Was ist Social Beat?

Mit dreißig Jahren Verzögerung wirkten die Beatniks auf den deutschsprachigen Social Beat, eine literarische Underground-Bewegung der 1990er Jahre, die auch von Autoren wie Charles Bukowski, Jörg Fauser oder Thomas Kling beeinflusst war, der selbst an Poetry-Slams teilgenommen hat. Viele Social-Beat-Aktivisten waren in der Poetry-Slam-Szene aktiv.

Angeregt durch das Plakat der Dadaisten, das 1920 mit der Frage »Was ist Dada?« eine Initiation des wilden Kerns der frühen Moderne einleitete, wurde von Boris Kerenski ein Mailexperiment mit der Frage »Was ist Social Beat?« initiiert. Der Katalog zeigt, dass der Social Beat frei ist von jeglichen programmatischen Schlachtrufen oder einem Credo, dem man als künstlerisches Kollektiv gemeinhin Folge leistet. Man darf, soll und kann alles produzieren und darstellen. Somit sind den Ausdrucksmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Die Grenzen werden nur vom individuellen Profil des Künstlers diktiert, das wiederum eine homogene Szeneformation unmöglich macht. Eine Szene ist wohl auch gar nicht erwünscht, denn schließlich haben nur eigenwillige Erfahrungswelten absolute Gültigkeit.

Gezeigt wird die pure Lust am Nonsens, intellektuelle Überlegungen und skurrile Konstruktionen. Belanglose Bemerkungen gehören ebenso dazu wie Fragmente empirischer Studien über den Begriff des Social Beat, allerlei aufregende Wortfigurationen oder poetische Spaziergänge. Oftmals sind die Worte mit kleinen Grafiken oder Skizzen gepaart. Jedes Blatt fungiert als eine Einheit und soll als eine solche wahrgenommen werden. Dies ist ein wesentlicher Grundtenor der Social Beat-Botschaft. So erweist sich der singulär gesteuerte Beat der 1990er Jahre im Rahmen dieser Mailart-Aktion als ein soziologischer Querschnitt zeitgeistiger Tendenzen.

 

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Was ist Social Beat? Publikation zur Mailart-Aktion von Boris Kerenski. Hrsg. v. Michael Schönauer & Boris Kerenski. Killroy media, Asperg 1998

Weiterführend zur Theorie des Sozialen →

Eine Theorie des Sozialen lautet, es gebe in der Politik keine Lücken. Immer wo sich eine auftue, werde sie sofort von anderen Akteuren besetzt. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. (Wir erinnern an ihr Autorenheft Da lernst du die Menschen kennen). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag des dirty ol‘ man präsentierte KUNO den Ruhrgebietsbukowski. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat.