Print_James Sallis - Cypress Grove

Neues von der Noir-Front

Erstaunlich optimistisch gibt sich dieser neue Roman rund um den vorsätzlich gestrandeten Ex-Cop Turner.    17.02.2004

Eigentlich ist es ja eine Schande, daß man als Liebhaber anspruchsvoller Kriminalliteratur fernab des üblichen Whodunit unter deutschsprachigen Veröffentlichungen nur selten fündig wird. Echte Noir-Fans sind daher oft gezwungen, zum Original zu greifen - und werden sich sehr über die Taschenbuchveröffentlichung von James Sallis "Cypress Grove" freuen.

Erzählt wird die Geschichte Turners, eines Ex-Psychotherapeuten, Ex-Cops und Ex-Sträflings. Statt wie im Noir-Roman oftmals üblich, stolpert Turner nicht zufällig in irgendein gottverlassenes Kaff, wo ihm dann ein Netz aus Lug, Betrug und infernaler Kleinstadtidylle offeriert wird, sondern zieht sich vielmehr in das kleine Provinzkaff Cypress Grove zurück, um seine Vergangenheit und den Menschen, der er einst war, hinter sich zu lassen. Als der gemächliche und in solchen Dingen unerfahrene Sheriff des Örtchens jedoch mit einem Mordfall konfrontiert wird (John Doe gepfählt und scheinbar als gekreuzigte Vogelscheuche aufgebaut), bittet er den Außenseiter um Hilfe. Während Turner in seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz gräbt, um des Rätsels Lösung schneller zu finden, gewinnt er nicht nur neue Freunde, sondern muß sich letztlich auch seiner Vergangenheit und damit sich selbst stellen. Was das alles mit filmischer Trash-Kultur und Schundromanen zu tun hat, finden Sie am besten selbst heraus!

Sallis, der dank Martin Compart auch hierzulande kein Unbekannter mehr ist (seine Romane "Nachtfalter", "Die langbeinige Fliege" und "Deine Augen hat der Tod" wurden seinerzeit in der exquisiten Reihe DuMont Noir veröffentlicht) gelingt es wieder einmal, den Leser mit "Cypress Grove" vom Anfang bis zum Schluß festzunageln. Wo man bei anderen Büchern getrost eine Pause zwischen den Kapiteln einlegen kann, sorgt Sallis dank kleiner Story-Widerhaken dafür, daß man das Buch einfach nicht aus der Hand legen möchte. Rücklenden und Hintergrundgeschichte sind dabei so geschickt in die Handlung eingewoben, daß stets zur richtigen Zeit genau das richtige Maß an Information preisgegeben wird und man nicht weiß, worauf man mehr gespannt sein soll: auf den Fortgang der eigentlichen Geschichte oder aber die weitere Aufdeckung von Turners Vergangenheit. Kurzum: ein herrliches Buch!

 

Jürgen Fichtinger

James Sallis - Cypress Grove

ØØØØØ


No Exit Press (Harpenden 2003)

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