Qualifizierte Arbeitskräfte: Wie aus Masse Klasse wird.

Anlässlich des 20-jährigen Bestehens unseres Schulungscenters „Hamburger University“ fand vor einigen Tagen eine Podiumsdiskussion zum Thema „Der Schulabschluss als Unfall – Wie Unternehmen durch Mitarbeiterweiterbildung zusätzlich Talente aufbauen können“ statt. Geladen waren interessante Gäste, die ich auch hier kurz vorstellen möchte: Michaela Rosenberger, die sich seit vielen Jahren in der
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
engagiert und dort stellvertretende Vorsitzende ist. Mittlerweile setzt sie sich innerhalb des Vorstands u.a. für die Bereiche Jugendarbeit und berufliche Bildung ein. Die zweite Dame des Abends ist Integrations- und Bildungsexpertin Kaija Landsberg. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von Teach First Deutschland. Dort setzt sie sich für bessere Bildungschancen an deutschen Schulen ein. Dr. Walter Jochmann, Mitglied der Geschäftsführung der Kienbaum Consultants International GmbH betreut Großunternehmen wie McDonald’s bei der strategischen Neuausrichtung von Personalbereichen. Er kam bereits als Gastautor zu den Top 10 Themen der HR-Arbeit in meinem Blog zu Wort und beleuchtete in der Diskussion die Unternehmensperspektive. Als Moderatorin führte die Nachrichtensprecherin Judith Rakers durch die Debatte.

v.l. Dr. Walter Jochmann, Michaela Rosenberger, Moderatorin Judith Rakers, Wolfgang Goebel, Kaija Landsberg

v.l. Dr. Walter Jochmann, Michaela Rosenberger, Moderatorin Judith Rakers, Wolfgang Goebel, Kaija Landsberg

Ich freute mich auf den Austausch, denn die drei Gäste versprachen neue Erkenntnisse und eine kontroverse Diskussion. Nach der Debatte war ich deshalb fast überrascht, wie einig wir uns doch alle waren. Trotz geringer Streitpunkte gab es sehr interessante und aufschlussreiche Meinungen, welche gesellschaftliche Verantwortung Unternehmen bei der Förderung von Mitarbeitern tragen können und sollen. Ein Thema, bei dem in einem ersten Schritt auf die Ursachen von unzureichend qualifizierten Bewerbern und Arbeitnehmern eingegangen werden muss, bevor über angemessene Fördermaßnahmen diskutiert werden kann. Und genau das haben wir getan.
Nach einer Einführung sprach Frau Rosenberger die steigende Jugendarbeitslosigkeit an. Sie ist der Meinung, dass die Ursache darin liegt, dass den Bewerbern immer mehr die nötigen Qualifikationen fehlen. Immer weniger Schüler schaffen es bis zum Abitur. Und die, die das Abitur in der Tasche haben, entscheiden sich eher für ein Studium, als für eine Ausbildung. Deshalb solle die Wirtschaft reagieren und beginnen, Bewerber mit einem niedrigeren Schulabschluss dort einzustellen, wo früher stets ein Abiturient genommen wurde. Und damit gebe ich Frau Rosenberger Recht. Es ist unsere Verantwortung als Unternehmen, Talente zu erkennen und diese individuell zu fördern. Deshalb ist mein Grundsatz auch „Potenzial ist mehr als Noten“, wie ich bereits in einem anderen Artikel erwähnte. Außerdem spielen bei einem schlechten Zeugnis viele Faktoren eine Rolle. Da darf der womöglich fehlende Halt in der Familie oder nie erlernte Disziplin nicht aus dem Auge gelassen werden.
Herr Dr. Jochmann sieht die Bildungspolitik stärker in der Pflicht. In Deutschland gibt es nach wie vor
kein einheitliches Schulsystem. Deshalb sind Schulabschlüsse und somit auch die Qualifikation der Bewerber so unterschiedlich. Er machte deutlich, dass es ohne deutschlandweite Bildungsstandards zu einer weiteren Verschärfung der Situation am Arbeitsmarkt kommen kann. Deshalb müssen wir Unternehmen flexibler werden und uns besser auf unsere Bewerber einstellen, wie auch Frau Rosenberger schon sagte. Dazu gehöre auch, an der eigenen Attraktivität des Unternehmens zu arbeiten, damit wir überhaupt in die nähere Auswahl kommen. Dazu gehören zum Beispiel eben auch interessante Weiterbildungsangebote.

„Der Staat muss etwas tun“, forderte Frau Landsberg. Sie ist der Meinung, dass nicht nur der soziale Background alleine der Grund für die schlechte Qualifikation der Absolventen ist, auch veraltete Lehrstrukturen müssen angepackt und schon die Lehrer besser ausgebildet werden. Außerdem sei es wichtig, neue Anreize für Lehrer zu schaffen, damit diese auch bereit sind, in sozialen Brennpunkten zu unterrichten.
Somit haben wir bei unserer Diskussion drei Felder festgesteckt, in denen die Ursachen für fehlende Qualifikationen gesehen wurden. In meinen Augen ist eine Lösung nur möglich, wenn Staat und Wirtschaft besser zusammenarbeiten. Unser Schulsystem muss geändert und vor allem vereinheitlicht werden. In UK ist es z.B. möglich, eine betriebliche Ausbildung zu absolvieren und gleichzeitig einen staatlichen Schulabschluss zu erlangen. Ein System, das auch für uns interessant klingt. Ich wäre sofort bereit, zum Beispiel den Hauptschulabschluss in die Ausbildung zur Fachkraft zu integrieren. Alleine in diesem Jahr gab es laut Bundesagentur für Arbeit wieder 70.000 Schulabbrecher. Sie haben in unserer Gesellschaft wenig Chancen, noch etwas „Anständiges“ zu lernen.
Wie auch beim demographischen Wandel muss die Wirtschaft darauf reagieren.
Wir bei McDonald’s bieten unseren Mitarbeitern ein internes Schulungsprogramm an. Da gibt es das firmeneigene Schulungszentrum „Hamburger University“, die regionalen Servicecenter oder auch Schulungen in den Restaurants. Gelehrt werden Qualitätsthemen über Service bis hin zu betriebswirtschaftlichem Wissen und Management-Knowhow. Zusätzlich bieten wir in Kooperation mit den Volkshochschulen weitere Kurse an, beispielsweise Sprachkurse. Nur so können wir Defizite ausgleichen.
Wir sind uns durchaus der Verantwortung bewusst und ich bin mir im Klaren, dass wir noch viel mehr tun müssen. Ein guter Anfang ist sicherlich unsere Teilnahme an der Initiative Joblinge, die benachteiligte Jugendliche auf ihrem Weg in die Arbeitswelt unterstützt.
An einer Kooperation zwischen Wirtschaft und Staat sind wir bei McDonald’s auf jeden Fall interessiert.

Kommentare

  1. Lieber Herr Goebel,
    auch in Deutschland ist es möglich, mit dem Abschluss einer betrieblichen Berufsausbildung (z.B. Fachkraft im Gastgewerbe) einen allgemeingültigen Schulabschluss zu erwerben. Die entsprechende Rechtslage ist (wie schon angesprochen) leider nicht zentral geregelt, weil jedes Bundesland eigene Gesetzte und Verordnungen zu dieser Sachlage hat. Dennoch ist die Voraussetzung (fast) bundesweit einheitlich:
    - Schüler ohne Hauptschulabschluss erwerben mit Bestehen der Abschlussprüfung eines mind. zweijährigen dualen Ausbildungsganges den Hauptschulabschluss
    - Schüler mit Hauptschulabschluss erwerben mit Bestehen der Abschlussprüfung eines mind. zweijährigen dualen Ausbildungsganges den Realschulabschluss, wenn das Berufsschulzeugnis einen Notendurchschnitt von mindestens 3,0 hat UND Fremdsprachenkenntnisse dadurch nachgewiesen sind, dass ein mindestens fünfjähriger Fremdsprachenunterricht in aufeinander folgenden Klassenstufen mit der Note „ausreichend” abgeschlossen wurde.

    Weiterhin kann in vielen Bundesländern durch zusätzlichen Unterricht in der Berufsschule (in den Fächern Mathe, Deutsch, Fremdsprache) und dem Ablegen einer entsprechenden Prüfung mit der Berufsausbildung und einem Realschulabschluss als Eingang die Fachhochschulreife erreicht werden. Diese Option wird aber nur selten von seitens der Schulen angeboten bzw. nachgefragt.

    Das es sich bei diesen Regelungen nicht nur um graue Theorie handelt, zeigt das Beispiel aus dem Pilotprojekt zur Ausbildung der Fachkraft im Gastgewerbe in der Systemgastronomie in der Region Elmshorn. Dort haben gleich mehrere Azubis einen höheren Schulabschluss durch das erfolgreiche Bestehen der Abschlussprüfung erreicht.

    Besonders die beiden erstgenannten Möglichkeiten stellen meines Erachtens einen besonderen Anreiz dar, da keine zusätzliche Leistung erbracht werden muss. Leider sind diese Möglichkeiten zum Erwerb höherer Bildungsabschlüsse zu wenig bekannt. Daher ist es wichtig, diese “Bonbons” bei der Bewerbung der Ausbildungsberufe werbewirksam einzusetzen.

    • Hallo Herr Krödel,
      über die Fakten war ich mir in der Form nicht bewusst. Vielen Dank dafür. Besonders schön finde ich die Umsetzung des Pilotprojekts in Elmshorn. Auf jeden Fall sollten diese Regelungen vom Staat aktiver gefördert werden, denn in Deutschland sind diese Aus- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten – wie Sie ja schon sagten – einfach noch zu unbekannt. Ich finde es durchaus interessant, lassen Sie uns im Gespräch bleiben, ich könnte mir gut vorstellen, dass McDonald’s Teil dieses Projekts werden könnte.
      Herzliche Grüße,
      Wolfgang Goebel.

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