, zwischen diesem artikulierten Volkswillen und der praktischen Politik irgendwie zu vermitteln – und das funktioniert am besten, wenn sich an die Artikulationen gehalten wird, die ins Bild passen, die einem also entweder schon das eigene Handeln nahelegen oder besonders drastische Beispiele für die Verirrungen abweichender Auffassungen sind.
Und diese Vermittlung navigiert nach Gefühl (wie in jüngsten Diskussionen über 1990, in denen auch viel mit den damaligen Gefühlen argumentiert wurde). Es gibt dabei Gefühle, die sich sehr sichtbar und hörbar artikulieren und die politisch gut auszunutzen sind. Die Frontstellung ist aber gar nicht Gefühl gegen Vernunft, sondern es geht um unterschiedliche Regungen von Gefühl und Vernunft. Die Gefühle in der Richtung von “Wir wollen wieder raus”, “Wir wollen uns nichts sagen lassen”, “Wir haben Angst um unsere Wirtschaft, Existenz, Konkurrenzposition” usw. sind sehr sichtbar und werden von allen begierig aufgegriffen, die versuchen ihre Konkurrenzposition trotz Pandemie und ungeachtet des Schutzes auszubauen. Aber das andere ist auch Gefühl, auch da gibt es Angst, vor allem auch Angst um andere – und Mitgefühl ist auch ein Gefühl, auch wenn das in der ganzen Situation ein bisschen untergeht.
Die Regierungen könnten sich einfach hinstellen und sagen: Menschen müssen sterben, damit der Laden läuft. Und soundsoviele sagen es auch immer deutlicher, doch für alle, die dafür zuviel Skrupel haben und denen das so nicht über die Lippen geht, sind die ideologischen Rechfertigungen und Begründungen nötig, abgestuft krass: für manche reicht die bloße Andeutung, dass die bisher offenbar besser aufgestellten Staaten in Asien auch “dahinter stecken”, die Ausbreitung absichtlich herbeigeführt haben, was das ganze nun zu seiner Konkurrenz-Notwehr-Situation macht (einer Umfrage zufolge glaubten im April die Hälfte der befragten Briten, das Corona-Virus sei menschengemacht; besonders die US-Regierung wird nicht müde, mit allen Mitteln und im Sound der conspiracy culture China die gesamte Verantwortung für die Pandemie zuzuschieben); bei anderen muss das weiter zugespitzt werden, auch je nachdem, wie deutlich die jeweils zugängliche und für glaubwürdig befundene Information dem widerspricht. Immerhin darf ja zum Schluss nicht wirklich rauskommen, dass das besser funktioniert, was die anderen da machen, und bislang war der body count immerhin ein Kernargument des Antikommunismus. Entsprechend wichtig ist nun auch, die eigene Rücksichtslosigkeit als Freiheitskampf zu deklarieren, so wird zum Beispiel aus der Impfplicht die “Zwangsimpfung”. Je nachdem, wie tief der Widerspruch sitzt und wie sich das auch für den Einzelnen ideologisch vermittelt, muss dann noch tiefer gebaggert werden und es müssen zusätzliche Manipulationen unterstellt werden.
Im Normalbetrieb ist Ideologie vor allem die Rede über die gute (eigene oder angestrebte) Herrschaft und die schlechte der anderen, das gute Kapital zeigt aufs böse Kapital und ruft “Haltet den Dieb!” (“Hinter den Kulissen: immer die anderen!”) Besonders in länger anhaltenden und globalen Krisensituationen wachsen diese ideologischen Motive zur meist immer deutlicher antisemitischen Großerzählung zusammen, und so verbinden sich auch derzeit die Stränge “Gates-Stiftung plant Seuchen für Profit und Bevölkerungskontrolle”, “Pharmalobby will Impfzwang mit Chips”, “5G-Mobilfunkmasten dienen Überwachung, Körper- und Hirnmanipulation”, “Soros-Stiftung will überall liberal-nationalistischen Widerstand brechen” und “Elite gewinnt Superdroge Adrenochrom aus entführten Kleinkindern” (“QAnon” bzw. zuvor schon “Pizzagate”) zum Generalnarrativ, dass mittels Corona-Diktatur die durch Masseneinwanderung (Version rechts), Aufhetzung der Völker gegeneinander durch die westlichen Eliten (Version traditionslinks), Aufhetzung der Völker durch Putin (Version neokonservativ) noch nicht zermürbten Gesellschaften nun endgültig sturmreif für die bevölkerungsreduzierte, totalüberwachte, atomisierte Neue Weltordnung geschossen werden.
Und die bequemste Reaktion besteht nun darin, diese besonders deutlich zutagetretenden Formen von Ideologie zum Thema zu machen, sie durch Pathologisierung vom Rest der Gesellschaft zu trennen oder Zusammenhänge nur als Munition gegen die jeweils andere falsche politische Hälfte des bürgerlich-demokratischen Spiels zuzulassen. Wenn nun auch Linke meinen, dass besonders Linke besonders anfällig für den “Wahn” wären, machen sie dabei mit.
Der entscheidende Unterschied in Hinsicht auf die gerade zentralen Entscheidungen zum Pandemieschutz besteht aber darin, dass es einfach nicht im Widerspruch zu rechtslibertären oder faschistischen Positionen steht zu sagen: die Konkurrenzposition unserer Nation, also unseres klassenübergreifenden Kollektivs der Tüchtigen, ist wichtiger als das Leben irgendwelcher Schwachen, Kranken und Armen. Das steht aber im Widerspruch zu praktisch jeder linken Auffassung. Wo sich nun auf linker Seite dennoch das Verlangen nach “Lockerung” und “Öffnung” zeigt, müssen entsprechend noch mal ganz andere ideologische Verrenkungen gemacht werden um das kommensurabel zu machen und es auch vor sich selber rechtfertigen zu können. Die Spreizung der Ideologie zeigt den Umfang der über Skrupel und Zweifel zu schlagenden Brücke, und nicht den irgendeiner ursächlichen Psychopathologie (auch wenn die im Einzelfall vorliegen mag).
Die so üblich gewordene gedankliche Abkürzung, statt von Ideologie ständig von “Wahn” zu reden, muss endlich aufgegeben werden. Die Kaprizierung auf die Extrempositionen war schon immer eine Ersatzhandlung. Ideologie nicht hauptsächlich als Ausdruck der Verhältnisse zu verstehen sondern einige ihrer schillernderen Vertreter als Ursache, ist Polizeilogik, und deswegen kann das auch weitgehend problemlos für die verschiedensten staatlichen Institutionen und Organisationen gemacht werden. Es ist ein möglicher Moment des Einverstandenseins mit der Herrschaft, ein Teil des eigenen Rechtfertigungsdiskurses, wie er ja auch für 1990 ganz ähnlich funktioniert. Je besser ich nachweisen kann, dass die allermeisten Leute einfach rettungslos verkorkst sind und immer das Falsche wollen, desto eher kann ich davon Abstand nehmen, mich der mühseligen und weniger karrierefördernden Organisation der Arbeitskräfte zu widmen.
Denn das größte Problem überhaupt ist und bleibt der zu geringe Selbstorganisationsgrad der Klasse, die entsprechend auch gerade nötige Schutzmaßnahmen nicht selbst durchsetzen kann und Krisensituationen nicht allein gemeistert bekommt, sondern sich auf die Institutionen des Staates verlassen muss, der, obwohl die Klasse ihn bezahlt und am Laufen hält, nicht ihrer ist.
Es gibt grob gesagt die staatlichen und die gesellschaftlichen Lösungen: Stillegung von immer noch laufender, nicht lebensnotwendiger Produktion kann durch Verbot oder eben durch Streik herbeigeführt werden. Versorgung mit Schutzmasken usw. kann durch staatliche Ankäufe/Zuschüsse oder eben durch Kaufgemeinschaften, Genossenschaften, Eigenproduktion usw. verbessert werden. Um die Regelung des beengteren Miteinander und die Einhaltung von Abstand usw. können sich die Polizei oder eben Nachbarschafts- und Hilfsgemeinschaften kümmern. Praktisch passiert natürlich beides, in unterschiedlichem Verhältnis.
So lange wurde auf den Staat gewartet, dessen Rechnung sich aber zuerst um die Konkurrenz mit den anderen Staaten dreht, Bedürfnisse und Schutz seiner Bevölkerung sind dem immer nachgeordnet. Es gibt so viel Staat wie die Selbstorganisation nicht gelingt. Oder umgedreht: je weniger der Klasse die Organisation ihrer Bedürfnisse und ihres Schutzes selbst gelingt, desto mehr Macht verleiht sie dem Staat.
Gesellschaftliche Veränderungen gehen oft damit los, dass etwas, das die bisherige Ordnung nicht mehr leistet, von den Menschen selbst übernommen wird. Wenn wir also wollen, dass der Planet bewohnbar bleibt, müssen wir anders produzieren und dazu müssen wir darüber entscheiden können, wie und was produziert wird, dazu müssen uns allen die Betriebe und das Land gehören. Wenn wir wollen, dass wir möglichst alle so unversehrt wie möglich bleiben, müssen wir uns alle schützen – vor der Gewalt der Verhältnisse, die wir verinnerlicht haben und weitertragen, vor den aktuellen Katastrophen und denen, die noch kommen…
***
Text wurde von einer großen linken Zeitschrift bestellt und dann abgelehnt, weil sie lieber lesen wollten, “warum Linke so anfällig für Verschwörungstheorien” seien.Es gibt nun auch eine englische Übersetzung.
Nachtrag vom 14.5.2020:
Das Posting ist keine Rechtfertigung für irgendeinen Staat und dessen Handeln, es ist der Versuch der Erklärung. Der Selbstorganisationsgrad der Arbeitskräfte ist keine Konstante, sondern ein historisch hart umkämpftes Kräfte- und Machtverhältnis, das von Land zu Land sehr verschieden aussieht und sich entsprechend unterschiedlich auf die Gestalt der Staaten ausgewirkt hat. Damit einher geht auch die Reichweite der Ideologie, das heißt, wieviele Arbeitskräfte sich auf die Seite des Kapitals schlagen, wieviele von ihnen analog zur Gegenüberstellung vom “guten und bösen Kapital” die von der “guten und schlechten Arbeit” mitmachen und sie durch rassistische, sexistische und weitere Abwertung und Ausgrenzung mit vollziehen. Die heutigen libertär-nationalistischen Protestwellen schließen an die von 2015ff. an, und auch die fielen nicht vom Himmel. Es geht um beides: die (auch praktische) Kritik der Ideologie und die Organisation zur Überwindung ihrer Grundlagen, das heißt, es muss immer auch beides passieren: Antifa und Klassenkampf, je nachdem, aber immer aufeinander bezogen.
Zu diesem Klassenkampf: Ich werbe für die Selbstorganisation der Arbeitskräfte (alle, denen die gesellschaftlichen Produktionsmittel nicht gehören und die deshalb davon leben, dass sie selbst oder jemand in ihrer Familie/Lebensgemeinschaft versucht seine Arbeitskraft zu verkaufen) innerhalb und außerhalb der großen Gewerkschaften und Parteien – gute Orientierung wären in ihrem konkreten organisatorischen Handeln derzeit z.B. die argentinische FIT, an die Nachbarschaftsorganisation der Black Panthers anknüpfende Gruppen in den USA, hierzulande die FAU, aber eben auch aktive Großgewerkschaftssektionen wie die NGG Ost, und unbedingt gerade auf lokaler Ebene vielerorts auch die Linkspartei. Es geht um möglichst immer größere Zusammenschlüsse, die immer inklusiver und universeller werden, also immer mehr Arbeits- und Lebensbereiche von immer mehr Teilen der Klasse über immer mehr staatliche Grenzen und Diskriminierungen hinweg erfassen, und so für immer mehr Arbeitskräfte immer mehr durchsetzen können, gleichzeitig auch ein immer besseres Bewusstsein von der eigenen Lage und den eigenen Möglichkeiten schaffen – bis sie sie hoffentlich in die Lage versetzen können, den ganzen Laden, den sie eh schon schmeißen, auch gemeinsam zu übernehmen.
Die Alternative dazu, sich zum Schuhanzieher für die rabiatere Kapitalverwertung zu machen, ist also nicht, blind dem Staat zu folgen, sondern zu versuchen das Richtige zu tun und es notfalls durchzusetzen.