s DeutschlandRadio - Geräusche aus dem Zettelkasten - Arno Schmidt in einer Langen Nacht
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  27.11./28.11.98

  • Geräusche aus dem Zettelkasten - Arno Schmidt in einer Langen Nacht

     

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    Arno Schmidt
    Arno Schmidt hat häufig im Radio gelesen und somit die akustische Darstellung seiner Texte gebilligt. Der Hörer macht die Erfahrung, daß Schmidts Texte alles andere als spröde oder schwer verständlich sind, egal, wie abweisend das Druckbild mit den vielen Satzzeichen auch wirken mag. Er hört die Musikalität seiner Sprache, hört, wie lebendig und nah am gesprochenen Wort sie klingt. Es soll Schmidt-Leser geben, die - nachdem sie eine Schmidt-Lesung gehört haben - ihre Schmidt-Lektüre daheim laut fortsetzen.

    Mit dem Schauspieler Ulrich Wildgruber realisiert Komponist und Regisseur Klaus Buhlert ein ehrgeiziges und anspruchsvolles Unterfangen: Arno Schmidts Trilogie "Nobodaddy's Kinder" als Radiofassung. Ermöglicht eine akustische Umsetzung einen zusätzlichen Werkzugang? Eine der Fragen, die der Literaturwissenschaftler Jörg Drews mit Klaus Buhlert, Ulrich Wildgruber und Bernd Rauschenbach (Arno Schmidt Stiftung) anhand zahlreicher Klangbeispiele und Lesungen diskutiert.

    Moderation:
    Jörg Drews
     
     
    Studiogäste:
    Klaus Buhlert, Bernd Rauschenbach, Ulrich Wildgruber

    Stimmen für Arno Schmidt

    Die Bedeutung des Schriftstellers Arno Schmidt steht - bezogen auf die Literatur nach 1945 - nicht nur für Bewunderer seit mehreren Jahrzehnten außer Frage. Einer der Schmidts Werke früh schätzen lernte und zu würdigen wußte, war neben Alfred Andersch der weniger bekannte Schriftsteller Werner Riegel. 1955 schrieb Riegel in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift `Zwischen den Kriegen´ : "Wer ist Arno Schmidt? Ich will mein Ergebnis vorweg nehmen: Schmidt ist der bedeutendste deutsche Erzähler der Gegenwart. Ich wüßte ihn nicht anders zu bezeichnen, obwohl keiner seiner Erzählungen Erzählungen genannt werden kann; es ist eine Belletristik, so paradox modern, daß man ihr nur mit barocken Begriffen beikommen kann."

    TON  Hörbeispiel

    Arno Schmids Leserkreis ist längst über den jener kleinen elitären Gemeinde in der 50er und 60er Jahren hinausgewachsen: die Auflagen seiner Bücher sind heute so hoch, wie sie sonst nur von klassischen Volksschriftstellern oder aktuellen Bestseller-Autoren erreicht werden. Dieser Erfolg freilich kam posthum. Arno Schmidt war keine Hörspielautor. Für verschiedene Hörfunk-Nachtprogramme schrieb er statt dessen über `vergessene Kollegen´ wie James Fenimore Cooper, Gustav Frenssen, Heinrich Albert Oppermann, Johann Karl Wezel, Karl Philipp Moritz, Christoph Martin Wieland, Karl Ferdinand Gutzow und andere. Das alles ist Literaturgeschichte. Warum aber beschäftigen sich akustische Medien im Jahr 1998 mit Arno Schmidt?

    Eine Antwort lautet: es gilt, einen Erzähler für diese Medien zu entdecken oder auch wiederzuentdecken. Eine weitere Antwort: Arno Schmidts Erzählkunst präsentiert sich in den akustischen Medien, die sich für Sprachkunstwerke eignen, auf neue und ganz eigenständige Weise. Hier wird deutlich, daß Arno Schmidts erzählerische Qualität erheblich auf geschriebener, verdichteter Sprechsprache basiert.

    Herbert Kapfer in: Begleitheft zu:
    Audio Book : Arno Schmidt
    NOBODADDY´S KINDER
    Hörspielbearbeitung: Klaus Buhlert und Herbert Kapfer
    Regie: Klaus Buhlert
    Sprecher: Ulrich Wildgruber, Corinna Harfouch, Juliane Köhler und Jaqueline Macaulay
    erschienen in: DER Hörverlag

    Schmidt hören!

    Auch (oder vielleicht: gerade) der Nicht-Schmidt-Leser weiß von Arno-Schmidt-Texten zumindest soviel: sie wimmeln von Kommata, Doppelpunkten, Ausrufe- und Fragezeichen, Semikolons und Punktfolgen und Gedankenstrichen, und kaum ein Wort wird so geschrieben, wie es laut Duden `richtich´ sein soll. Texte also, die man weder vorlesen noch hören kann, ohne daß Entscheidendes verlorengeht. Richtig? - Gemach.

    Zum einen hat Arno Schmidt selbst oft (und hervorragend) im Radio gelesen, und somit die rein akustische Darbietung seiner Texte sanktioniert. Zum anderen gewinnt der Hörer auch etwas: die Erkenntnis, daß Schmidts Texte alles andere als spröde oder schwer verständlich sind, egal wie abschreckend ihm das Druckbild auf den ersten Blick erscheinen mag. Er hört plötzlich die Musikalität der Schmidtchen Sprache, hört, wie lebendig und nah am gesprochenen Wort sie ist. Und wenn er dann einmal die Lesung im gedruckten Buch verfolgt, wird der lesende Hörer bemerken, daß Schmidts exzessive Zeichensetzung in Wirklichkeit gar kein Lesehindernis als vielmehr Hilfsmittel zur Artikulation und damit auch zum Verständnis des Textes ist. Mit der Interpunktion bestimmt Schmidt Tempo, Pausen, Rhythmus, Betonung, Lautstärke und sogar Tonfall und Melodie seiner Sätze, ja bisweilen selbst die Mimik der Sprechenden. - Es soll Schmidt-Leser geben, die (nachdem sie einmal andere Schmidt haben vorlesen hören) - ihre Schmidt-Lektüre daheim im stillen Kämmerlein laut betreiben. Das wäre zumindest nicht der falscheste Weg, sich Schmidt zu nähern.

    Bernd Rauschenbach im Begleitheft zu Arno Schmidts Hörbuch NOBODADDY´S KINDER

    Arno Schmidt im Internet

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