Grodek

 

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder

Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen

Und blauen Seen, darüber die Sonne

Düster hinrollt; umfängt die Nacht

Sterbende Krieger, die wilde Klage

Ihrer zerbrochenen Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund

Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt,

Das vergossne Blut sich, mondne Kühle;

Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen

Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,

Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;

Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.

O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre,

Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,

Die ungebornen Enkel.

 

 

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Georg Trakl schrieb dieses Gedicht wenige Tage vor seinem Tod am 3. November 1914. Grodek entstand unter dem Eindruck der Schlacht in Galizien, in welcher der Lyriker als Sanitäter teilnahm. Er zeichnet in dramatischer Weise die Schrecken des Krieges, die ihn tief erschütterten und an denen er auch zugrunde gehen sollte. Dieses Gedicht ist weder in Strophen unterteilt noch weist es ein durchgängiges Metrum auf. Wie der Krieg selbst, so ist auch die Form vom Chaos geprägt.

Eine Annäherung von Peter Paul Wiplinger an Georg Trakl finden Sie hier.