Paranoide Zeiten oder Zeit für Paranoia

Zeit für Paranoia oder paranoide Zeiten – Realität steht Kopf –  holt ein – schaut auf uns hinab – uns Naive. Leben im Kopfstand oder – erklären wir die Welt zum Irrenhaus oder – nur die Amerikaner oder – auch uns. Leben in Paranoia oder – vergessen wir täglich – stündlich – minütlich – dass uns  überall Kameras  verfolgen – unsere Handys geortet – unsere Gespräche belauscht werden.

Doch Pssst – dürfen wir das noch äußern – der Feind hört mit – das wissen wir nun genau. – Die, die wir laut denken – stehen sicher bereits auf Abschusslisten – also Pssst – was Ab – Schuss heißt, wissen wir noch nicht – also Pssst. Wenn wir bereits auf Listen stehen – als Feind Nr. 56.967 – was wird mit uns geschehen. Feindin Nr. 10 oder 11 schweigt beharrlich – auch nach der Wahl – sie weiß wohl – warum. –

In dieser dünnen Luft scheinen die engsten Freunde, die größten Feinde – so wie der Irre auf die nächste Umgebung losgeht – wenn er losgeht – in dieser dünnen Luft – geht er los – los -los –  doch – auf wen oder was – das weiß der Irre nicht – und auch Feindin Nr. 10 oder 11 – weiß nicht – ob und wann die –  paranoide Weltmacht – vor allem nicht – auf wen losgeht – ist es nun Feind Nr. 56.967 oder doch Feindin Nr. 10 oder 11 oder – .

Also lässt Feindin Nr. 10 oder 11 – im Kalkül  – Feind Nr. 56.967 plärren – wird er doch – unbemerkt verschwinden – sollte er noch lauter schreien – vorausgesetzt er wird gehört – und klettert nach oben – in der Ab-Schuss-Liste – also Pssst – schreit nicht zu laut – nicht zu intelligent – denn Pssst – noch wissen wir nicht – wie gefährlich das ist. Feind Nr. 56.967 wehrt sich, denn – er steht nicht oben oder – ist er zu naiv – für die Liste – das System?  – Paranoia mit System – bislang – Kennzeichen von Diktaturen – also Pssst.

Paranoide Zeiten oder –  Zeit für Paranoia?

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Anmerkung der Redaktion: Anja Wurm betreibt den Blog 140 Zeichen, daher hat die Readaktion sie eingeladen einen Artikel zum Thema zu schreiben. In diesem Jahr ist Twitteratur ein Schwerpunkt auf KUNO. Dank des Kurznachrichtendienstes Twitter ist der Aphorismus in Form des Mikroblogging eine auflebende Form. Bestand die Modernität der lakonischen Notate bisher in ihrer Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist Twitteratur. Der in der Schwebe gelassene Sinn, die Produktion von Ambiguität – was für Roland Barthes Brecht im Theater geleistet hat, indem er die Sinnfrage zwischen Bühne und Zuschauerraum neu verteilte – findet sich in dieser Kunstform wieder.

KUNO stellte drei Protagonisten dieser Literaturgattung bereits seit zwei Jahren vor.

Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013

Unerhörte Möglichkeiten von Haimo Hieronymus, Kurznovellen, Edition Das Labor, Mülheim 2012

Leben in Möglichkeitsfloskeln von Peter Meilchen, auf Kulturnotizen 2013