Wie sexy ist Datenschutz?
Gastbeitrag von meinem Kollegen Marcus Lettschulte.
Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass ich mich in meinem Leben irgendwann für das Thema Datenschutz verantwortlich zeigen werde.
Am Anfang war es nicht mein Lieblingsthema und ich musste mich schon sehr disziplinieren hier souverän aufzutreten. Heutzutage freue ich mich auf die regelmäßigen Updates, die ich zu diesem Thema bekomme. Dies liegt im Wesentlichen an unserem professionellen Datenschutzteam mit Marcus Lettschulte, der einen Gastbeitrag für meinen Blog vorbereitet hat. Lesen Sie selbst:
„McDonald’s und Datenschutz?“ „Wir sind doch kein Online-Händler oder eine Bank mit sensiblen Kundendaten – wir verkaufen doch nur Burger und Pommes.“ „Puh, schon wieder so ein Mode-Thema, das uns nur Arbeit macht und keinen Nutzen bringt.“
Dies waren typische Reaktionen als ich Mitte 2010 zum Datenschutzbeauftragten bei McDonald’s Deutschland bestellt wurde. Wolfgang Goebel hatte mich gebeten, diese Aufgabe zusätzlich zu meiner Tätigkeit als stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung zu übernehmen.
Warum? Natürlich wurde das Thema Datenschutz bei McDonald’s auch zuvor schon ernstgenommen und natürlich gab es auch zuvor schon einen Datenschutzbeauftragten. Aber, wie bei vielen anderen Dingen ebenso, wollten wir uns auch hier an dem Motto messen lassen: Nichts, was man nicht noch besser machen kann – oder heutzutage sogar besser machen muss. Die Welt hat sich (vor allem technisch) radikal geändert seit Inkrafttreten des guten alten Bundesdatenschutzgesetzes in den 70er Jahren. Egal, ob man es nun Verunsicherung oder einfach nur Sensibilisierung nennen möchte, jedenfalls hat der Datenschutz auch in der öffentlichen Aufmerksamkeit einen völlig anderen Stellenwert als noch vor wenigen Jahren. Mit nahezu atemberaubender Geschwindigkeit haben sich neue Mediengewohnheiten entwickelt. Das (sog.) Social Web ist hier sicherlich derzeit das aktuellste und am heißesten diskutierte Thema – würde es sich bei den Mitgliedern um Einwohner handeln, wäre Facebook das drittgrößte Land der Erde. Dies bringt natürlich auch datenschutzrechtliche Herausforderungen mit sich. Die aktuelle Diskussion um den „Facebook Like-Button“ ist dabei nur ein Beispiel unter vielen. Es ist allerdings richtig und wichtig, dass diese Diskussionen geführt werden, da den Usern nur so deutlich vor Augen geführt werden kann, was sich hinter der einen oder anderen Funktionalität möglicherweise tatsächlich verbirgt. Nämlich erst dann, wenn ein User aktiv weiß, was wirklich passiert, kann er für sich entscheiden, ob er die Angebote trotzdem weiter wahrnehmen möchte oder nicht. Wie er sich dann entscheidet, ist individuelle Geschmackssache und Ausdruck der Selbstbestimmung; wichtig ist nur, dass es immer eine bewusste, aufgeklärte und freiwillige Entscheidung ist – und es liegt an den Unternehmen, hierfür eine transparente und absolut ehrliche Entscheidungsgrundlage zu schaffen.
Ehrlichkeit und Authentizität gehören bei McDonald’s zu den unabdingbaren Grundpfeilern – trotzdem war es eine besondere Herausforderung, eine „echte“ und nachhaltige Akzeptanz für das Thema Datenschutz zu schaffen. Anders als bei Optimierungen in der Küche, schönen neuen Restaurantdesgins oder attraktiven neuen Marketing-Promotions, erschien das Thema Datenschutz vielen zunächst eher „uncool“.
Nachdem ich eine junge Syndikusanwältin in Vollzeit für die Unterstützung im Bereich Datenschutz gewinnen konnte, starteten wir gemeinsam mit der Arbeit oder, wie man heute so schön sagt, dem „Relaunch“. Selbstverständlich gibt es auch bei McDonald’s zahlreiche Datenschutz-Themen. Im Mittelpunkt stehen hier sicherlich zunächst die persönlichen Daten unserer Mitarbeiter. Aber auch mit den Daten unserer Gäste muss transparent, korrekt und verantwortungsvoll umgegangen werden. Als Beispiele seien hier nur die vermehrte Akzeptanz bargeldloser Zahlungsmittel oder unser „Junior Club“ genannt, immerhin einer der größten Clubs dieser Art in Europa. Für sämtliche dieser Bereiche konnten wir Wolfgang Goebel relativ rasch bestätigen, dass alles im „grünen Bereich“ ist.
Als großer Franchise-Geber hatten wir von Anfang an auch unsere Franchise-Nehmer, die ihre Restaurants ja als selbständige Unternehmer betreiben, im Auge. Ein echter Verkaufsschlager war hier ein völlig neues Schulungskonzept („My Datenschutzbeauftragter“), das wir individuell für das McDonald‘s System „erfunden“ haben. In diesen Schulungen werden qualifizierte Mitarbeiter von Franchise-Nehmern zu deren internen Datenschutzbeauftragten ausgebildet. Wir haben bei der Entwicklung dieses Konzeptes streng darauf geachtet, dass die Inhalte pragmatisch und in der Praxis unmittelbar verwertbar sind. Ohne einen solchen Pragmatismus wird es in der Realität nämlich nie gelingen, einen wirksamen Datenschutz auch wirklich in die Fläche und an den Mann zu bringen. Komplexe Lösungen mögen akademisch zwar manchmal wertvoller sein, leiden aber oft darunter, dass sie im wirklichen Leben von niemandem vernünftig berücksichtigt werden (können).
Mehr (Überzeugungs-)Arbeit hatten wir dagegen beim Thema „Videoüberwachung“ zu leisten. Auch wenn nur einige unserer Restaurants überhaupt Videoanlagen einsetzen (um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten), so haben wir doch Anlass gesehen, unsere Spielregeln für den Einsatz von Videotechnik zu aktualisieren und hier und da auch enger als bisher zu fassen. Dies hat nicht nur Stürme der Begeisterung hervorgerufen. Meine Kollegin und ich haben deshalb viele Tage und Stunden damit verbracht, in Präsentationen und vor allem Einzelgesprächen Werbung für die neue „Video-Policy“ zu machen.
Von Beginn an war die größte Herausforderung für uns, ein Problembewusstsein und eine innere Akzeptanz für das Thema Datenschutz zu schaffen – sowohl bei unseren eigenen Mitarbeitern als auch bei unseren Franchise-Nehmern. Datenschutz kann nur aus Überzeugung gelebt werden – alles andere ist ein Lippenbekenntnis, das sich früher oder später auch als solches entpuppen wird. Genau dieses „Sich-in-die-Tasche-lügen“ wollten Wolfgang Goebel und ich uns aber nie erlauben. Ja, es braucht eine gewisse Geduld. Nein, es gelingt nicht immer auf Anhieb. Aber am Ende des Tages sind wir doch ein wenig stolz darauf, dass wir glauben, viele Leute tatsächlich davon überzeugt zu haben, dass Datenschutz kein Störfaktor für einen erfolgreichen Restaurantbetrieb ist. Im Gegenteil; der verantwortungsvolle Umgang mit persönlichen Daten wird mehr und mehr zu einem Wettbewerbsfaktor. Gäste und Kunden werden sich zukünftig verstärkt diejenigen Unternehmen heraussuchen, denen sie vertrauen. Und zum Vertrauen gehört bei McDonald’s neben exzellenten Speisen und Getränken eben auch ein transparenter und ehrlicher Umgang mit persönlichen Daten.
Und sobald man dies begriffen hat, wird der vermeintlich unattraktive Datenschutz plötzlich sexy.
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