"Als der Truppenübungsplatz in Wolfssteig aufgelassen wird, werden die vielfältigen Hoffnungen der Bewohner zum Leben erweckt. Die Verhandlungen und Streitereien beginnen - wird das Land privatisiert, kommt ein Asylheim oder wird aus dem riesigen Grundstück ein Nationalpark? In diesem tragikomischen Provinzdrama treffen moderne Themen des dörflichen Lebens auf wunderbar intensive und fachkundige Naturschilderungen.
Der Truppenübungsplatz Wolfssteig im Waldviertel wird aufgelassen. Jetzt beginnt das Ringen um die Zukunft des Grundstücks. Ein Biologe, Ulrich, streift durch das Gelände und zählt die seltenen Birkhühner, er trägt den Plan für einen wunderbaren Nationalpark im Kopf. Ein ehemaliger Wehrdiener, Christian, versucht den Neustart als Hausmeister in der Kaserne, die bald Flüchtlinge beherbergt. Und die Nachfahren der Enteigneten fordern ihre alte Heimat zurück, die 1939 zum Sperrgebiet wurde, als viele Dörfer geräumt und Menschen vertrieben wurden, um Hitlers Truppenübungsplatz Platz zu machen. Blind verfolgen die Widersacher ihre Ziele und rasch geraten die Fronten durcheinander. Zuletzt fliegen auf dem Truppenübungsplatz Wolfssteig die Funken."
Der Autor, geboren 1981 in Zwettl (NÖ), Biologe. Nach einem Forschungsaufenthalt in China wandte er sich dem Schreiben zu. Im Jahrgang 2017/18 besuchte er die Leondinger Akademie für Literatur. "Wolfssteig" ist sein Debütroman.
Außergewöhnliche Region
Auf Seite 236 womöglich die Quintessenz des Buches: "Die Wotanszivilisation ist im Niedergang begriffen. Eine Mauer baut man, wenn das Innere nicht mehr lebt. ... das sind künstliche Hilfsmittel, um eine Welt am Leben zu erhalten, die zum Sterben verurteilt ist, schon immer dazu verurteilt war, von dem Moment an, als Wotan den Ast von der Weltesche abgebrochen hat. Wotan stellt sich gegen den natürlichen Lauf der Dinge, er pervertiert die Natur, um seine Macht zu erhalten ..." Trübe Aussichten um den ehemaligen Truppenübungsplatz Allentsteig - der/die geneigte WaldviertelkennerIn weiß natürlich, um welche außergewöhnliche Region es geht.
Und wir erfahren einiges über die Vertriebenen, die Aus- und Umgesiedelten - geschehenes Unrecht; über Asylanten, die ebenda, wo andere vertrieben wurden, ein neues "Daheim" erfinden sollten; die Auflösung des Bundesheerstandortes und den damit einhergehenden Verlust der Infrastruktur. Was nun?
Soweit, so deprimierend
Das genau fragen sich die jungen Männer Christian und Oswald, die eigentlich "verbrannte Erde" als Erbe erhielten. Und die "Alten" sind keine große Hilfe - sie haben sich in ihre "Lebenswelten" zurückgezogen. Soweit, so deprimierend.Die beiden Männer auf der Suche nach Glück, Halt, Sinn, Liebe; ja David Bröderbauer hat vieles hineingepackt in sein Debüt.
Nichts wird ausgelassen; das Feuerwehrfest, die Diskussionen bzw. Streitereien im Ort, die Sonnwendfeier - ein Querschnitt des Daseins am Land, an einem besonderen Ort. Ein Gesellschaftsdrama über das Waldviertel ...
Birkhühner & Neophyten
Sehr interessant und spannend die Beschreibungen über die Birkhühnerpopulation, die Neophytenbekämpfung und "Der Ring des Nibelungen" von Richard Wagner - das Eintauchen in so manches Mal vernommene Themen, aber selbst nie genauer bedacht. Die Naturbeschreibungen an Thoreau anzuhängen wäre nicht notwendig gewesen, schon gar nicht eine halbe Seite zu zitieren. Thoreau ist Thoreau ist Thoreau.
Unlängst hatten wir wieder einen Lesekreis und diskutierten (Monatlich trifft sich eine erlesene Anzahl von Menschen, um sich über einen Roman, der vorher vereinbart wurde, auszutauschen ...) über den Debütroman von David Bröderbauer - es gab die unterschiedlichsten Rückmeldungen, aber besonders aufgefallen ist der Umstand, dass wir mindestens eine Stunde über die Nutzungsmöglichkeiten des ehemaligen Truppenübungsplatzes philosophierten.
PS: Die Wölfe haben mir gefehlt. Erst unlängst erzählte eine Kollegin von einer Wolfssichtung ebenda.
DAVID BRÖDERBAUER. WOLFSSTEIG. Milena Verlag. 2019. ISBN 978-3-903184-31-2