Nobel geht die Welt zugrunde

Hat sich nach der Nobelpreiss-Pause etwas geändert? Kein Romancier aus Asien. Keine Kurzgeschichten-Autorin aus Lateinamerika. Kein Essayist aus Afrika. Keine Inuit-Lyrikerin, die Naturgedichte schreibt (Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg* hat den Friedensnobelpreis auch nicht erhalten). Dafür eine Vorzeige-Dissidentin aus dem…

Raunen

Dem altem Befehl gehorcht das Auge schießt gedankenlos den Kopf zur Seite bietet Pfeil die Stirn gräbt tiefe Furche in junge Haut: ein Mal in Stein gemeißelt, alt wie Runen raunt es nach langer Zeit sichtbarer verblasst jedoch die Erinnerung…

Schimpfen, Auszug

Diese dokumentarischen Einsilbigkeiten entblößen ihr Wollen wie Exhibitionisten. Doch während wir letzteren den Mangel an Phantasie noch verzeihen mögen, sollte uns dieses Versöhnlichkeitsstatut in der Kunst weniger bestimmen. Wenn diese Epigonen bloßer Beschreibungsnöte uns zugleich die Zukunft der Kunst zeigen,…

Die Freiheit, frei zu sein

Mein Thema heute, so fürchte ich, ist fast schon beschämend aktuell. „Ihr Werk verweist auf die Einzigartigkeit der Person, die sich dahinter verbirgt, und damit auf die Leidenschaftlichkeit ihres Denkens und ihrer Existenz. Es ist die hinter dem Werk stehende…

Die Unterbrechung wurde registriert

Die Unterbrechung wurde registriert, als anhielt, was geschah. Die Dauer des Vorgangs hatte etwas Irritierendes: Wäre etwas abzusehn gewesen, wäre man aus dem Zimmer gegangen ins Freie zur Bushaltestelle mit der Absicht,alle Wartenden ins Zimmer zu bitten, um sich ein…

stringblatt

Der Hungertuchpreisträger Thomas Suder präsentierte auf KUNO Objekte und Bilder, die eine dialektische Beziehung zwischen organischen, also eher rundlichen Formen und Strukturen, und dem was ebendieses an höchst unorganischen Formen hervorbringt, um in der angeblich erlebten geordneten Realität letztendlich wiederum…

ZUSTÄNDE

verschwindet im bahnhof dem markt mit gleisen die masse der teig das gewicht hör ich in der spur nur vibrieren seh ich die spiegel nackt das fleisch darin die zeit ein automat der spricht verschenken sie nichts damit der alltag…

winterreise

  die moorlinse ist gefroren und an ihren rändern sind hohe gräser abgebrannt. das auge liegt offen. daneben geköpfte stämme in efeufell eingeschlagen. an der parkmauer schreibt sich die zeit fort, der ich ansehe wie sie mich zurücklassen wird. auf…

Ein Buch der Stunde

  Es sind da Dinge, die vergisst man nicht, und man begreift vielleicht erst spät, was sie einerseits bedeuten, andererseits, welche Auswirkungen und schlicht Lebensveränderungen sie mit sich bringen. In diesem, dem unseren, an Brüchen und nunmehr Apokalypsen so reichen…

Im Tunnel

Der Zug aus Paris surrte mit irrem Tempo über die singenden Gleise auf den Tunnel zu, der die Kontinente tief unter dem Wasser des Meeres verband, da ging plötzlich der Mond auf, der an diesem Tag ins Metall der Schienen…

gefangenschaften

sie haben die freiheit eingekreist mit polizisten und ordnungskräften die wortbrüche sind geschient und wasserwerfer warten auf baldige zuwiderhandlungen feiernde sind gut bezahlt und sündenböcke können ohnehin kaum einer sünde widerstehen lautlos spielen straßenmusiker in unsichtbaren käfigen melodische protestlieder nur…

Die Zeit über hat man das Gefühl

Die Zeit über hat man das Gefühl, man lenke, ohne spürbaren Nachdruck, den Gang des Geschehens. Je tiefer man in Widersprüche gerät, sie aber durchhält, ohne zu wissen, warum, desto weniger ist ein Rückzug in die entgegengesetzte Richtung vermeidbar, und…

Halb leer

  Auf Festen hat man Gelegenheit in aller Freundschaft mit alten Bekannten zu reden, über Gott und die Welt, wie man gerne sagt, meist jedoch über Fernsehen und Fußball. Da unterhalten sich zwei gestandene Männer (sagt man so, wenn sie…

Widerstand gegen Nicht–Orte

Der Mensch braucht den kleinen Rausch, sonst fängt er an zu revoltieren. Jutta Voigt Ähnlich wie der erste Roman Abgeschlossenes Sammelgebiet kann man die Lokalhelden augenzwinkernd als „Historienroman“ bezeichnen. Hier ist jedoch nicht die Fernvergangenheit gemeint, sondern der Zeitraum zwischen…

Terres

Verblutung. Wer an das Göttliche glaubt, glaubt doch nur an sich selbst, sagt Terres, der Orgler, der Glasperlenspieler und Komponist des Selbstgesangs. Im Herbst war die neue Orgel fertig, gebaut nach seinen Plänen. Eine Orgel ist eigentlich nie groß genug,…

Mahnruf an die Deutschen

Wir wollen gehört werden, denn wir reden als Warner, und immer ist die Stimme des Warners, wer es auch sei und wo sie auch immer erklinge, in ihrem Rechte; dafür habt ihr, die angeredet werden, das Recht, euch zu entscheiden,…

nachricht aus london

sie können durch südamerika europa ozeanien asien und nigeria gehen präsident goodluck behauptete sie sind ein glücklicher mensch sie werden mit mr. richard graves aus den usa in zusammenarbeit frustrieren top-nigerianische regierungsbeamte sind erfüllt generalsekretär ban ki-moon wird sie anrufen…

tagesordnung

dein ungekämmter blick aus dem fenster in die noch traumverhangene landschaft tonspuren einer amsel legen sich in die rillen deiner stirn während das krause gestrüpp in deinem kopf sich in zeit lupe der lichtung nähert hier & da erste gedanken…

MONDE

nicht ausgeliefert dem vampir der sonne häutet sich der mond das schwert der nacht mit langen fingern bleicher hand zeugt er tautropfen pflanzensaft entsteig auch ich ein schatten meiner brust trägt mich mein gefährt eine wurzel aus licht gleit ich…

ursprung

    gezeitenwandel erinnerungsflut   im flussbett der gedanken steht das gezähmte vieh                   kopf   Aleph   heißt uns trinken von den anfängen     Weiterführend → Poesie ist das identitätsstiftende Element der Kultur, KUNOs poetologische Positionsbestimmung.

Zur Einladung erscheinen

Zur Einladung erscheinen, mit verbundenen Händen und Augen.  Niemand von den Anwesenden darf beim Eintritt berührt werden, keiner darf genötigt werden, einen anzusprechen.  Man selbst spricht nicht, bewegt aber den Mund w i e  zum Sprechen. Die gebundenen Hände, zur…