Musik_Washington - A New Order Rising

Norwegian Mood

Melancholie muß keine reine Winterangelegenheit sein: Vorhänge zuziehen, Kerzen anzünden, Rotwein einschenken und dieses Album hören. Der Tag wird so zur nordlichterhellten Nacht.    03.08.2005

Wer sich das urbane Norwegen vor das geistige Auge holt, denkt kaum weiter als bis nach Oslo oder Bergen. Tromsö liegt zu nördlich, um sich aufzudrängen und läßt bei einer Einwohnerzahl, die nur knapp die 50.000 überragt, nicht unbedingt eine lebhafte Metropole vermuten. Fuchs und Hase werden hier abseits der Nebenverkehrsader wortkarg. Die Gute-Nachtwunsch-Pauschale reicht im Winter für ein halbes Jahr, denn im mitternachtssonnigen Sommer ist ohnehin nicht an Schlaf zu denken. Der Wechsel von Licht und Schatten hinterläßt Spuren in jungen Musikerseelen. Washington zeigen sich auf ihrem Albumdebüt melancholisch angeschlagen. Sänger und Gitarrist Rune Simonsen an der Gitarre, Drummer Esko Pedersen und Bassist Andreas Hoyer holten sich für "A New Order Rising" den Motorpsycho-Produzenten Lars Lien ins Studio. Motorpsycho selbst waren ja auch noch nie entwicklungsgehemmt. Die Stufe jener kraftvollen Trübsinnigkeit, die sich durch die neun Stücke des Tromsöer Trios zieht, haben sie allerdings bislang übersprungen. Vielleicht auch einfach nur deshalb, weil sie auf diesem Absatz in Norwegen keinen Platz mehr gefunden haben. Ob Madrugada, die seligen Midnight Choir oder Minor Majority – sie alle machen sich mit Vorliebe das Herz schwer. Eine weitere Gemeinsamkeit dieser Bands ist die Ausdrucksstärke ihrer Sänger. Rune Simonsen bildet da keine Ausnahme. Der Songschreiber hat seine eigene Färbung geprägt, die immer wieder die Mitte zwischen vertrauensvoller Wärme und überlegener Coolness auspendelt. Präzise am Taupunkt singend, bringt Simonsen wenn schon nicht das Blut in Wallung, so doch das Wasser ins Fließen. Bei "River Run By Night" liest sich der Vorwärtstrieb der Melodien vom Titel ab. Auch wirkt der bereits mit Jeff Buckley und Thom Yorke verglichene Norweger des öfteren so, als stünde er kurz vorm Tränenschub, ohne dabei allerdings unangenehm ins Weinerliche zu verfallen. Dem Hörer bleibt viel Zeit, um es ihm gleichzutun und die Gefühle an die Oberfläche zu holen. Bevor man es bemerkt, hat sich "Black Wine" auf acht Minuten aufgerollt, ohne jeglicher Behäbigkeit und Aufkommen von Langeweile. "Landslide" begnügt sich mit der halben Spieldauer, um die besten Momente Coldplays, die die Band noch nicht gehabt hat, einzufangen. Chris Martin sollte sich daran getrost ein Beispiel nehmen.

Bernadette Karner

Washington - A New Order Rising

ØØØØ


Glitterhouse (Norwegen 2004)

 

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