Gastbeitrag von Urs Müller: Authentizität lässt sich nicht kaufen

Nach meinem Urlaub geht es nun wie gewohnt zurück an die Arbeit. Natürlich hat sich Einiges auf meinem Schreibtisch angesammelt, was nun bearbeitet werden muss. In der Zwischenzeit habe ich aber noch einen weiteren Gastbeitrag für Sie, dieses Mal zum Thema „Aufstieg in die Führungsriege“ von Gastautor Urs Müller.

Urs Müller ist Program Director und Head of Practice Group „Consumer Goods and Retail“ an der ESMT European School of Management and Technology in Berlin. Er ist Experte in Sachen Coaching und leitet u.a. das Executive Transition Program, das ausdrücklich auf die Erleichterung des Übergangs vom funktionalen in das General Management zielt. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen Wirtschaftsethik, Strategie und Veränderungsmanagement.
Besonders beeindruckend finde ich seine Gedanken zum Thema unabdingbare Managementeigenschaften. Liegen sie doch etwas abseits von den Althergebrachten. Food for Thoughts!
Ich bedanke mich recht herzlich für seinen interessanten Gastbeitrag und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Seit sechs Jahren gestalte, leite und unterrichte ich an der ESMT European School of Management and Technology Management-Weiterbildungsprogramme. Eines von ihnen ist das ODP-Training (Organization Development Program) für zentral-europäische Führungskräfte von McDonald‘s. Unternehmen, die solche Maßnahmen durchführen, versprechen sich davon einen erleichterten Übergang funktional orientierter Manager und Managerinnen in das Top-Management. Mittlerweile habe ich mehrere hundert Führungskräfte aus verschiedenen Unternehmen und Industrien auf ihren Wegen begleitet. Einige schöne Erfolgsgeschichten sind darunter – so auch bei McDonald’s. Für andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer war der Schritt ins Top-Management zu schwierig. Deshalb stellt sich die Frage, welche Faktoren für den Erfolg ausschlaggebend sind.

Natürlich gibt es einige richtige, anerkannte, traditionelle – aber eben auch ziemlich offensichtliche – Erfolgsbedingungen für die Beförderung ins General Management. Das sind vor allem:
•    funktionale/sachliche Kompetenz
•    strategisches Denkvermögen
•    (erfolgreiche) Entscheidungsfindung
•    Umsetzungsfähigkeit
•    Führungsqualitäten und politische Gewandtheit

All das kann man entwickeln, beziehungsweise fördern: durch Beobachtung, Ausprobieren, Trainings, selbständige Weiterbildung/Lektüre, Coaching etc. Auch meine Programme setzen oft an diesen Hebeln an. Aber das allein reicht nach meiner Erfahrung nicht aus. Von meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern (von McDonald’s und anderen Unternehmen) haben einige den Umstieg ins Top Management erfolgreich gemeistert. Andere sind entweder nie zum Zuge gekommen, oder sind – noch schlimmer – nach der Beförderung gescheitert. Wenn ich daraus eine Lehre ziehe, dann, dass es vier Managereigenschaften gibt, die ich für den Erfolg unabdingbar halte:

Bescheidenheit
Die Zeit der unbeschränkten Vorstands-Egos ist vorbei. Die neue Generation der Unternehmensleiter tritt nicht nur bescheidener und zurückhaltender auf, sie ist es auch. Diese Manager sehen ein, dass der Erfolg einer Führungskraft immer von den Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abhängig ist, denn jeder Zugewinn an neuen Kompetenzen durch eine Beförderung erfordert auch das Loslassen von alten Aktivitäten. Und somit die Fähigkeit zu delegieren und anderen zu vertrauen. Wer zu viel und zu oft mit stolz geschwellter Brust durch die Gänge stolziert, wird schnell allein sein. Wer dagegen über ein gewisses Maß an Bescheidenheit verfügt und die Fähigkeit hat, sich auch selbst als ersetzbar zu betrachten, wird erfolgreicher darin sein, andere für die Mitarbeit am gemeinsamen Ganzen zu gewinnen.

Multi-Stakeholder Management Kompetenz
Mit jeder Beförderung kommt mindestens eine neue Stakeholder-Gruppe zusätzlich in den Fokus. Erst sind es nur Kunden/Lieferanten (etwa im Einkauf oder Verkauf), dann kommen die ersten Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter dazu. Später kommen die Ansprüche der Investoren, Analysten, Gewerkschaften, Politik, Medien, NGOs oder womöglich sogar der Gesellschaft hinzu. Die Erwartungen dieser unterschiedlichen Gruppen widersprechen sich oft. Top Manager müssen diese Widersprüche aushalten und aushandeln können. Sie müssen legitime von unberechtigten Forderungen unterscheiden und notfalls auch schwierige, undankbare Entscheidungen fällen – aber sie werden erfolglos sein, wenn sie die Komplexität der Situation nicht erkennen.

Integrität
Jeder Karriereschritt nach oben gibt mehr Spiel- und Gestaltungsraum. Die neuen Möglichkeiten gehen mit wachsender Unklarheit und fehlender Orientierung einher. Für die Unternehmen können die Konsequenzen von Fehlentscheidungen immer gravierender werden. Ohne nachhaltige und von Werten geleitete Orientierungsraster sind bereits viele ehemals vorzügliche Unternehmen schleichend in den Abgrund gerutscht. Eine vernünftige Unternehmensleitung achtet daher darauf, dass die kommende Management-Garde nicht nur Wertorientierung im Sinn von Shareholder-value Denken beherrscht, sondern auch Werte-Orientierung im Sinne von persönlicher und moralischer Integrität besitzt.

Authentizität
Die Logik des Nach-oben-Wollens, der Drang immer weiter befördert zu werden, führt leider regelmäßig Personen in Positionen, in denen sie immer weniger authentisch sein können, sondern sich nach (vermeintlichen) Rollenerwartungen ausrichten. Aber es ist wichtig zu wissen, was einen persönlich antreibt: Wie will man als Mensch in der Führungsrolle sein? Das schließt die Fähigkeit ein, die eigenen Schwächen zu erkennen und kritikfähig zu sein. Das bedeutet aber auch, die eigenen Stärken für den Erfolg einzusetzen und auf diese stolz zu sein.

Authentisch sein, kann aber auch bedeuten, auf den Wunsch zu verzichten, überhaupt Teil des Top-Management zu werden. Eventuell ist man als Experte oder im mittleren Management viel glücklicher und erfolgreicher (und damit wahrscheinlich auch für das Unternehmen wertvoller). Eine wesentliche Aufgabe gelungener Personalentwicklung ist es daher, die Entwicklungspläne auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche auszurichten – und nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einen uniformen Karrierepfad vorzubereiten, der immer weiter „nach oben“ geht.

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