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Müssen die Pusteblumen weg?
Von Tina Schneider
Eine Künstlerin wehrt sich gegen die Verstümmelung ihres Brunnens.
Mein Brunnen muss entweder wieder komplett aufgestellt werden oder
ganz aus dem öffentlichen Raum verschwinden. So kann er nicht bleiben.”
Leonie Wirth ist enttäuscht, wütend, traurig. Dort, wo einst aus großen
und kleinen Pusteblumen das Wasser sprudelte, wo sich Liebespaare
trafen, ältere Menschen ausruhten, Kinder kleine Schiffchen schwimmen
ließen und auch manch böser Bube nachts eine Flasche Spülmittel ins
Wasser kippte, steht heute auf der Prager Straße ein Fragment. „Mein
1969 eingeweihter Brunnen ist verstümmelt“, sagt die 68-jährige Bildhauerin.
„Man ist hier einfach über mich hinweggegangen. So darf man mit Künstlern
nicht umgehen.”
Denn während die Prager Straße neu gestaltet wurde, ordneten die Architekten
die Brunnen ohne Mitwirkung der Künstlerin neu. Das Ensemble der Pusteblumen
wurde plötzlich geteilt. Die beiden großen Elemente liegen eingelagert
in der Zionskirche, die drei kleinen Pusteblumen wurden aufgestellt,
stehen – jetzt in einer vor Frost schützenden Verhüllung – auf der
Prager Straße ziemlich verloren. Das dürfte erst so richtig bewusst
werden, wenn im Frühjahr die Hüllen fallen und ein recht spärliches
Wasser in der Anlage sprudelt.
Architekt Siegbert Langner von Hatzfeldt erarbeitete vor zehn Jahren
das Konzept zur Neugestaltung der jetzt 40-jährigen Straße. „Zu DDR-Zeiten
war man damit glücklich”, sagt er. Man habe das fehlende Grün mit
Brunnen ausgeglichen. Sein Gedanke bei der Gestaltung: Alle Straßen,
die ins Zentrum hineinführen, sollen eine Ähnlichkeit haben, sollen
die Menschen in die Stadt führen. Die dreizeiligen Platanenreihen
seien typisch für Dresden. Die Achse sollte von einem Wasserband ergänzt
werden. „Doch der alte Pusteblumenbrunnen braucht viel Platz, er sprüht
ungemein”, so von Hatzfeld. Er habe den Brunnen, so weit wie möglich,
in seine Planungen einbezogen. „Er wurde weggenommen, es ist ein neues
Werk entstanden”, betont er. Dass er damit eindeutig gegen das Urheberrecht
verstößt, sei ihm nicht bekannt. „Rein juristisch kenne ich mich nicht
aus.” Eigentlich unerklärlich. Immerhin war Langner von Hatzfeldt
Lehrer für Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste und fünf
Jahre lang Vorsitzender der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum
in Dresden. Er hätte sich also durchaus mit den Rechten von Künstlern
beschäftigen müssen. Aber auch die Landeshauptstadt Dresden als Eigentümer
der Brunnen fühlt sich im Recht. „Für den Umbau bedurfte es einer
Genehmigung der Oberen Denkmalschutzbehörde des Regierungspräsidiums“,
teilt Karl Schuricht, Mitarbeiter im Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
auf SZ-Anfrage mit. Diese sei am 27. Januar 2004 erteilt worden.
Unglaubliche Arroganz
„Das ist alles nicht relevant“, erklärt Anka Schierholz, Justiziarin
der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst in Bonn. Der Dresdner Umgang
mit Kunstwerken sei beileibe kein Einzelfall. Es dürfe auf keinem
Fall ein Werk in irgendeiner Weise verstümmelt werden. Das verstoße
gegen das Urheberrecht.
„Was in Dresden passiert ist, ist eine unglaubliche Verwaltungsarroganz
und ein ganz massiver Eingriff”, sagt Anka Schierholz. Man habe versäumt,
mit der Künstlerin zu reden. Man hätte Leonie Wirth die künstlerische
Leitung übertragen und ihr Honorar zahlen müssen. Der jetzige Brunnen
sei künstlerisch und ästhetisch anzuzweifeln. „Hier liegt eindeutig
Ignoranz und schuldhaftes Verhalten des Besitzers vor. Frau Wirth
muss nachträglich ein Ausfallhonorar gezahlt werden”, so die Justiziarin.
Dabei hatte Leonie Wirth in einem früheren Gespräch mit der SZ durchaus
Bereitschaft signalisiert, ihren Brunnen zu verändern. „Die Wasserstöpsel
müssten viel feiner sein. Nur ganz wenig Wasser sollte aufquellen,
alles sollte blasiger aussehen”, sagte die Bildhauerin im August letzten
Jahres. Leonie Wirth möchte um ihr Brunnenensemble kämpfen, möchte,
dass auch weiterhin Menschen sich an ihrem Kunstwerk erfreuen können.
Sie ist gesprächsbereit. Sie möchte aber auch ihre Rechte gewahrt
wissen.
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Straße 1963-70
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Einer der drei
Brunnen der Prager Straße. Der mittlere, bestand aus fünf
Gebilden, die "Pusteblumen" ähnelten und vier runden,
niedrigen Silberschalen, die kleine Wasserfontainen sprudeln und das
Wasser in einer Art Vorhang am Rand herabfließen ließen.


Versagen der Oberen
Denkmalschutzbehörde?
Pusteblumenbrunnen durften verstümmelt werden.



Einladung zum Spielen:
ungezwungener Sommer 1981
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