Wolken bauen – bâtir des nuages – building clouds

Das Werk des in Köln lebenden, französischen Künstler Roland Bergère ist wie kaum ein zweites mit Poesie verwoben und philosophisch grundiert. Seit Jahren schon arbeitet er an seinem „schweigenden Archiv“, das eine buchstäblich paradoxe Methode verfolgt. Archive sind der Inbegriff des Gedächtnisses, des Bewahrens, aber auch der Zugänglichkeit von Erinnerung. In diesem Sinne sind Archive höchst beredt, liefern uns einen lebendigen Zugang zur Geschichte.

Wolken, scheinhafte Wesensformen, die das Archiv umschweben

Foto: Pietro Pellini

Bergères künstlerisches Archiv implementiert das faktische Gegenteil: Hier werden zahlreiche Ideen, Skizzen, Zeichnungen und Gedanken miteinander verklebt, dadurch unkenntlich, unleserlich gemacht, aber in dieser skulpturalen Form auch bewahrt, also durchaus „archiviert“ – nur dass niemand mehr dieser Informationen teilhaftig werden kann. Dieses Archiv verschweigt sie, enthält sie dem Betrachter bewusst vor. Auch seine aktuelle Ausstellung „Wolken bauen“ stellt sich in diese Denk- und Arbeitsrichtung, die hier gezeigten Arbeiten bezeichnet Bergère gewissermaßen als Wolken, also scheinhafte Wesensformen, die das Archiv umschweben: Man kann sie, wie er selber sagt, „anschauen, interpretieren, emotional nach- oder umformen, sie als sinnvoll loben oder als sinnlos brandmarken, man kann über sie lachen und sie beweinen, sich danach sehnen und sie daher auch kaufen!“ Man kann sie verfluchen, ablehnen, bewundern, das alles tue der Betrachter angesichts des ästhetischen Scheins. Dieser aber sei notwendig, so Bergère, denn die Entwicklung, die sich darin ausdrückt, die Methode, diese Arbeit durchzuführen ebenso wie die Durchführung selbst, sie erzeugen ein Gefühl von Zeit, das der Künstler zu erkunden und wahrzunehmen versucht, den Duft der Zeit (Meister Eckhart). Dabei fallen eine Menge von Nebenprodukten ab, Schrift, Zeichen, Figuren, die in das Archiv übergehen. Je mehr das Archiv wächst, desto näher rücke, so Bergère, die erträumte Zukunft, nämlich das Archiv selbst.

Chaque jour est une montagne à descendre

Konkret wird die Ausstellung unter anderem zeichnerische Exerzitien beinhalten, wie Chaque jour est une montagne à descendre (Jeder Tag ist ein Berg, den es herabzusteigen gilt) – insgesamt 694 seriell angefertigte Zeichnungen des Berges, ähnlich den japanischen Darstellungen des Fujihamas. Allerdings ist das Vorbild, dem Bergère sich mit gleicher Leidenschaft widmet wie die alten japanischen Aquarellisten nur ein Handtuch, anti-künstlerisch, nihilistisch und doch genauso ernst wie Zen-Malerei. Außerdem werden digitale Arbeiten zu sehen sein, Fotos und Künstlerbücher, von denen Bergère seit vielen Jahren eine enorme Menge gestaltet hat – hier u.a. sein Werk über „hasard et nécessité“ (Zufall und Notwendigkeit), das sich auf Stephane Mallarmés berühmtes Gedicht „Ein Würfelwurf“ bezieht. Außerdem werden verschiedenste Mischtechniken und Installationsbestandteile in der Ausstellung zu sehen sein.

Die Vernissage ist heute ab 16.30 Uhr.

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