Print_Print-Tips 1/2009

Sherlock in Mayerling

Jäger und Gejagte im Weltraum, ernährungsbewußtlose Wiener und solide Krimikost aus Österreich: Wir präsentieren unsere ersten Leseempfehlungen des Jahres 2009. Da packt Mr. Holmes gleich die Fiedel aus ...    05.02.2009

Thomas Fröhlich & Jürgen Fichtinger

Cem Melou - Toxische Killer

ØØØØ

(Pendragon Verlag)

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Ist Ihnen sicher auch schon aufgefallen: Die Bevölkerung läßt sich heute grob in zwei Gruppen unterteilen. Da sind die Modebulimiker, die sich auf Britney-Spears-Verhältnisse runterpimpen lassen - und dann gibt´s noch die Generation Ronald McDonald, die dank einer Ernährungsweise, die diesen Namen nicht verdient, unglaubliche Breitenwirkung entfaltet.

"Toxische Killer" geht noch einen Schritt weiter. Im Wien der nahen Zukunft hat der Anteil an Übergewichtigen in der Bevölkerung die Ausmaße einer Epidemie erreicht. Der Konzern NDFIC reichert zu allem Unglück seine Lebensmittel noch mit verbotenen, süchtigmachenden Substanzen an. Eine Mitarbeiterin der Firma kommt dahinter und wird ermordet. Und sie ist beileibe (sic!) nicht das einzige Opfer, als Kommissar Deckardt seine Ermittlungen aufnimmt.

Autor Cem Melou ist Ernährungswissenschaftler, und "Toxische Killer" ist sein Debütroman, in den er sein nicht eben geringes Wissen bezüglich Nahrung und Stoffwechsel einfließen läßt. Mag die Story an sich auch etwas rumpelig erzählt sein (und die Dialoge oft unfreiwillig komisch) - manche Szenen haben´s in sich und sollten nicht vor dem Essen gelesen werden. Da beginnt Melou nämlich detailfreudigst, aus "Sicht" der in den menschlichen Körper eindringenden Substanzen zu schreiben. Und das - vor allem, wenn es sich um hochtoxische Stoffe handelt - läßt jeden Appetit garantiert schrumpfen. Ein Killerduo, das seine Opfer auf perfide Weise vergiftet, sorgt unter anderem für den nötigen Thrill, zumal wir vom Autor wirklich alle Stadien des Vergiftetwerdens anschaulich serviert bekommen. Daß es im Hintergrund wieder einmal um die dreckigen Machenschaften eines Nahrungsmittel- beziehungsweise Pharmakonzerns geht, ist nichts, was man nicht schon aus ähnlich gelagerten Sujets (oder der Realpolitik der ehemaligen Kohleunion EU) kennt - aber so stimmig hat man das wohl selten gelesen. Melou hat auch einige empfehlenswerte Sachbücher zum Thema verfaßt; wenn Sie aber vorhaben, sich der schönen und geheimnisvollen Welt des Verdauens per Edutainment zu nähern, sei Ihnen "Toxische Killer" wärmstens empfohlen.

Retten Sie also ein Tier und lesen Sie dieses Buch! Nur für allfällige daraus resultierende Hungerphasen übernehmen wir keine Verantwortung.

Mahlzeit!

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Henry Gilroy, Jerry Prosser u. a. - Aliens 3

ØØØ 1/2

(Cross Cult)

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Obwohl Sigourney Weaver in den vergangenen Wochen immer wieder über ihre Ideen für "Alien V" plauderte, gibt es diesbezüglich nach wie vor nichts Neues aus Hollywood. Auch an der "Aliens vs. Predator"-Front bleibt es still; schuld daran ist nicht zuletzt der miserable zweite Teil der Filmreihe. Zum Glück können Freunde der säurehaltigen und hundsgemeinen Giger-Kreaturen zur Überbrückung auf die Comics zurückgreifen. Seit geraumer Zeit veröffentlicht Cross Cult die ursprünglich bei Dark Horse erschienene Serie in deutscher Sprache und wie gewohnt als edle Hardcover-Ausgaben. Im derzeit aktuellen dritten Band der Reihe gibt es gleich drei längere Stories zu genießen: In "Mondo Pest" und Mondo Heat" entsendet Autor Henry Gilroy einen galaktischen Kammerjäger, der für die legendären Killer nicht viel übrig hat und sie en passant in den Alien-Himmel befördert. Dabei wirkt der Exterminator nicht selten, als hätte man ihn direkt aus dem wunderbaren "Heavy Metal"-Universum eingeflogen. "Das Nest" aus der Feder von Kelley Jones liefert uns hingegen ein paar ernsthafte Wissenschaftler, die das Gelee Royale der Alien-Queen geschickt für ihre eigenen Ziele einsetzen und auch gleich noch ein künstliches Alien geschaffen haben. Daß die Zukunft solcher Herrschaften jedoch meist eingeweiderosa aussieht, weiß man nicht erst seit "Alien: Resurrection". Band eins und zwei versammeln übrigens Stories aus der Feder geschätzter Autoren wie Mike Mignola ("Hellboy"). Guter Stoff.

Links:

Gerhard Tötschinger - Sherlock Holmes und das Geheimnis von Mayerling

ØØØ 1/2

(Amalthea)

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Was geschah wirklich mit Kronprinz Rudolf in jener Nacht vom 29. auf den 30. Jänner 1889 auf Schloß Mayerling? Und was haben Sherlock Holmes und sein ständiger Begleiter Dr. Watson damit zu tun?

Gut, der Reihe nach: Im besagten Jahr reist der allseits bekannte Holmes-Spezi nämlich - vorerst allein - nach Feldkirch, um dort einem Klassentreffen beizuwohnen. Ehe er sich´s versieht, gerät er allerdings in einen Strudel aus Hinterhalt und Gewalt, der ihn in die Kaiserstadt Wien führt, wo ihm Sherlock Holmes buchstäblich in letzter Sekunde das Leben rettet. Der berühmte Detektiv, der eigentlich nur einen Geigenbauer treffen wollte (das Geigenspiel gehört ja neben dem Kokainkonsum zu seinen Steckenpferden), nimmt gemeinsam mit Watson die Spur einer gigantischen Intrige deutschnationaler Verschwörer und italienischer Anarchisten auf, die in der Ermordung einer hochgestellten Person des österreichischen Hofes münden soll.

Was hier in der Inhaltsangabe ein wenig angestaubt klingen mag, entpuppt sich als zum Teil ziemlich clevere Historienphantasie, die Verschwörungstheoretikern das Herz höher schlagen lassen müßte. Zudem erweist Gerhard Tötschinger in seinem "Geheimnis von Mayerling" dem klassischen Holmes-Kanon alle Ehre, indem er die übernommenen Figuren streng "according to Conan Doyle" agieren läßt. Auch die Versetzung des detektivischen Duos ins alte Wien bleibt glaubwürdig, in Sachen geschichtlich und atmosphärisch abgesicherten Lokalkolorits macht Tötschinger sowieso keiner was vor. Die Crux liegt eher beim Erzählerischen. Tötschinger ist definitiv kein begnadeter Geschichtenschreiber; ein Spannungsbogen ist de facto nicht vorhanden. Und ein sich offensichtlich im Tiefschlaf befindliches (oder überhaupt nicht vorhandenes) Lektorat ließ zu allem Überdruß inhaltliche Redundanzen und formal schiefe Sätze einfach kampflos stehen.

Daß das Buch dennoch eine Empfehlung darstellt, liegt an Tötschingers Liebe zum (historischen) Detail, seiner wunderbaren Schilderung einer glamourösen und zugleich faulenden Stadt an der Zeitenwende und der daraus resultierenden "Was-wäre-wenn"-Auflösung des Rätsels Mayerling, die - wenn man sie näher betrachtet - plötzlich gar nicht mehr so abwegig scheint.

Außerdem paßt "Sherlock Holmes und das Geheimnis von Mayerling" perfekt ins Jahr 2009, in dem wir ja neben dem 110-Jahre-Jubiläum der "Tragödie von Mayerling" auch den 150. Geburtstag des Holmes-Schöpfers Conan Doyle feiern dürfen.

Links:

Andreas Gruber - Die Engelsmühle

ØØØØ 1/2

(Festa)

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Erzählerisch ist der der Horror- und Thriller-Autor Andreas Gruber das genaue Gegenteil von obgenanntem Gerhard Tötschinger. Als einer der wenigen erfolgreichen Genreautoren Österreichs weiß Gruber nämlich, wie man die Spannungsschraube anzieht und nach den ersten zerbissenen Fingernägeln noch eins draufsetzt. "Die Engelsmühle" ist - nach "Schwarze Dame" - Grubers zweiter Krimi um den privaten Versicherungsdetektiv Peter Hogart. Zur Story: Der pensionierte Rückenmarksspezialist Abel Ostrovsky wird in seiner Villa am Stadtrand Wiens brutal gefoltert und ermordet. Vor seinem Tod konnte er noch ein Videoband verstecken. Auf der Suche nach diesem Film zieht der Killer eine ziemlich blutige Spur durch die Stadt. Peter Hogart, der zur Zeit mit einem völlig anderen Fall beauftragt ist, findet zufällig das Video und wird so selbst zur Zielscheibe. Allerdings ist auf dem Film nur eine neunminütige Schwarzweißsequenz zu sehen - der schäbige Raum eines Krankenhauses, durch den eine Frau im Rollstuhl fährt. Die Spur führt Hogart unter anderem zu einer ziemlich exzentrischen Malerin, die ein wenig außerhalb Wiens wohnt, nämlich in der titelgebenden "Engelsmühle"...

Wieder einmal spielt (neben dem Videoband) ein Horrorfilm eine zentrale Rolle bei der Aufklärung des Falles. War es in "Schwarze Dame" noch Paul Wegeners Stummfilmklassiker "Der Golem", so gibt´s diesmal eine hübsche Reminiszenz an Tod Brownings "Freaks". Stimmige Schilderungen des Ambiente (ob es sich um eine unterirdische Kunstgalerie, den Wiener Narrenturm oder eine alte Mühle im Wienerwald handelt) sind bei Gruber sowieso selbstverständlich - und was den Ermittler Hogart betrifft, so erhielt dessen Charakter vom Autor diesmal ein paar charmante Kanten verabreicht, ohne in das heutzutage von 95 Prozent der Krimiautoren bis zum Erbrechen strapazierte Klischee des gebrochenen Helden zu kippen. Trotz einiger recht harter Szenen, die eher an einen der "Saw"-Teile als an Agatha Christie erinnern, haben wir es bei "Die Engelsmühle" mit einem klassischen und wohl durchdachten Whodunit zu tun. Einzig der Showdown kommt ein wenig forciert daher; da wäre weniger Gewitter (im wahrsten Sinne des Wortes) mehr gewesen.

Was aber dem Thrill keinen nennenswerten Abbruch tut und eigentlich nur eine Frage offen läßt: Wann kommt der nächste Hogart?

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