LCD – „Lyrik und Engagement“

Nicht zuletzt seit dem als Leserbrief getarnten Gedicht von GraSS* ist die Kombination aus Lyrik und politischer Motivation dem Worte nach wieder virulent, die ZEIT überließ Jung-Lyrikern ganze Seiten, um mit dichterischen Mitteln Aussagen zur Krise der Gegenwart zu treffen. Überzeugend war das selten, zu verklausuliert, zu weitab von tatsächlichen gesellschaftlichen Widersprüchen war das Gros der dort präsentierten Gedichte.

Stichwortartig lassen sich die Definitionsversuche von politischer Lyrik zusammenfassen:

1. Lyrik ist kein taugliches Mittel für Politik, Poesie verfälscht Politik.

2. Politik ist kein taugliches Mittel für Lyrik, Politik verfälscht Poesie.

3. Politische Lyrik bleibt hinter der Bedingung der Möglichkeit von innovativer Poesie zurück: nur die letztere besitzt dank ihrer absoluten Autonomie die richtige politische Funktion.

4.  Alle Poesie ist politisch, da gesellschaftlich vermittelt.

5. Politische Lyrik wird als historischer Begriff differenziert und durch andere Bezeichnungen ersetzt.

Tom Schulz

Aufgrund der unleugbaren Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit drängt der Eindruck sich auf, daß Lyrik heute wohl doch und zurecht unpolitisch zu sein habe, dass heutzutage womöglich zwischen der Skylla agitatorischer Platitüde und der Charybdis hermetischer Beliebigkeit kein Ausweg mehr zu finden sei. Dass es doch anders geht,  beweisen die Autoren, die der LCD im Mai eingeladen hat: Tom Schulz aus Berlin, der 2009 mit alles außer tiernahrung eine Anthologie herausgab, die sich explizit zeitgenössischer engagierter Lyrik widmet.

Oder Stefan Schmitzer (Graz) mit Büchern wie scheiß sozialer frieden (2011). Verstärkt werden die beiden durch die in Köln lebende Wienerin Sophie Reyer, die in jungen Jahren bereits eine Reihe von Einzeltiteln vorgelegt hat.

 

Heute, ab 20.30h: LCD – „Lyrik und Engagement“

Mit Sophie Reyer (Köln), Stefan Schmitzer (Graz) und Tom Schulz (Berlin)

Moderation: Enno Stahl

Eintritt: 5 EUR

Salon des Amateurs, Grabbeplatz 4, 40213 Düsseldorf

 

* In einem Interview zum Anlass seines 80. Geburtstags redet der Historiker Arnulf Baring über sein Leben, das Alter und Günter Grass, mit dem er in den Sechzigerjahren Wahlkampf für die SPD gemacht hat:

„Er war immer schon eine schwierige Figur. Bereits damals ist er uns allen auf die Nerven gefallen, weil er immer öffentliche Erklärungen abgab und annahm, wenn wir dann eine Woche später zusammenkämen, würden wir alles billigen. Er wollte verkünden. Für einen Literaten war er zu politisch interessiert. Und für einen politisch Interessierten doch ein ziemlich naiver und zum Teil abwegiger Kopf. Da hat er sich nicht groß geändert.“