Die Saale bei Wettin

 

Hell und weit, mit Gesang und: trockenem Ge-

Räusch über den Knospen liegt, nach langem

Winter, die Ebene vor uns; simmernd, unter

Den Porphyrbögen aus Licht. Hier, wo der Fluß

An den Felsfüßen gräbt, bricht das Idyll in den

Blick, verdoppelt sich –: ein zweiter Spiegel

Des Wassers, sagt man … die ruhende Eruption

Unter dem Glast – hier, wo die Stille gefüllt ist

Mit Zilpzalp-Geschwätz, dem steigenden Lied

Einer frühen Lerche, die am äußersten Rand der

Firmamenthalle fliegt. Darunter, an den Rippen

Des Horizonts der Balzruf einer entrückten, nun,

Das Kratzen der Stifte und Stichel beherzenden,

Die Blesse spreizenden Ralle. Der Fluß indes

Gräbt am Bogen der Fläche, in der sich das Licht

Verbreitert mit sich selbst, hinter dem grafischen

Geknorr der Sträucher und Bäume hockend –

An dem die Schleiche des Döblitzer Wegs sich

Schlängelt, blitzend im Glühen des Sterns, auf

Das wir gewartet haben. Das uralte Dreiaug’

Der Kapelle sieht unserem schweigenden Tag-

Werk, auf der flirrenden Kante, beherzt zu,

Wo uns gellend ein Milan bewacht. In Stichlot

Des Blicks: diese unglaubliche, mammutene

Landschaft, hier, am Fließ, das sie Saale nennen,

Was ›Schicksal‹ heißt. Still sitzen wir, stumm.

 

 

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Bodenkunde, Gedichte von André Schinkel, Mitteldeutscher Verlag Halle 2017

Weiterführend →

Lesen Sie auch das KUNO-Porträt des Lyrikers André Schinkel.