Poetry-Slams sind die Paralympics der Literatur
Hazel Brugger
Das Phänomen SLAM!poetry versucht seit einigen Jahren die herkömmlichen Vorstellungen über Literatur aufzumischen. Und zwar in einer Interaktion: Clubbige Atmosphäre mit Masters of Ceremonies, DJ-Begleitung und SLAM!Poeten im schnellen Wechsel, die ihre Rap-Poesie, Lyrix, Nonsenstexte und Stories zum besten geben. Musikalische Gimmicks als Zwischendurch und nach dem Worterguss wurden so wichtig wie Moderator, Bar und Turntables. Damit ging der eigentliche Event in der Popkultur bzw. Popliteratur auf.
Jede Form von Literatur ist Gegenwartsliteratur. Denn Gegenwart ist immer und überall. Inwieweit literarische Texte ihre politische, soziale oder kulturelle Zeitgenossenschaft artikulieren, darin unterscheiden sie sich freilich erheblich. KUNOs Einschätzung dieser „Jugendbewegung“ anhand des ersten Bandes finden Sie hier. Hat sich inzwischen etwas geändert? – Lesen Sie selbst!
Ein unbeachteter Aspekt ist, daß maßgebliche Impulse für die Popliteratur vom Rheinland ausgingen. Wo Pop zu verorten ist fragt Georg Seeßlen in Is this the End? Er sieht das Prekariat als „Klasse ohne Klassenbewusstsein, ohne Klassenstolz, ohne Klassenorganisation“, eine Ansammlung von Individuen, die sich über kulturelle Vorlieben definiert – „die Erfüllung der feuchten Träume von Neoliberalen und Rechtspopulisten gleichermassen“.
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Social Beat SLAM!poetry 3, Killroy Media, 2001

Weiterführend zur Theorie des Sozialen →
Eine Theorie des Sozialen lautet, es gebe in der Politik keine Lücken. Immer wo sich eine auftue, werde sie sofort von anderen Akteuren besetzt. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. (Wir erinnern an ihr Autorenheft Da lernst du die Menschen kennen). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag des dirty ol‘ man präsentierte KUNO den Ruhrgebietsbukowski. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat.