In seinem Kastell verbarg ein katalanischer Maler seine Heizung hinter einer Art Geheimtür, auf der eben diese Heizung gemalt war – eine schöne Idee, finde ich, die Wirklichkeit zu überhöhen, sagt Arthur. Wieso? Heizt das Bild besser als die Wirklichkeit?,…
Autor: Ulrich Bergmann
s.t.
Immer wenn ich in die Kunsthalle gehe, finde ich meinen Weg wie eine Brieftaube, aber wenn ich meinen Kunsttempel verlasse, verliere ich die Orientierung. Du stehst eben nicht richtig im Leben, du weißt nicht, wo es lang geht. Ich…
THERMOPLASTISCHE TEXTE

Eine Gebrauchsanweisung zum Verständnis gegenwärtiger Dichtung am Beispiel von „istanbul. eine matrjoschka“ von Dennis Mizioch LÖCHER IM POLYPROPYLENGEWEBE lautet der neueste Titel der zentralrheinischen Literaturzeitschrift mit dem doppelzüngigen Namen Dichtungsring. Michael Kohl, Herausgeber zusammen mit Werner Pelzer, schreibt im Editorial:…
Trophäe
Was ist ein Dichter? Ein Dichter, sagt Arthur, demaskiert die Wahrheit. Was ist die Wahrheit? Schau her, sagt Arthur, meine Hand ist ein Messer, das schreibt. Du schreibst deinen Kopf ab!, sage ich. Das tun alle Dichter, sagt Arthur.…
Hunger ist der beste Koch
Der Dichter kann seine Worte nicht essen, er kocht die neuen Worte nach alten Rezepten, die alten nach neuen, und er denkt sich nur, wie die Worte gegessen werden, man kann auch sagen, er ist selbst das Rezept, denn letztlich…
Bonner Literaturpreis 2017
Es muss sein
Wir müssten zwei Leben haben, sage ich, dann könnten wir leichter sterben. Gut, sagt Arthur, wenn wir uns im zweiten Leben an das erste erinnern können. Wir hätten, sage ich, in unserem ersten Leben das zweite nur geprobt? Nein, sagt…
Die Würfelfalle
I Gestern dachte ich, sagt Arthur, ich bin Schrödingers Katze. Ich dachte, das Leben ist ein ganz besonderes Gift, ich sah mich mal lebendig, mal tot. Und als ich aufhörte nach mir zu sehen, kam mir alles noch viel komischer…
Galgenstück
Mir träumten die Tische, sagt Arthur, meine ganze Wohnung ist ein Trödelmarkt! Ich ging von Tisch zu Tisch mit lauter Kram und Plunder. Auf einmal sehe ich eine Gliederpuppe, an feinen Fäden hängt ein riesiges Gehirn aus Hunderten von kleinen…
Satzbauten
Kann ich sagen, sage ich, ich sterbe, also bin ich? Ich weiß nicht, sagt Arthur, das klingt mir zu verspielt. Ich sage, das ganze Leben ist verspielt, sage ich. Ja, sagt Arthur, wer durch Sterben etwas werden will, will…
Über alle Gipfel
Mein Leben, sagt Arthur, gleicht einem steilen Berg, auf den ich ohne Seil und Sicherung hochklettere. Je höher ich komme, umso größer wird mein Schwindel, immer klarer wird mir: Ich besteige mich selbst. Endlich oben, sage ich mir: Also…
Trinke mich satt!
Ich sah, sagt Arthur, gestern ein junges Weib mit einer kleinen Aster im weißen Ausschnitt. Der Duft klingt mir noch im Ohr, ich fühle unter meiner Stirn, wie die Blütenblätter wippen. Eine weiße Blume auf weißer Haut!, dachte ich…
Ich sage nichts,
denke ich, er, immer er, er alles, ich nichts, er antwortet ich frage, immer Frage ich Antwort er, Scheinfragen, Scheinantworten, halbe Fragen, also keine, sage ich, keine Antwort keine Frage, denke ich, immer denken und denken, Denken denken, immer…
Challenge and response
Ich denke, das ganze Leben ist ein Frage-Antwort-Spiel, sagt Arthur. Die Antworten hängen immer von den Fragen ab, sage ich. Oder die Fragen von den Antworten, sagt Arthur. Das ist die Frage, sage ich. Aber das ist keine Antwort, sagt…
Vorhang zu
Was ist das Leben?, frage ich Arthur nach dem Theater, als wir unter die dunklen Wolken ins Freie treten. Ich habe keinen Regenschirm dabei, sagt er, wie immer, ich nehme das Wetter wie es kommt, wie ich auch die Theaterstücke…
O Fortuna
Ich habe neulich, sage ich zu Arthur, nachgedacht wie du. Ich sah die Welt als Jahrmarkt, und ich sah den Jahrmarkt wie die Welt. Ich bin gespannt, sagt Arthur, wie du dir antwortest – denn das müsste Ähnlichkeit haben mit…
Wolken im Fluss
… Steckbrief …: Name: David Krause Alter: 26 Interessen und Hobbies: Reisen, tanzen gehen (Salsa und Tango Argentino), mit Freunden ausgehen (vor allem Karaoke-Abende!), Lesen (vor allem gute Lyrik), singen, kochen, Konzerte, Museen, Lesungen, sinnlos in der Gegend spazieren, sinnlos…
Der Koffer des Sisyphos
Was hast du vor?, frage ich Arthur. Ich sitze, sagt er, auf meinem gepackten Koffer, den ich durch mein Leben schleppe. Wozu?, frage ich. Damit ich reisen kann, sagt er, denn nur so kann ich immer wieder eine Aufgabe…
Nach wie vor
Ich werde steinalt, sagt Arthur, da kann ich mir lange beim Sterben zusehen. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?, frage ich. Ich empfinde es eher als Nachteil, sagt Arthur. Aber im Nachhinein würde ich meinen Standpunkt bestimmt ändern.…
Salz und Zucker
Arthur bestellt sich noch einen zweiten Espresso, denke ich. Die Frauen im Café sind sehr schön. Ich muss noch einen Espresso haben, sagt sich Arthur, auf einem Bein steht keiner gut, ich schwanke selbst wenn ich mit beiden Beinen…
Tinnitus
Wie der Gesang der Sirenen klingt, sagt Arthur, wissen wir alle. Die Sirenen, einst am Ufer unbekannter Inseln, stehen heute auf den Dächern der Stadt. Aber schrecklich betörender Gesang tönt nicht von den Dächern und auch nicht aus schönen nackten…
Impressis verbis
Schon unseres Briefwechsels wegen, sagt Arthur, hätte es die Nachwelt verdient, dass wir berühmt werden. Meinst du unsere geschriebenen oder ungeschriebenen Briefe, frage ich. Die einen sind so gut wie die anderen, sagt er, die ungeschriebenen sind vielleicht noch vollendeter.…
Komische Elegie
Wenn ich ins Museum gehe, denke ich immer, sagt Arthur, ich renne offene Türen ein. Die Skulpturen schauen mich an, als ob sie mich schon erwarten. Sie freuen sich dich wiederzusehen, sage ich. Das dachte ich auch, sagt Arthur.…
Corriger la fortune
Wir ernten in unserem schweren Leben für unsere besseren Einsichten immer wieder dasselbe – wenig Lob, viel Tadel, sagt Arthur. Darunter leide ich oft. Ich kenne dich, du leidest aus lauter Eitelkeit, sage ich. Nein, sagt Arthur. Ich leide…
Teile und herrsche!
Hast du Schlange zähmen können?, frage ich Arthur. Schlange sagte oft zu mir: Es ist gut, wenn ich dich lenke, Arthur, dann kannst du dich besser entscheiden. Sie befreite dich von deiner Unsicherheit? Ich weiß nicht, sagt Arthur, ob…
Hermetischer Zirkel
Hast du heute schon an Schlange gedacht?, frage ich Arthur. Ja, sagt er, ich wollte ihr vorhin eine Postkarte schreiben, aber ich kam nicht dazu. Ich habe die Karte schon gekauft: Ich als Hermes. Aha, sage ich, du warst…
Gute Nacht, gute Nacht!
Wenn ich gleich einschlafe, sagt Schlange, bin ich dann nicht mehr da, oder bist du nicht mehr da, oder sind wir alle beide weg? Wenn ich wach bleibe, sagt Arthur, bin ich da, aber du siehst mich nicht, und…
Dichte Lohe • Revisited

Vorbemerkung: Im Rahmen der Publikation des lyrischen Gesamtwerks des Sprechstellers A.J. Weigoni blickt Ulrich Bergmann auf den Mittelteil der Trilogie Letternmusik, Schmauchspuren – eine Todeslitanei, Dichterloh – Kompositum in vier Akten zurück: Lieber Weigoni, werter Champion der Twitteratur, ich habe Ihr…
100 soucis
Ich mach mir so viele Sorgen, sagt Schlange, ich denke immer, dass du mich eines Tages verlässt. Warum, sagt Arthur, machst du dir Sorgen um etwas, das mit Sicherheit eintritt? Du machst aber keine gute Reklame für unser Glück,…
In dubio pro dubio
Do ut des
Ich bin zu dick, sagt Arthur, als er sich im Spiegel des Opernfoyers betrachtet, ich muss dünner werden. Bedenke, sage ich, dass zu einer starken Persönlichkeit die richtige Statur gehört. Du siehst doch gut aus. Das sehe ich anders,…
Alles oder nichts
Es ist besser, ich behalte meine Idee im Kopf, sagt Arthur, als er die Ausstellung „Die Macht der Kunst und die Kunst der Macht“ sieht. Ist das besser für die Idee oder für die Wirklichkeit?, frage ich. Ich weiß…
Echt gefälscht
Meine Gespräche mit dir, sagt Arthur, haben an Echtheit verloren, seit ich weiß, dass du sie für deine Geschichten, die du über mich schreibst, ausbeutest. Durch mein Plagiat bereichere ich dich, indem ich die Echtheit im Dialog mit dir…
Das Angebot der Nachfrage
Arthur am Apparat: Ich muss dich unbedingt sprechen, sagt er, sonst weiß ich nicht mehr, wer ich bin. Du hast dich verloren, sage ich, und nun suchst du dich bei mir? Ja, sagt er, so ähnlich. Ich bin nicht zu…
IV Nachtstück
Wenn unsere Zeit stillsteht, dann hören wir nur noch die Fermate am Ende unserer kleinen Nachtmusik vor der großen Winternacht, dann geht in der Welt das Licht aus, uns geht die Welt aus, sagt Arthur, als der Film aus war…
III Aprèslude
Mein ganzes Leben war von Anfang an ein einziger Herbst in mir und die Blätter sind schon alle von mir abgefallen, sagt Arthur, als er wieder einmal den Oblomow las, aber was bleibt von mir, wenn ich in den Winter…
II Hot air
Ich hasse den Sommer, den Winter habe ich immer geliebt, schon bevor ich leben musste, sagt Arthur beim Verlassen der Kunsthalle. Ich bin ein Sommerneurotiker, dieses gezwungene Jasagen zum sogenannten Leben passt mir nicht, dieses immergrüne Scheitern der Lebensfragmente…
Le quattro stagioni
I Conditio sine qua non Wenn ich ins Theater gehe, gehe ich nur in ein anderes Stück meines Lebens, sagt Arthur, und wenn ich aus dem Theater komme, erschaffe ich mich spielend immer wieder neu in meinen Stücken. So ermögliche…
post scriptum
Er habe neulich, erzählt Arthur, zwei ihm bekannte Rivalen beobachtet, wie sie sich auf der Straße begegnet seien. Wie auf einer Bühne! Es sei fast laut geworden in der Stille des Schweigens, wie der eine zu dem anderen nur…
Pas de deux
Manchmal, sagt Arthur, sehe ich mich als Double meiner selbst, ich schaue mir bei meinem Leben zu, wie ein Regisseur, der sich eine Theaterkarte für sein Stück kauft und sich ansehen muss, was er inszeniert hat ohne eingreifen zu können.…
Schlussverkauf
Ich trenne mich, sagt Arthur beim Betrachten der Gebeine in der Goldenen Kammer, von allen meinen Sachen, ich gehe damit auf den Trödelmarkt und werfe dort meinen ganzen Ballast ab. Vielleicht steige ich dann noch einmal in die Lüfte,…
Selbstinventur
Arthur erzählt mir, er habe gestern geträumt, wie er im Kaufhaus über die langen Rolltreppen in die oberste Etage stieg, und wie ich oben ankomme, sagt er, leuchten mir Reklamesätze von allen Seiten grell entgegen: IHR DERNIER CRI lese…
Carpe noctem
Eines Tages, sagt Arthur, wache ich nachts auf, und ich weiß nicht, bin ich wach, bin ich nicht wach, gehört das noch zum Traum – und während ich hier mit dir rede, frage ich mich, bin ich jetzt wach oder…
An HEL
Würde man mich fragen, welcher Dichter, der einer vergleichsweise größeren Öffentlichkeit nahezu unbekannt ist, zu den wichtigsten Stimmen gegenwärtiger Lyrik gehört, ich zögerte keinen Augenblick: Ich wüßte keinen anderen mir bekannten Dichter, auf den das Wort von der Brüderlichkeit mehr…
Göttliche Komödie
Das Theater ist mein Lebenszimmer, es ist meine Kirche, denkt Arthur. Es ist die einzige Religion, die mir angemessen ist, die ich mir anpassen kann. Wenn ich mir alle Zuschauer wegdenke und mich dazu, wird dann das Ensemble zum…
Comédie humaine
Eines Tages gibt es endlich das Theaterstück für einen einzigen Zuschauer. Arthur, der sich immer schon für einen solchen Zuschauer gehalten hat, geht hin, nachdem er mit dem Schauspieler einen nächtlichen Termin vereinbart hat. Ihn reizt die angekündigte Mythologie…
Aus Arthurs Tagebuch:
Nacht. Schon wieder das Auto kaputt, ausgerechnet auf dem Weg zum Kino, die verdammte Schrottkiste, die ich liebe, weil sie mir ähnelt. Ich vermute Getriebeschaden, irreparabel. Kein Kino also. Ich suche ja den vorzeitigen Abend, um der Hölle der anderen…
Schwarz auf Schwarz und Weiß auf Weiß
Lieber Arthur, lieben Dank für deine schöne Kokoschka-Karte, auf der du den grandiosen Gedanken formulierst, wie reich du in deinem Alleinsein bist. Ich wäre der Letzte, der dich kritisierte, wenn du deinen Reichtum vermehrst, indem du deine Selbstgenügsamkeit reduzierst.…
Solipsismus
Was ich dir schon immer mal sagen wollte, sagt Arthur, als wir gut gelaunt das Theater verlassen: Ich beneide dich um mich! Ja, sage ich, du verstehst dich gut mit dir, und es misslingt dir konsequent, der Sprache neue…
Persona non grata
Arthur steht im Theaterfoyer und sieht Raum und Zeit dort als das Stück vor dem Stück, das er sehen wird als Stück im Stück. Wie kopflos wandelt das aufgedunsene Kleid da herum, wie lächerlich die Schritte dieser zugeschminkten Gesichter,…
Ego ergo sum
Arthur malt den lieben Gott an die Wand und schaut sich sein Bild an. Ich bin, denkt er, wie ich immer war, und bin doch total anders geworden und war schon immer dieser Andere, bin jetzt immer noch oder…
Nachsicht
Du gehst mir zu schnell an den Bildern vorbei, Arthur, warum nur diese Eile? Arthur bleibt mitten im Baselitz-Saal stehen, dreht sich, indem er alle Bilder der Reihe nach abnickt, um sich selbst, und sagt zu mir wie nebenbei:…
Einbildung
Lass uns Kaffee trinken gehen, sagt Arthur, als wir die Gemäldegalerie verlassen, ich brauch jetzt innen auch ein Bild. Wie soll ich das verstehen?, frage ich. Am besten einen Espresso, sagt Arthur. Wenn der Kellner mit dem Zucker und der…
Teile und herrsche!
Hast du Schlange zähmen können?, frage ich mich. Schlange sagte oft zu mir: Es ist gut, wenn ich dich lenke, dann kannst du dich besser entscheiden. Befreite sie dich von deiner Unsicherheit? Ich weiß nicht, ob sie mich befreit hat…
Kurze Begegnungen
1 Sie trafen sich am Beethoven vor der Alten Post. Die junge Frau im blauen Rock war ganz aufgeregt vor ihrem ersten Rendezvous. Fast pünktlich erschien ein Herr, der zur Beschreibung passte – ein Kopf größer als sie selbst, so…
Hermetischer Zirkel
Hast du heute schon an Schlange gedacht? Ja, sage ich, ich wollte ihr vorhin eine Postkarte schreiben, aber ich kam nicht dazu. Ich habe die Karte schon gekauft: Ich als Hermes. Aha, du warst also wieder auf deiner Museumsinsel. Wo…
Gute Nacht, gute Nacht!
Wenn ich gleich einschlafe, sagt Schlange, bin ich dann nicht mehr da, oder bist du nicht mehr da, oder sind wir alle beide weg? – Wenn ich wach bleibe, sage ich, bin ich da, aber du siehst mich nicht, und…
Guten Abend, gute Nacht!
Schlange, sage ich, wir müssen zusammen sterben. – Warum denn das?, fragt Schlange. – Dann fehlen wir uns nie und können uns immer streiten, sage ich. – Meinst du, wir streiten uns weiter, wenn wir tot sind? – Ich glaube…
Accent grave
Im Musée Rodin Ach Schlange, sage ich, immer heftiger beschwert mich der Gedanke: Alles stürzt ein. – Was soll denn einstürzen, sagt Schlange, außer deiner Liebe zu mir? – Der Himmel, sage ich, der Himmel ist zu schwer geworden. –…
Ptolemäische Wende
Wie die Welt aussähe, wenn sie sich um mich dreht, habe ich mir schon oft überlegt, sage ich, ich dreh mich ja nicht, und die Welt, so verdreht sie ist, steht still, und ich frage mich, ist die Welt ein…
Beweis
Dass ich dich traf, sagt Schlange, ist das Fügung? – Ja, sage ich, nichts Geringeres als der Urknall musste geschehen, damit es geschehen konnte. – Dass ich dich traf? – Ja, sage ich. – So einfach ist das? – Ja,…
Verspielt
Es wird so dunkel, sage ich, das macht mich ganz traurig. – Ich bin auch ganz traurig, sagt Schlange, der Winter dringt immer tiefer in unser Leben ein. – Manchmal zieht ein Schmerz in meine Seele, sage ich, ich liege…
Zwei Schlüssel
Ein Traum von Anfang und Ende. Aus dem Schlaf will Schlange herausspringen ins Licht. Aber sie schafft es nicht, sie springt nicht hoch genug. Ermattet bleibt sie liegen, wie…
Lügen haben wahre Beine
Die Wahrheit kommt oft im schönsten Kleid der Lüge daher, man muss sie nur ausziehen, sage ich, wie eine Frau. – Der Vergleich hinkt, mein Lieber, und entlarvt dich als unerlösbaren Chauvi, sagt Schlange. – Wieso?, sage ich. – Eine…
Tempora mutantur II
Früher war die Zeit weit und der Raum eng, sage ich. – Heute ist es umgekehrt, sagt Schlange, das ändert auch die Irrtümer und Illusionen. – Ja, sage ich, die Irrtümer gehen jetzt weiter, und die Illusionen werden enger. –…
Circulus
Liebst du mich?, fragt Schlange. – Ich denke nach, mir fällt nichts ein. Sie kennt mich doch so viele Jahre, und immer wieder diese eine Frage! Natürlich liebe ich dich!, sage ich. Aber sie ist mit meiner Antwort nicht zufrieden.…
Vor dem Danach
Schlange, das Leben ist eine einzige Frage, sage ich, die beste Lösung wäre ja, wir lebten gar nicht, dann müsste es auch keine Antwort geben. – Ah, sagt Schlange, dann dürfen wir auch nicht sterben, wenn wir nicht leben müssen.…
L’âge d’or
Mein Gott, sage ich, als ich in der Tür stehe und Schlange, die ihren runden Geburtstag feiert, in die strahlenden Augen sehe, bist du jung geblieben! Da komm ich mir richtig alt vor! – Ach was, sagt Schlange, du bist…
Ich bin dein Buch
Liest du?, fragt Schlange. – Ja, sage ich. – Was denn?, sagt Schlange. – Damontes „Kritische Körper“, sage ich. – Lies lieber mich, sagt Schlange. – Warum, sage ich. – Weil ich das bessere Buch bin, sagt Schlange. – Ich…
Le deuxième sexe
Ich bin so glücklich, sagt Schlange. – Wirklich?, sage ich. – Ich liebe dich sehr, sagt Schlange. – Was heißt das schon, sage ich. – Wir verstehen uns gut, sagt Schlange. – Ja schon, sage ich. – Liebst du mich…
Credo
Ich glaube, sage ich, die Natur sieht alles vom Mann her – das Leben ist männlich. – Ich glaube, sagt Schlange, du siehst die Natur so, wie du sie glauben willst. – Ja, sage ich, wir verstehen uns gut, die…
Tempora mutantur
Ich weiß nicht, ob ich dich immer noch so liebe wie damals am Anfang, sage ich, als ich mit Schlange in der Staatsoper war. – Wie bitte?, sagt Schlange. – Es ist jetzt tiefer geworden. – Ach so, sagt Schlange,…
Hiddensee
Schlange, sage ich, ich fühle mich so wohl auf dieser Insel. – Ich weiß gar nicht, warum, sagt Schlange, mir ist das hier alles viel zu östlich. – Das ist meine Heimat, sage ich, hier finde ich zu mir selbst.…
Blaue Stunde
Sevilla 11.4.2009 Schlange, sage ich, soll ich dir sagen, was mir jetzt absolut klar ist? – Sag es lieber nicht, sagt Schlange. – Es ist nichts Schlimmes, sage ich, aber ich will es loswerden. – Dann ist es nicht bedeutend,…
Projektion
Ich bin so glücklich, sagt Schlange, mir geht es so gut, seit ich mit dir zusammen lebe. – Mir auch, sage ich, aber ich werde immer dicker! – Was willst du damit sagen?, sagt Schlange. – Ich weiß nicht, sage…
Eheliche Pflichten
Du bist nicht mehr so zärtlich zu mir, seit ich dich geheiratet habe, sagt Schlange. – Das stimmt nicht, sage ich, nachdem ich dich geheiratet habe, bin ich immer zärtlicher zu dir, denk nur an letzte Nacht! – Du hast…
List der Liebe
Das Weib, sage ich, das ist die Schlange. – Redest du mit mir?, sagt Schlange. – Ja, sage ich, Schlange und Weib, das ist ungefähr dasselbe. – Hallo!, sagt Schlange, ich hoffe, du weißt, was du da sagst. – Ich…
Zufall
Unsere Liebe ist ein wunderbarer Zufall, sage ich. – Quatsch, sagt Schlange, ich habe dich gewählt. – Stimmt nicht, sage ich, ich hatte dich zuerst angeklickt. – Anklicken ist nicht wählen, sagt Schlange. – Wenn ich dich nicht angeklickt hätte,…
A Brasileira
Schlange, sage ich, Lissabon ist die schönste Stadt der Welt. – Du bist gerade mal einen Tag hier, sagt Schlange, da kannst du doch noch gar nicht urteilen. – Doch, sage ich, es ist wie mit der Liebe auf den…
Standardfragen
Schlange, sage ich, du hast mich schon lange nicht mehr gefragt. – Was denn?, sagt Schlange. – Ob ich dich noch liebe, sage ich. – So eine Frage ist doch der reine Unsinn, sagt Schlange. – Ja, sage ich, das…
Himmel und Hölle
Memento mori unterm chinesischen Mond
Gedanken über chinesische Lyrik und ihre Übersetzung ins Deutsche Die Zeit der Tang-Dynastie (618-907) war eine Epoche der lyrischen Hochblüte. Der Schriftsteller Lu Xun, der als Epiker die moderne chinesische Literatur begründete, gab das Schreiben von Gedichten auf mit der…
Absolut relativ
Du siehst so glücklich aus, sagt Schlange. – Schlange, sage ich, ich sehe nur so aus, weil die Sonne mich blendet. – Du willst wohl nicht glücklich sein, sagt Schlange. – Schlange, sage ich, glücklich sein … das gibt’s gar…
Liber sum
Ich weiß nicht, Schlange, was das war – auf einmal stehe ich in einem gigantischen Buchladen. Die Kerker von Piranesi sind dagegen richtig klein, nur hell ist es, gleißend hell, das Licht flutet aus allen Richtungen übereinander, überall sind lange…
Verlustgewinn
Wenn wir uns lieben, Schlange, bin ich doch ganz tief in dir drin? – Ja klar, sagt Schlange. – Ich meine, bin das ich? – Ja, sagt Schlange, ist dir das denn nicht recht? – Ich weiß nicht, sage ich,…
Ich, Schlange
Du, sagt Schlange, ich bin dein Alter Ego, ich stehe immer hinter dir. – Umgekehrt ich auch, sage ich, ich bin am liebsten dein Über-Ich, das mir unterliegt. – Ich bin, sagt Schlange, dein Unter-Ich, das über dir steht. –…
Sartres heroischer Nihilismus
Vielleicht das Schönste, das Sartre geschrieben hat, ist das Textbuch zu dem Film „Les jeux sont faits“ (1947; als Theaterstück 1958): Dieses sprachlich einfache Werk ist ein Märchenspiel, in dem durchaus fraglich wird, ob Sartre mit der üblichen Kennzeichnung eines…
Ich, Übergott
Dein Kopf steht dir im Wege, sagt Schlange. – Ich verstehe mich gut mit meinem Hirn, sage ich. – Warum wirkst du dann so verkrampft?, sagt Schlange. – Ich entwerfe mich selbst, wenn ich mit mir rede, sage ich, ich…
Gegen die Zeit
Picasso in Düsseldorf, sage ich, das haut mich um. – Seine letzten Bilder, na ja, die sind aber sehr sehr – speziell, sagt Schlange, es geht da immer nur um das eine Thema, das euch Männer so beherrscht. – Ach…