Zwei Werkausgaben zu Lebzeiten, dazu ein zeichnerisches Werk – Friedrich Dürrenmatt gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Theaterautoren der 1950er- und 1960er-Jahre. Nur seine späten Texte und Zeichnungen fristen bislang ein Schattendasein.
Schweigen ist wie schlafen: Jeder tut es, überall, irgendwie. Aber während der Schlaf seit Langem systematisch erforscht wird, ist es um das Schweigen sonderbar still. Viel weiß man nicht von dieser grundlegenden Kommunikationsform. Bis jetzt.
Vor 25 Jahren starb Heiner Müller. Seine traumatischen Erfahrungen im Nationalsozialismus brachten ihn dazu, sich für die DDR zu engagieren. Doch „die Erweiterung des Möglichen“ durch Vergessenes und Tote verstand man als Bedrohung.
In der Wort-Musik-Collage "Krankenakte Robert Schumann" erkunden der Schauspieler Matthias Brandt und der Musiker Jens Thomas die seelischen Abgründe des berühmten Komponisten.
Können Häuser ein Eigenleben entwickeln, womöglich dem Leben seiner Bewohner schaden? In dem neuen Roman "Das Gartenzimmer“ von Andreas Schäfer geht es um eine 1909 gebaute Villa, um den Architekten, die Bewohner und um ein dunkles Geheimnis.
Lyrik beglückt oder verstört, seit Menschen ihre Gedanken und Gefühle in Worte fassen. Drei Kritiker und eine Moderatorin diskutieren über neue Lyrikbände - und ob sie Google konsultieren mussten oder sich dem "wilden Ritt" einfach überlassen haben.
Odysseus, Macbeth, Emma Bovary, Harry Potter – manche fiktiven Figuren scheinen lebendiger als real existierende Menschen, obwohl sie nur aus 26 Buchstaben gezeugt worden sind. Sie leben sogar nach ihrem Tod weiter. Erdachte Figuren sind ein Wunder.
Wälzer, Ziegelstein, Schwarte, Mammut – dicke Bücher sind eine Klasse für sich. Gewichtig melden sie umfassende Ansprüche an: zeitliche, kulturelle, obsessive etc. Eine gewisse Unhandlichkeit ist Teil ihres Charmes: Sie sind Body- und Mindbuilding in einem.
Kaum einer hat den tiefverwurzelten Rassismus in den USA schonungsloser beschrieben als der Autor James Baldwin. Princeton-Professor Eddie S. Glaude Jr. hat nun eine beachtliche Studie über ihn geschrieben. So habe Baldwin sogar Trump vorausgeahnt.
Der Open Mike, die wichtigste Bühne für den literarischen Nachwuchs, fand erstmals im Netz statt. Die Wettbewerbslesungen wurden gestreamt, die Party fiel aus, die Aufregung nicht. Zwei Tage im November mit Maske und zeitverzögertem Jubel.
Wer nicht wie sie zu fliegen vermag, muss eben vom Flug erzählen. Wer nicht wie sie zu singen vermag, kann doch den Gesang besingen. Und wer keine Federn hat, darf zu fremden Kielen greifen, zu ihren nämlich. Prosa und Poesie haben eine besondere Beziehung zu Vögeln.
Am 1. November 1755 bebte in Lissabon die Erde. Die damals viertgrößte Stadt Europas wurde zum Ruinenfeld. Ein Tsunami zerstörte die Unterstadt und tötete zehntausende Menschen. Erschüttert wurden alle Sicherheiten, Überzeugungen - und der Glaube.
Gustave Flaubert hätte heute viele Follower. Seine Wutausbrüche über die menschliche Dummheit in Briefen sind legendär und in ihrer Unflätigkeit unerreicht. Der Roman "Madame Bovary" aber musste unpersönlich erzählt werden. Was für eine Qual.
Inspiration ist schön, macht aber viel Arbeit, hätte Karl Valentin das Studium an Schreibschulen zusammengefasst. An vielen Orten kann heute literarisches Schreiben erlernt werden, und die Kritik an der vermeintlichen „Institutsprosa“ ist fast verstummt.
Warum hat die Neue Rechte so viel Erfolg? Diese Frage beschäftigt auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Jenseits aktueller Aufregungen suchen sie in ihren Büchern nach neuen Perspektiven und komplexen Innenansichten.
Literatur über "Zigeuner" gibt es zuhauf, viel mehr als über Sinti und Roma. Literatur von der größten ethnischen Minderheit Europas aber gibt es kaum. Erst seit dem Holocaust nimmt die Zahl ihrer Texte zu. Sinti und Roma schreiben zurück.
Marseille ist eine Stadt der Passage. 1940 flohen Menschen vor Hitler hierher, um Europa zu verlassen. Davon erzählt Anna Seghers' "Transit". Heute leben andere Flüchtlinge in Marseille. Wieder sind Schriftstellerinnen und Schriftsteller unter ihnen.
Viele Menschen fürchten sich vor der Volkskrankheit Demenz. Die Literatur zeichnet jedoch ein überraschend vielschichtiges Bild des Leidens und legt den Gesunden nahe, ihr Verhalten zu überdenken.
Wie sind die Rassismen im Werk Immanuel Kants einzuordnen? Der Philosoph der Aufklärung gilt als Vordenker universeller Menschenrechte. Doch über Schriften, in denen er von der Überlegenheit weißer Europäer spricht, ist der Streit wieder aufgeflammt.
Die Bauern sterben aus. Glaubt man französischen Romanen, sind die Landwirte zwischen Elsass und Atlantik zum Untergang verurteilt. Sie reagieren mit archaischer Gewalt und schrecken auch vor Mord nicht zurück.
Übersetzen ist eine einsame Tätigkeit? Beim VERSschmuggel eigentlich nicht: Da treffen deutsche Lyrikerinnen auf Kollegen, assistiert von einem „Sprachmittler“. Dieses Jahr allerdings digital. Das Virus verhindert die Geselligkeit.
Ein oder zwei Gedichte repräsentieren ein ganzes Jahrzehnt: Es gibt sicher kleinmütigere Versuche, der Lyrik Aufmerksamkeit zu verschaffen. Karl Mickel, Adolf Endler und Stephan Hermlin versuchten es 1993 im DDR-Ambiente der Villa von Otto Grotewohl.
Lyrik beglückt oder verstört, seit Menschen ihre Gedanken und Gefühle in Worte fassen. Drei Kritiker diskutieren mit einer Moderatorin über neue Lyrikbände - und merken bei der Planung: In der Coronakrise verschieben Verlage gern Gedichtbände.
Vor 100 Jahren war sie berühmt, Millionen kannten ihre Verse auswendig – vor 70 Jahren, als sie einsam starb, war sie vollkommen vergessen. Hochhäuser seien die eine Attraktion der USA, meinte Thomas Hardy, die andere heiße Edna St. Vincent Millay.
Annette Droste-Hülshoff und Walt Whitman ließen sich gern ablichten. In ihrem Werk spielte das neue Medium aber keine Rolle. Erst später kamen sich die Künste näher. Heute nutzen manche Lyriker die Fotografie für eine Annäherung auf dem Weg zum Wort.