Monat: Juli 2016

Ich bin ein Gedicht

Eine außergewöhnliche Ausstellung zur Visuellen und experimentellen Poesie zeigt das Museum für Westfälische Literatur in Oelde-Stromberg vom 31. Juli bis zum 3. Oktober 2016. Mit Reinhard Döhl, Timm Ulrichs und S.J. Schmidt werden drei der renommiertesten westfälischen Künstler-Autoren mit unterschiedlichen…

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    Die Fliegenschwärme des Zweifels auf die Tageszeiten verstreut:   Baum, Liebe, Linde, innere Spannung   (Wer ankommt ist tot)   *** Im Monat der Seidenraupe, eine lyrische Entpuppung von Sophie Reyer, Kulturnotizen 2016 Further reading → Ein Porträt…

A Brasileira

Schlange, sage ich, Lissabon ist die schönste Stadt der Welt. – Du bist gerade mal einen Tag hier, sagt Schlange, da kannst du doch noch gar nicht urteilen. – Doch, sage ich, es ist wie mit der  Liebe auf den…

Lost in Laberland

  Speck ist fett. Sehr fetter Speck ist Rückenspeck. Speck ist Bindegewebe, das aus Adipozyten aufgebaut ist. Adipozyten verbinden sich über netzartige Strukturen mit ihren Nachbarzellen, nachdem sie sich aus Steatoblasten entwickelt haben. Steatoblasten stammen aus intraembryonalen Mesenchymzellen. Mesenchym kann…

gehölz

  bleib ich von geburt an liegen in der wiege eines grabs findet mich kein lebender mensch taumle ich durchs dickicht unter der erde führen mich hunde im ewigen grün seh ich die vögel auf den zweigen sind nicht von…

Gedankenstrich

Eine Frau lacht über Dinge, die ich nicht verstehe, weil ich die Sprache nicht kenne. Ihr Lachen ist ansteckend und ich bin mir gewiss, gerade deswegen, weil ich dem Inhalt nicht folgen kann.   *** Gedankenstriche von Joanna Lisiak, Kulturnotizen…

Heizhaus

  Im fensterlosen Raum knacken Rohre klopft die Luft dreht den Staub in unsre aufgeschlagnen Lungen in den Kesseln haust der heiße Geist aus Dampf   draußen ist es kalt hier ist es lind wir legen uns zusammen auf den…

Roma / Amor

    Viele Wege führen nach Rom, aber niemand ist verpflichtet, sie alle zu gehen.     *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der Twitteratur. Prägend für…

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    Zwangsgedanken als transparente Mitläufer im Hirn   Alchemie und Beauty- Queen: Ein Algorithmus, Wahrnehmungs- Labyrinth wer optimiert sich   hier bitte schnell? Nein mein erster Buchstabe: Fluchtstabe mein Gehversuch:   Ernten     *** Im Monat der Seidenraupe,…

Standardfragen

Schlange, sage ich, du hast mich schon lange nicht mehr gefragt. – Was denn?, sagt Schlange. – Ob ich dich noch liebe, sage ich. – So eine Frage ist doch der reine Unsinn, sagt Schlange. – Ja, sage ich, das…

Menschenfressergeschichte

  Neulich, pünktlich um sechzehn Uhr vier, betrat ein junger Menschenfresser den Aufenthaltsraum. Zuvor hatte er im Abkalbestall drei tragende Kühe ermordet und ein paar Schlucke aus einem der Güllesilos getrunken. Er sprach hinter vorgehaltener Hand, er wußte wohl, daß…

Generation_Slam

Der erste Poetry Slam fand am 20. Juli 1986 in Chicago statt. Danach hat sich diese Vortragsform pandemisch verbreitet. Jutta Ludwig hat das Thema fürs Hinterland heruntergebrochen.   „Ein Poetry Slam ist ein literarischer Vortragswettbewerb, bei dem Dichterinnen und Dichter…

Feier des Wortes

  Bevor Sie dieses Gedicht betreten, ziehen Sie sich bitte die Schuhe aus. Sie werden vom Autor darum gebeten. Sparen Sie am Ende nicht mit Applaus.   Haben Sie sich schon die Hände gewaschen? Nein? Dann wird es aber höchste…

Stahlgetuerm & Wurzelgewirr

im luftleeren Raum rankt sich gedachtes dem Licht entgegen Schwebepartikel im Æther Zauberfæden luftgesponnen Æolsharfen, vom Wind gestreichelt fliehender Schatten der Trag flæche auf der Wolkendecke Konturen der Lichtrisse nachvollziehen… der Plankton des All tags versickert in mulchiges Kondesat die…

Polyvalent

Wie viele Autoren aus Österreich ist Thomas Havlik experimentierend auf unterschiedlichen Feldern unterwegs. Er ist Autor, Soundpoet, Performer und kommt in seinem Auftritt eher als ein Rockstar denn als einem Dichter daher. Die CD Syllablesshooter ist eine Mitschnitt-Sammlung von Auftritten…

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    Warum die Bäume fliegen: Wegen der Vögel in ihnen       *** Im Monat der Seidenraupe, eine lyrische Entpuppung von Sophie Reyer, Kulturnotizen 2016 Further reading → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten…

Himmel und Hölle

  Gibt es eine Hölle?, fragt Schlange, als ich bei ihr liege und an nichts Böses denke. – Vielleicht sogar zwei, sage ich, eine für dich und eine für mich. – Das glaube ich nicht, sagt Schlange, es ist eine…

Die pure Unvernunft

  Wenn das Dein Fluch ist Zu sehen und sehendes Augs In die Katastrophe gehen, Bin ich noch ich, Wenn meine Grundsätze Mit den Launen wechseln? Ich prostituier mich Um eines billigen Vorteils willen Und weiß, dass ich damit Wieder…

Memento mori unterm chinesischen Mond

Gedanken über chinesische Lyrik und ihre Übersetzung ins Deutsche Die Zeit der Tang-Dynastie (618-907) war eine Epoche der lyrischen Hochblüte. Der Schriftsteller Lu Xun, der als Epiker die moderne chinesische Literatur begründete, gab das Schreiben von Gedichten auf mit der…

Gedankenstrich

Viel zu selten sind jene Kritiker anzutreffen, die leidenschaftlich voller Herzblut, naiv oder gar primitiv für die Sache sind. Die meisten verfahren mit Handbremse, Radiergummi, schreiben präzis nach vorgegebener Zeichenanzahl.   *** Gedankenstriche von Joanna Lisiak, Kulturnotizen 2016 Further reading →…

Tausen und ein Buch

1. Bücher waren das einzige, was Nick sich wünschte, aber ich durfte ihm auf gar keinen Fall eins schenken, denn Bücher waren sein Verderben. Es hatte recht lange gedauert, bis ich das begriff. Du kommst ja nicht drauf, dass jemand…

techno/kult

  „glatze“ in der lederschuerze schlaegt den takt: auf dem psi-motorischen gong (schallwellen. schaltwellen. brandbreite: deemphatisch/kubo-raumsound.) die koerpersklaven schlackern dazu lethargischen gummi (2 bpmin.) – verschlafne szenerie. trotz einregnender daten (=unbenoetigte botschaften. abweichlertrends. selbstbezuegliches.) duempelt die elektrodengaleere durch digitale flaute.…

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    Der Himmel ist unvollständig gewesen bis du dich gerührt has Gestürzt sind wir in die leere Stelle du kamst als Strahlung, die weh tat als Licht, das ersticht   *** Im Monat der Seidenraupe, eine lyrische Entpuppung von…

Absolut relativ

Du siehst so glücklich aus, sagt Schlange. – Schlange, sage ich, ich sehe nur so aus, weil die Sonne mich blendet. – Du willst wohl nicht glücklich sein, sagt Schlange. – Schlange, sage ich, glücklich sein … das gibt’s gar…

Aller guten Dinge

sind drei, sagt man. In den letzten drei Jahren wollte sie vier Mal sterben. An diesem Morgen hätte sie es beinahe geschafft, wäre der Heuler nicht auf der Sandbank gewesen, die sie für ihr Versinken im Meer ausgesucht hatte. Ihr…

Erst geht ’s ins bad

  Erst geht ’s ins bad   das ohr geleckt die schlimmen teile zugedeckt der lotse wirft das lot aus und keins muß wagen   keins gewinnn streicht jochbein wimpern   nase kinn nix okkasion und notmaus   Er prüft den geist   den…

Gedankenstrich

Es als Herausforderung nehmen nicht auf den Punkt zu kommen, nicht das allerletzte Sagbare (sich Aufdrängende) auszusprechen, sondern offen im Zwischenraum hängen lassen, als eine Möglichkeit, die man elegant nutzt.   *** Gedankenstriche von Joanna Lisiak, Kulturnotizen 2016 Further reading →…

Bann

  Du kannst natürlich auch gebannt auf die Schlange schauen wie ein Kaninchen, besser ist es jedoch, sie zu ignorieren und ziehen zu lassen.   *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen…

Unter Kollegen

Immer wenn’s regnet, schreibe er ein Gedicht. Bei Sonnenschein, sagt er, schreibe er nicht. Ich möchte ja nicht gehässig sein. Ich wünsche ihm immer Sonnenschein.  *** Weiterführend → Axel Kutsch erweist sich als Meister der Twitteratur. Aus dem Band Versflug,…

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    Da wo wir sind müssen wir einander nicht berühren:    Im Frühling, im Frühling that´s all     *** Im Monat der Seidenraupe, eine lyrische Entpuppung von Sophie Reyer, Kulturnotizen 2016 Further reading → Ein Porträt von Sophie…

Liber sum

Ich weiß nicht, Schlange, was das war – auf einmal stehe ich in einem gigantischen Buchladen. Die Kerker von Piranesi sind dagegen richtig klein, nur hell ist es,  gleißend hell, das Licht flutet aus allen Richtungen übereinander, überall sind lange…