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Der Alte. Erste Lieferung


Der Alte ist wie jeden Vormittag gegen elf Uhr aus dem Haus gegangen, um Steine zu sammeln und sie dann im Park nach den Tauben zu werfen: darüber sind sich alle Zeugen einig. Er hat seinen dunkelblauen Anzug getragen und darüber den guten schwarzen Kaschmirmantel.
-Den Kaschmirmantel nicht, sagt Frau Kreisler, die Lebensmittelhändlerin zwei Straßen weiter, -nur den Anzug.
-Auf jeden Fall auch den Kaschmirmantel, sagen alle anderen, -schließlich war es am Montag schon kühl; wir schreiben frühen Oktober. Er hat sowieso leicht gefroren.
-Woher wissen Sie das?
-Das hat sein Bruder erzählt, der manchmal zu Besuch kommt.
-Wenn er den Kaschmirmantel getragen hat, fragt der Inspektor die Zeugen, -wie konnten Sie dann mit Sicherheit den blauen Anzug identifizieren?
-Den Anzug kennt jeder hier, es reicht schon der Blick auf die weiten Hosenbeine. Der Anzug war mal modern in den Achtzigern, erstklassige Qualität, sagt Herr Kreuder vom Bekleidungshaus Kluge & Kreuder, den man als Experten hinzuzieht. -Im übrigen trug er den Mantel am Montag offen, man konnte den Anzug sehen. So kalt war es noch nicht.
-Und einen Schal? Trug er einen Schal?
Fünf der Zeugen einschließlich der Lebensmittelhändlerin, die ihn ohne Mantel in Erinnerung hat, sagen: ja er trug einen Schal. Nur Kroloff vom städtischen Fuhrpark, der ihn am Eingang des Parks getroffen hat, glaubt nicht, daß er einen Schal trug. Vielleicht hat er den Schal unterwegs verloren, geben die anderen zu bedenken. Einen Schal trug er mit Sicherheit, damit beginnt er schon Anfang September und legt ihn nicht ab vor Ende April. Was für ein Schal? Er besitzt mindestens zehn Stück. Kaschmir Wolle Baumwolle Kunstfasern blau braun grau schwarz.
-Am Montag ein blauer Baumwollschal, sagen fast elle, -so kalt war es nicht. Nur Koch sagt: -Was war ein grauer Wollschal.
FESTSTELLEN, WELCHER SCHAL ODER WELCHE SCHALS FEHLEN.
Was machte er gewöhnlich, bevor er morgens gegen elfdas Haus verließ, um auf die Tauben im Park mit Steinen zu werfen?

28.01.2008 17:18:29 

Der Alte. Zweite Lieferung


Aufstehen morgens zwischen sieben und halb acht. Kurzer Gang in den Garten, entweder freudig den Tag begrüßend oder mißmutig den Kopf auslüftend, wenn er gesoffen hatte.
-Also wenigstens einmal die Woche, sagt Frau Kracht, die Haushälterin, die eine eigene Wohnung in einem exzellent ausgebauten Pavillon im hinteren Teil des Gartens hat. Darauf hat sie bestanden, wäre sonst gegangen, wollte auf keinen Fall länger mit dem Alten unter einem Dach leben.
Danach ins Bad, mindestens eine Dreiviertelstunde, dann ins Ankleidezimmer. -Das Frühstück sollte um halb neun fertig sein, sagt Frau Kracht, und der Inspektor fragt: -Warum sagen Sie 'sollte', noch ist er nicht für immer von uns gegangen, sondern gerade mal seit fünf Tagen verschwunden, vielleicht kommt er wieder.
-Das würde mir nichts ausmachen, sagt Frau Kracht, -ehrlich nicht, ich habe mich an ihn gewöhnt am Ende. Der alte Stinkstiefel.
-Das Letzte habe ich überhört, sagt der Inspekktor, -sonst gehören Sie gleich zu den Verdächtigen.
-Verdächtig wofür denn, sagt die Haushälterin. -Sie sagen doch selbst, noch ist er nicht von uns gegangen und kommt vielleicht wieder. Das glaube ich auch; Unkraut vergeht nicht. Und können Sie vielleicht eine Leiche präsentieren? Pustekuchen. Nicht mal Kampfspuren im Park oder im Wald, und er ist immerhin schon fünf Tage verschwunden. Es ist auch sonst nichts passiert, kein Kind entführt, kein Penner erschlagen, nichts. Vielleicht ist er spontan zu seinem Bruder gefahren.
-Den haben wir längst angerufen, sagt der Inspektor, -der weiß von nichts und kommt heute nachmittag hierher.
-Ach du liebe Güte, ruft Frau Kracht, -keiner sagt mir was, ich muß doch das Zimmer herrichten.
-Er geht ins Hotel, klärt der Inspektor sie auf.
-Unverschämtheit, es ist ihm wohl hier nicht mehr gut genug.
(Fortsetzung folgt)

30.01.2008 13:13:36 

Der Alte. Dritte Lieferung


Also weiter, nach dem Ankleidezimmer.
Nach dem Ankleidezimmer ging, nein geht er zum Frühstück ins Eßzimmer. Ein weißlackierter Tisch und vier weiße Stühle, je einer an den Längs- und Schmalseiten. Ein Relikt aus viel jüngeren Jahren. Der Alte will das schon seit Jahren austauschen und spricht in regelmäßigen Abständen davon.
-Naturholz, sagt er alle zwei Monate, -Kiefer Fichte Buche, keine Eiche. Esche vielleicht. Nicht mehr dieses vergilbte weiße Zeug.
-Sie brauchen bloß loszugehen und es einzukaufen, sagt Frau Kracht, -schließlich leben wir hier nicht hinter dem Mond.
-Diese Woche nicht mehr, sagt der Alte, -aber in der nächsten bestimmt.
Dieser Dialog tritt demnächst ins fünfte Jahr.
Beim Frühstück steht alles auf dem Tisch, was da ist, aber er ißt höchstens zwei Scheiben Brot und einen Joghurt, manchmal einen Apfel. Wenn er merkt, daß seine Haushälterin nicht alles auf den Tisch gestellt hat, wird er wütend und ruft sie. -Sie essen doch nie viel, sagt Frau Kracht, -aber ich will die freie Auswahl haben, sagt der Alte. -Das bißchen auf den Tisch zu stellen, was wir im Kühlschrank haben, wird Sie schon nicht umbringen.
-Aber ich muß es auch wieder wegräumen.
-Das bringt Sie auch nicht um.
Dieser Dialog ist schon wesentlich älter als der über den Tisch und die Stühle.
Er sitzt beim Frühstück immer mit dem Rücken zu der großen zweiflügligen Glastür, die sich auf den Garten öffnet. Den Garten hat er schließlich schon früh am Morgen gesehen, bei seinem ersten Gang. Die Haushälterin fragt: -Soll ich heute etwas zu Mittag kochen?, und der Alte antwortet, -nein, ich gehe essen.
Das sechsmal in der Woche, am siebten Tag, der nicht festgelegt ist, sagt er -ja, kochen Sie etwas, um halb eins will ich essen.
-Und nach dem Frühstück? fragt der Inspektor.
-Nach dem Frühstück geht er stante pede nach oben, setzt sich an seinen Schreibtisch und fängt an zu kritzeln bis kurz vor elf. Dann geht's los zu den Tauben.
-Was kritzelt er?
-Ich sehe mir das Zeug nicht an, sagt die Haushälterin, -ich wühle nicht in seinen Sachen. Ich gehöre nicht zu der neugierigen Sorte.
ÜBERPRÜFEN, WAS ER GEKRITZELT HAT UND OB ES EINEN HINWEIS GIBT AUF SEIN BEVORSTEHENDES VERSCHWINDEN.
-Und wovon lebt er?
-Von seinem Vermögen und dazu noch seiner satten Pension; angeblich war er Gelehrter.
-Elegante Lösung, sagt der Inspektor, -das würde mir auch gefallen.

01.02.2008 15:29:46 

Der Alte. Vierte Lieferung


Statt dessen geht er nach oben, um zu schnüffeln. Unbegreiflich, wie jemand so viele Bücher haben kann, alle akkurat ausgerichtet in den Regalen.
Fast alle. Zwei Stapel lagern auf dem Fußboden, obwohl in den Regalen noch Platz ist.
-Zwei Stapel sind immer auf dem Boden, sagt die Haushälterin, die in der Tür steht. -Ich muß drumrum wischen. Er räumt ständig um.
-Ich denke, Sie schnüffeln nicht.
-Die Stapel sehen alle zwei drei Tage anders aus. Man muß nicht schnüffeln, um das zu sehen.
-Ich habe es nicht so gemeint.
-Schon gut. Sie haben es aber gesagt.
AUFPASSEN, DASS ER ES MIT DER HAUSHÄLTERIN NICHT VERDIRBT.
-Hat jemand vielleicht angerufen an dem Montag, bevor er ging?
-Nein. Der letzte Anruf kam am Freitag davor.
(Fortsetzung folgt)

05.02.2008 13:07:35 

Der Alte. Fünfte Lieferung


Rekonstruktion letzter Freitag.
Der Alte hat gerade sein dickes Heft zugemacht, in dem der Inspektor jetzt blättert, als Frau Kracht von unten nach oben brüllt, daß ein Herr am Telefon ist.
-Was für ein Herr?
Sie hat den Namen nicht verstanden. Er ist von einer Zeitung.
Der Alte flucht leise, weil sie jeden zweiten Namen am Telefon nicht versteht, und geht nach unten. Das Telefon hängt im sogenannten Salon, der kleiner ist als das Eßzimmer und in dem ein Fernsehapparat steht, während das Radio oben im Arbeitszimmer angeschlossen ist. Die Haushälterin versucht schon seit zwei Jahren, ihn von den Vorteilen eines schnurlosen Telefons zu überzeugen, wie sie eins in ihrem Pavillon hat. Der Dialog darüber verläuft ähnlich wie der über den Tisch und die Stühle im Eßzimmer, also diese Woche nicht mehr, aber nächste bestimmt. Am Telefon ist der Redakteur einer überregionalen Zeitung und fragt ihn, wie geht's.
-Wie soll's gehen, sagt der Alte, -Blutdruck wie immer leicht unter dem Schnitt, antriebsarm, aber sonst gut. -Möchten Sie uns denn nicht mal wieder einen Ihrer wunderbaren Essays schreiben? fragt der Redakteur. -Sie wissen schon, für die Wochenendbeilage, das letzte Mal war vor zwei Jahren. Geschichtsphilosophische Reflexion, jenseits vom Millenium, Ende oder Wiederkehr der Geschichte, etwas in der Richtung, das können Sie doch. Wir machen da eine ganze Serie, und ich finde, Sie müssen dabei sein, Ihr Blick ist immer ganz überraschend. Der Alte sagt, er überlegt es sich und wird sich melden. Er legt auf, geht durchs Eßzimmer in den Garten und äfft den Redakteur nach: Möchten Sie denn nicht mal wieder das können Sie doch so wunderbar das letzte Mal ist lange her Sie müssen dabei sein Ihr Blick ist so außergewöhnlich und tritt in die Hundescheiße. Der Hund von gegenüber ist wieder dagewesen, ein schöner pechschwarzer Mischling, er hat nichts gegen den Hund, irgendwo muß das Tier ja kacken. Geht manchmal sogar vor seinem Spaziergang nach drüben und fragt, -soll ich den Hund mitnehmen, ich mache jetzt meinen Gang.
-Geben Sie mal eine Rolle Küchenpapier raus, ruft er jetzt ins Haus, -der Hund war wieder da. Frau Kracht bringt das Gewünschte und sagt: -Passen Sie besser auf. Was reden Sie eigentlich hier vor sich hin? -Da wollte mal wieder einer einen Artikel von mir haben, sagt der Alte und betet noch einmal die Litanei des Redakteurs herunter. -Seien Sie doch froh, daß Sie noch jemand fragt, sagt die Haushälterin, -ich würde das bestimmt nicht tun.
Der Alte nimmt das Papier und reinigt den Garten und seine rechte Schuhsohle, zieht dann aber andere Schuhe an und zieht los. Diesmal ohne drüben nach dem Hund zu fragen.
(Fortsetzung folgt)

12.02.2008 18:24:55 

Der Alte. Sechste Lieferung


Der Weg in den Park führt weg vom Zentrum und vom Kurviertel, in dem der Alte in Scharen seine Generationsgenossen treffen kann und noch eine Generation drüber. Der Kurpark ist für ihn tabu, da geht er höchstens nachts einmal spazieren, wenn er nicht schlafen kann oder wenn er gesoffen hat. Sein Park ist kleiner und liegt zu Füßen des Anstiegs, der in die Wälder führt. Auf dem Weg kommt er an lauter Ruheständlerhäusern vorbei, in diesem Fall die Tranche Beamtentum höherer Dienst. Die ganz Reichen haben ihre Häuser am See, mit eigenem Zugang zum Wasser und eigenem Anleger.
Um den Park selbst führt ein Straßenrondell, die Häuser dort werden annonciert "mit Parkblick". Ruheständlerfestungen für den noch höheren Dienst. Ein ehemaliger Chef aus Pullach soll dabei sein. Auf den Dächern nisten die Tauben und und fallen von dort in den Park ein von Zeit zu Zeit. Der Alte hat nichts gegen Tauben, außer daß sie Dreck machen und ihr Gurren ihn zuweilen zum Wahnsinn treibt. Sie scheißen auch die Bänke voll, die an den Wegen stehen, besonders am Teich, der das Zentrum des Parks bildet und in dem eine Schwanenfamilie residiert. Wie es schon in der Kindheit des Alten war, in dem Ort, wo er geboren wurde. Ein Teich in der Mitte des Parks mit Schwänen darin, das Wasser schwarzgrün, am Eingang des Parks ein Denkmal für Leo Schlageter, den Helden und Märtyrer des Ruhrkampfs, Begleiter seiner Kindheit. Der gute Leo hatte mit dem Ort rein gar nichts zu tun und nichts mit dem Park, aber man war dort schon früh stramm national, und vielleicht hat irgendein mittelmäßiger Bildhauer aus der Gegend mit der Skulptur seine ersten Brötchen nach der Machtergreifung verdienen können. Der Alte weiß es nicht, er ist seit Jahrzehnten nicht mehr dort gewesen, das Denkmal ist jedenfalls nie planiert worden und zierte den Park auch in der schönen Zeit nach dem Krieg, als es wieder aufwärts ging.
Hier am Eingang des Parks dagegen ein ganz unbelastetes Standbild. Elegante kleine Statue auf zierlichem Sockel, ein Herr in der Kleidung des Biedermeier, angeblich Sohn der Stadt, obwohl nie nachgewiesen, der große Werkeverhinderer Gottlob Theodor Pilz, geboren 1789, gestorben 1856, hat nie etwas geschrieben gemalt komponiert, aber fleißig das Schreiben Malen Komponieren anderen ausgeredet, dafür der Dank und das Standbild.
(Fortsetzung folgt)

15.02.2008 18:29:06 

Der Alte. Siebte Lieferung


Die Steine hat er auf dem Weg gesammelt und lauert jetzt auf die Tauben. Eigentlich hat er noch nie ein Tier voll erwischt - nur einmal konnte er eins der Viecher ernsthaft verletzen -, erblaßt aber immer vor Neid, wenn er auf Reisen ein totes Exemplar am Straßenrand sieht. Vor zwei Monate mußte er zu lange warten im Park, schlich sich an die Häuser, wo sie sich auf den Dächern balgten und herzten, und landete einen Wurf in ein Dachfenster, sauber die Scheibe zersplittert. Schnell in den Park zurückgehuscht und weg, er ist noch drahtig auf den Beinen mit seinen achtundsechzig Lebensjahren, abgesehen von den Tagen, wenn er abends zuvor gesoffen hat. Heute gute Ausbeute, ein Paar kann er aus dem Baum verscheuchen und ein besonders fettes Stück von der Parkmauer, denn der Park hat eine Mauer und schmiedeeiserne Tore und wird geschlossen bei Einbruch der Dunkelheit. Die Junkies müssen auf den Seegarten ausweichen.
Er reinigt eine Parkbank mit einem Papiertaschentuch, läßt sich nieder und denkt an die schöne Zeit, als er frühabends hier saß mit seiner geliebten Ada an den Sommerabenden, zwei Sommer lang, bis seine geliebte Ada ihm einen Zettel hinterließ und zwei Wochen danach eine Postkarte schrieb aus der Schweiz. Was vorbei ist, ist vorbei, stand darauf, großartiger Gedanke, wenn auch nicht originell. Aber Originalität war nicht die Stärke seiner geliebten Ada.
Weiter ein paar Schritte in den herbstlichen Wald, die Wege schon voll Laub, aber die Baumkronen noch nicht kahl. Am schönsten der weiche Boden unter den federnden Füßen, etwas schwer geworden durch den Regen der letzten Tage. Fünfhundert Schritte zu einer großen Lichtung, die in den bewußten Jahren als Thing-Stätte genutzt wurde, gut gewählt für die wiederbelebten Bräuche aus Niflheim. Der Gauleiter hat hier sogar seine letzte Rede gehalten, bevor er sich in die Wälder verpißte und zwei Tage später wegen einer falschen Bewegung von den Amerikanern erschossen wurde, nein von den Briten. Falsch, das war zu Hause in dem Ort wo er geboren wurde. Es war der Kreisleiter und nicht der Gauleiter. Er bringt jetzt öfter die Orte durcheinander, die Zeiten und die Menschen, kein Grund zur Beunruhigung, das Leben verdichtet sich. Nach kurzer Andacht an der Lichtung Abmarsch zurück, die Mittagssonne dringt jetzt durch die Baumkronen, Umrundung des Parks und Rückkehr in die Stadt.
(Fortsetzung folgt)

29.02.2008 13:03:28 

Der Alte. Achte Lieferung


Zwölf Uhr. Die Kurgäste schleppen sich erschöpft von ihren Anwendungen zu den Mittagstischen. Siebzig Prozent der Kunden schlafen in der Fangopackung ein, erzählt Dr. Krull abends beim Stammtisch in der "Traube" und wiederholt seine Aussage mindestens einmal im Monat. Das Leben von Kurärzten scheint recht ereignisarm zu sein. Aus dem Foyer des Juweliers Karsch tritt überfallartig die blaue Witwe heraus, diesmal das Kostüm im gedeckten Marineton, darunter eine hellblaue Bluse. Ihr geliebter Mann hinterließ ihr eine Villa mit eigenem Zugang zum See.
-Stellen Sie sich vor, sagt sie, -der nette Muhammad, Sie wissen schon der Chemiker, soll etwas mit den Anschlägen zu tun gehabt haben. Er ist seit zwei Tagen spurlos verschwunden.
Der nette Muhammad war ihr Lieblingssorgekind, obwohl er es nicht nötig hatte, finanziell gesehen.
-Man schaut nicht in die Menschen hinein, sagt der Alte und denkt: großartig, daß ich so einen Satz zustande bringe.
-Aber daß man sich so täuschen kann!
-Darauf legen sie es ja an, sagt der Alte, -die sind gerissen. Und vielleicht ist es auch gar nicht wahr, vielleicht mußte er nur dringend verreisen und konnte niemandem Bescheid sagen.
Ein bißchen Trost kostet nichts.
-Kommen Sie doch nächsten Mittwoch zu mir, sagt die blaue Witwe, -eine schriftliche Einladung bekommen Sie noch. Wir machen ein Benefizkonzert für die Opfer des Anschlags, mit meinen drei jungen Männern, Sie wissen schon.
Der Alte hat keine Ahnung, wen sie gerade fördert, weil er seit drei Jahren nicht mehr zu ihren Konzerten geht, sagt aber, -ich komme, ich komme bestimmt, danke für die Einladung. Ich muß leider weiter.
(Fortsetzung folgt)

01.03.2008 13:58:05 

Fundstück 1


Brownies sind dienstbare Männlein von hellbrauner Farbe, von der auch ihr Name herrührt. Sie pflegen schottische Bauernhöfe zu besuchen und häusliche Arbeiten zu erledigen, während die Familie schläft."
Jorge Luis Borges: Handbuch der phantastischen Zoologie

27.10.2008 10:46:31 

Fundstück 2


"Zwei Gefahren bedrohen unaufhörlich die Welt: die Ordnung und die Unordnung."
Paul Valéry

29.10.2008 18:07:20 

Fundstück 3


"Ich verließ das Anwaltsbüro naturgemäß in der höchsten Befriedigungsklasse."
Thomas Bernhard, Meine Preise

29.11.2008 12:24:05 

Fundstück 4


"Es widerfährt uns wohl, daß wir ausplaudern, was uns auf irgend eine Weise gefährlich werden könnte; nicht aber verläßt unsere Verschwiegenheit uns bei Dem, was uns lächerlich machen könnte; weil hier der Ursache die Wirkung auf dem Fuße folgt."
Schopenhauer, Parerga und Paralipomena II, § 316

09.12.2008 19:06:07 

Fundstück 5


"Die Deutschen hingegen zeichnen sich durch Nachlässigkeit des Stils, wie des Anzuges, vor andern Nationen aus, und beiderlei Schlumperei entspringt aus derselben, im Nationalcharakter liegenden Quelle. Wie aber Vernachlässigung des Anzuges Geringschätzung der Gesellschaft, in die man tritt, verräth, so bezeugt flüchtiger, nachlässiger, schlechter Stil, eine beleidigende Geringschätzung des Lesers, welche dann dieser, mit Recht, durch Nichtlesen straft. Zumal aber sind die Recensenten belustigend, welche im nachlässigsten Lohnschreiberstile die Werke Anderer kritisiren. Das nimmt sich aus, wie wenn Einer im Schlafrock und Pantoffeln zu Gerichte säße."
Schopenhauer, Parerga und Paralipomena II, § 285

09.12.2008 19:12:25 

Fundstück 6


"Bei uns sind ja Kriege vorbei, aber jetzt, wo es keine mehr gibt, wollen die neulich erst fertigggestellten Länder auch welche haben, und nehmen daher die alten von uns, auch wenn sie nicht passen, und machen sie nach..."
Reinhard Lettau, Zur Frage der Himmelsrichtungen (1988!)

29.12.2008 18:13:31 

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