Twitteratur – von Frank Zappa

Jazz ist nicht tot, er riecht nur angestaubt. Frank Zappa   Weiterführend →   Bestand die Modernität des Aphorismus bisher in der Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist Twitteratur.…

Gefuehlsarchæologe

  kalte Glut auf den Lippen den Geschmack erkalteter Asche auf der Zung‘   præzise Inventur vager Gefuehle: das Meer = die See der Sprache erotische Grapheme treffen auf sinnliche Lesearchipele   im Sediment deuten Spuren flussaufwærts in Quellenkunde verengen…

LAGE

spring ich ins licht ist es ein spiegel bin ich geblendet weiß vom schein der scherben stürzen golden die blätter und mondäugig die worte mir ins gesicht tanzen die splitter seh ich hinterm glas geronnen die entfallne seele leuchten als…

Schmetterlingsjagd

Gelegentlicher Sommerreisen unbeschadet, bezogen wir, ehe ich zur Schule ging, alljährlich Sommerwohnungen in der Umgebung. An sie erinnerte noch lange an der Wand meines Knabenzimmers der geräumige Kasten mit den Anfängen einer Schmetterlingssammlung, deren älteste Exemplare in dem Garten am…

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keiner kann der Sonne ins Gesicht blicken dennoch: ich trag Papiergewänder und spring wenn das Feuer bin wahlweise Türkisschlange oder Killerfledermaus wenn Federn schwängern seit du (schleuderst Strahlen in alle Richtungen steckst in meinen Ästen) *** Weiterführend → Ein Porträt…

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Sprache wechseln: geboren werden und Menschenfelder wenn die Fischeraugen sprechen wir hauchen sobald du rüberläufst oder *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch…

Personality–Show

    er Atem gefriert in der Luft   aufgeworfene Lippen formen keine Worte mehr   die Zæhne zerspringen beim Læcheln   der Schweiss gerinnt zu kleinen Eiszapfen   das Bærenfell taugt lediglich als Bettvorleger   Gænsehaut trægt sich zu…

AUSFLUG

wälz ich im schlaf die tagverspannte haut  erheb ich mich und ordne das papier  in meinem schrank find ich meine seele zerfallen in der spur der larven und käfer kommt der staub meiner gedanken zu leben wieder steig ich die…

Burschen

  Burschen dahier unter schlafenden Platanen etwa meterlange Werkshallen das Innere gewiß schützend vor Regen & ineinandergeschoben ernst die Häuser & ein wenig sich übertreiben dem Weggang aufmerksam fixiert hoch oben im Klang kahler Weymouthskiefern & weit weit mochte wünschen…

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Stadt diese Stockung von Dingen Gipfel die Arme der Birken wenn Laub Lippe ist Herbstkuss *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch das…

Hirnknoten

  nach dem Paukenschlag des ersten Blicks erklingt in einer Partitur der Triebe die Brillanz gefuehlter Koloraturen   in den Steilwænden der Verzueckung folgt auf den Scherz der Abenteuerlichkeit die Arie des Gluecksverlangens   der hasenlæufige Schritt der Hormone das…

AUFFORDERUNG

bewahrt mich vor meinem bilde nicht gleiten die finger hinab in mir unter die schiefe zunge gepreßt erstickt der schrei gärt alles verdrängte zur kehle wieder kommt es zurück wenn weglos ich steh sag nicht erneut mund es gäbe kein…

Kleine burgenländische Prosa

Am Werden umgestürzte Stämme ins Gebiet meiner Lage & weiter hinter den Hügeln die feine Gabelung wieder eine völlig andere Umgebung am Ufer versammelt sachte nach neuer Belebung Körbe Gewebe Rundung Wild im Geäst mir entfernt hinter dem Vorhang aus…

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wie wir nichts sind verglichen mit dem Wind könnten wir doch mutiger sein denn auch der Tod will das nicht haben wie wir uns zu falschen Körpern brennen Träume scheren Hoffnungen erhängen gebrochen ist der Mond noch nicht geh also…

Tyrannei der Geschwætzigkeit

  durch den Klang teppich Deiner Worte fuehle ich mich mit konsequenter Lust bereit bis ins Innere vorzudringen… eingesogen in die Weichheit der Fasern / Fæden & Phrasierungen durch das Unverspiegelte entsteht unsere Næhe   doch der Chor der Claqueure…

KREISLAUF

die haut zernarbt vom licht verbirgt die brust und schorf um schorf entwachs ins dunkel ich faß hand fuß und gesicht die wangen selbst und fingerkuppen mir vertraut nicht mehr der mund bleibt offen starr wollt ich den tag noch…

zuschauer

stuhlreihen unbesetzt und doch thront das  phantom neben mir sitzt hilflos mein zweites ich blicke suchen geländer am abhang wäscht regen erbarmungslos höhlen ins weiche gestein irgendwo rotten sie sich immer aus nur kinder sterben noch mit staunenden augen noch…

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hineinsterben in eine Landschaft sich das Denken endlich ausreißen gaukelt uns Trost vor das Licht sich in Engel keilen mit zerschmetterten Lippen wenn Adern bloss endlich zersprängen *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten…

ERFAHRUNG

ohne das äußere zeichen glaubt es ja doch niemand wenn nicht die haut gelb wird und unter den augen dunkel und das gesicht bleich wenn nicht die hände zittern und groteske fehler machen und die füße versagen wenn nicht der…

Der Jäger Gracchus

Zwei Knaben saßen auf der Quaimauer und spielten Würfel. Ein Mann las eine Zeitung auf den Stufen eines Denkmals im Schatten des säbelschwingenden Helden. Ein Mädchen am Brunnen füllte Wasser in ihre Bütte. Ein Obstverkäufer lag neben seiner Ware und…

Karl Philipp Moritz • Revisited

Vor 200 Jahren starb Karl Philipp Moritz. Jutta Ludwig über die Landschaft als Landkarte der Erinnerung in der Selbstbiographie des 18. Jahrhunderts am Beispiel von Karl Philipp Moritz‘ Anton Reiser   ‚Literarische Anthropologie‘ meint heute mehr als die Verbindung von Literatur…