25 Jahre Edition YE · 1993 – 2018

Heute,

am 23. November 2018, feiert die Edition YE den 25. Geburtstag, wie Theo Breuer beiläufig während des nachmittäglichen Telefonats erwähnt, in dessen Mittelpunkt allerdings Breuers aktuelle Lektüre steht, von der er mit der Leidenschaft berichtet, wie wir sie von ihm kennen: Gabriele Frings‘ Monographie Giorgiones Ländliches Konzert. Darstellung der Musik als künstlerisches Programm in der venezianischen Malerei der Renaissance (Gebr. Mann Verlag, Berlin 1999). Das Buch werde ich wohl lesen müssen, bei Gelegenheit auf KUNO darauf zurückkommen, denn jetzt geht es ja um ein anderes Thema! (Obwohl – 25 Jahre Edition YE in Sistig im Nationalpark Eifel bedeuten auch 25 Jahre ländliches Konzert …)

Hörer

also nach einer knappen Stunde aufgelegt, Rechner hochgefahren, Edition YE angeklickt, wo einleitend zu lesen steht:

Im November 1993 gründete Theo Breuer die Edition YE mit der Herausgabe der Kunstschachtel YE N° One. 1994 erschien das erste Faltblatt. 2002 folgte die Lyrikreihe. Kontakt, Korrespondenz, Kollaboration, Kommunikation sind Idealvorstellungen, die die ‚Energie Edition YE‘ begleiten und von allen mehr oder weniger freien Mitarbeitern – im Laufe der Jahre sind Bensch, Kraus, Peer Quer und Mrs Columbo zum Team um Theo Breuer gestoßen – auf diese Art oder jene Weise beherzigt werden.

Pars pro toto

zitieren wir an dieser Stelle Christoph Leistens Besprechung von Nacht Schicht, deren letzter Satz vor allem diejenigen Leser einlädt, die die Edition YE noch nicht kennen, doch einmal einen Einzeltitel aus diesem Kleinverlag zu verkosten, dem KUNO zum 25. Geburtstag von Herzen gratuliert:

Wo eine Weile / zu warten ist · Andreas Nogas Poesie des Kommunikativen

Es ist Joseph Brodsky, der einmal die Lyrik als die am stärksten verdichtete Mitteilungsweise menschlicher Erfahrung definiert hat. Betont wird damit wohl nicht nur die Intensität des je eigenen poetischen Ausdrucks, sondern auch das Moment des Kommunikablen, das der Lyrik in hohem Maße zukommt. Im Gedicht ist das Individuum ganz bei sich selbst, und zugleich ist es in Kommunikation mit dem Anderen, mit den Anderen. Andreas Noga überschreibt seinen jüngsten Gedichtband mit dem Titel Nacht Schicht. Dieser Begriff ist der Sphäre einer Arbeit entliehen, in der die Menschen eher entfremdet beieinander sind und monotone Tätigkeit verrichten. Gleichwohl verweist der Titel in schöner poetischer Paradoxie bereits auf deren Gegenteil: Die Nacht-Schicht, das ist auch jenes Zeitsegment, das der dichterischen Inspiration seit alters her in besonderer Weise einen exponierten Raum zu gewähren scheint. Dass Andreas Noga der Nacht wunderschöne Momente abzugewinnen weiß, ist einer der Vorzüge seines Bandes. Der Wecker klingelte um zehn / vor zwei, heißt es anlässlich einer Mondfinsternis, wir zogen uns an / traten hinaus der Mond wurde / rot / du sprachst von Wellen / längen und gefiltertem Licht / ich sagte nur: sch. Souverän handhabt der Autor das bedeutungsstiftende Enjambement, eindringlich gewinnt er dem konkret erlebten Moment jene Weltsekunde ab, die gelingende Lyrik ausmacht. – Nogas Sensorium ist ausgerichtet auf die unscheinbaren Phänomene in Natur und Alltag, die ihm zu Parabeln werden für das Leben selbst. Dabei entstehen oftmals Bilder, die sich intensiv einprägen und die Sicht auf die Wirklichkeit verändern. Diese Verse lauschen / dem Biegsamen, tasten die Stille / ab, suchen den Schein // der den Schornstein / verbrennt und finden dann überraschend markant ein Licht / wo zu pausieren ist // wo eine Weile / zu warten ist. Das kontemplative Moment solcher Bilder korrespondiert irritierend schön mit den ironischen, den erotischen, den dezent-politischen Anklängen dieser Lyrik, die diesen Band zusammen mit den visuellen Gebilden zu einem facettenreichen Textgewebe verdichten. Aber der Band weist noch einen weiteren Vorzug auf: Einen beachtlichen Teil der Sammlung bilden die Nachdichtungen, die Widmungsgedichte, die nachfühlen lassen, wie intensiv Andreas Noga in Kommunikation steht mit traditioneller und gegenwärtiger Lyrik. Da werden William Carlos Williams und Jakob van Hoddis zitiert, Sarah Kirsch, Karl Krolow , Ernst Jandl und Theo Breuer – aber es sind auch weniger bekannte und bedeutende Dichter, die Noga im Sonnenfleck / plazieren mag. Indem er die Verse der Vorlagen weiterdenkt, umdeutet, variiert und umspielt, lässt er uns teilhaben an einer dichterischen Kommunikation, wie sie wohl nur in der nicht-entfremdeten Nachtschicht der Poesie möglich ist, jenseits jener Fließband-Kultur, die den Menschen oftmals drückt. So ist der Band denn auch sinnigerweise erschienen in einer Reihe, die ausgesprochen originäre, eigenständige, unverwechselbare Lyrik publiziert: Nacht Schicht ist der fünfte Band in der Lyrikreihe der Edition YE, und dieser Reihe sind herzlich viele Leser zu wünschen, die, wenn sie sie noch nicht kennen sollten, mit Andreas Nogas Band einen vorzüglichen Anfang machen könnten.

 

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Weiterführend →

Vom Rand aus arbeiten wir auf dem Online-Magazin Kulturnotizen (KUNO) daran, den  Kanon zu erweitern. Die Idee zum Projekt Das Labor ist ein viertel Jahrhundert alt. Wer über hinreichend Neugierde, Geduld, Optimismus und langen Atem verfügte, konnte in den letzten 25 Jahren die Entstehung einer Edition beobachten, die weder mit Pathos noch mit Welterlösungsphatasien daherkam. Die zeitliche Abfolge der projektorientierten Arbeit ist nachzuvollziehen in der Chronik der Edition Das Labor. Weitere Porträts finden Sie in unserem Online-Archiv, z.B. eine Würdigung des Herausgebers und Lyrikers Axel Kutsch im Kreise von Autoren aus Metropole und Hinterland. Auf KUNO porträtierte Holger Benkel außerdem Ulrich Bergmann, Uwe Albert, André Schinkel, Birgitt Lieberwirth und Sabine Kunz. Lesen Sie auch den Essay über die Arbeit von Francisca Ricinski und eine Würdigung von Theo Breuer. Und nicht zuletzt den Nachruf auf Peter Meilchen.

 

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