Streit um Leistungsschutzrecht : Das zahlt niemand aus der Portokasse
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Will seinen Autoren kein natürlicher Feind sein: Jörg Sundermeier, Verleger des „Verbrecher“-Verlags. Bild: Felix Schmitt
Wir sind doch keine Parasiten: Warum das BGH-Urteil zum Leistungsschutzrecht ein Fehler ist, der die Verlage teuer zu stehen kommt. Gastbeitrag eines Verlegers.
Nun ist ein weiterer Baustein aus dem Fundament unserer Literaturlandschaft entfernt. Am Donnerstag hat der Bundesgerichtshof über die Frage entschieden, ob die Verwertungsgesellschaft Wort jene Gelder, die aus der Bibliotheks- und Kopiergerätenutzung von Büchern gewonnen werden, gleichermaßen an Verlage und Autoren ausschütten darf.
Diese Praxis wurde auf Versammlungen der VG Wort übrigens gemeinsam von Autoren und Verlagen beschlossen. Doch die schönen Tage sind vorbei. Der BGH urteilte: „Den Verlegern stehen nach dem Urheberrechtsgesetz keine eigenen Rechte oder Ansprüche zu, die von der VG Wort wahrgenommen werden könnten. Verleger sind – von den im Streitfall nicht in Rede stehenden Presseverlegern abgesehen – nicht Inhaber eines Leistungsschutzrechts. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche für die Nutzung verlegter Werke stehen kraft Gesetzes originär den Urhebern zu.“
Müssen Verlage alles zurückzahlen?
Was das bedeutet, ist abzusehen. Schon seit 2012 weist die VG Wort die an der Ausschüttung teilnehmenden Verlage darauf hin, dass die ausgezahlten Gelder eventuell zurückgezahlt werden müssten. Der Verleger Christoph Links, dem im März auf der Leipziger Buchmesse der Kurt-Wolff-Preis verliehen wurde, sagte in seiner Dankesrede, dass er gut fünfzigtausend Euro zurückzahlen müsse, da ja die Verwertungsgesellschaft Bild/Kunst auch ihrerseits die Ausschüttung an die Verlage zurückfordern müsse. Bei meinem Verlag geht es immerhin um knapp fünfundzwanzigtausend Euro, bei großen Verlagen dann gleich um siebenstellige Beträge. Das zahlt niemand aus der Portokasse.
Das Leistungsschutzrecht, das der BGH anmahnte und das Buchverlage bislang immer abgelehnt haben, ist für dieses Problem keine Lösung. Gerade im Bereich der schönen Literatur wäre es schädlich, würden die Leistungen der Verlage explizit herausgestellt, um sie abrechenbar zu machen – möchte denn wirklich irgendjemand wissen, welche Fehler in Büchern von Thomas Mann oder Irmgard Keun nun von welchem Lektor getilgt wurden? Sollte außerhalb der Archive und der Wissenschaft bekanntgemacht werden, dass ein mitreißender Roman ohne die detaillierte Kritik einer Verlegerin nur ein langweiliges Unwerk gewesen wäre? Ist es hilfreich, verhandelte man öffentlich, wessen Bücher Verlage verhindert haben, weil sie einfach schlecht waren? Soll man die Wirkung der Gestaltung betonen?
Das schadet der Aura des Autors, und es hilft der Literatur nicht – trennte sich der Autor vom Verlag, müsste ein Roman eventuell neu lektoriert werden, sofern sich die Verlage nicht auf eine Übernahme des Lektorats einigen könnten. Nein, ein Leistungsschutzrecht käme auch den Verlagen nicht zugute, es untermauerte lediglich ihre Ansprüche, an der Verwertung eines Buches zu partizipieren.
Der Autor als unmündiges Opfer
Nun meinen einige Urheberverbände, dass es Autoren extrem hilft, wenn die Ausschüttung der VG Wort allein ihnen zugutekommt. Ist dem wirklich so? Mir scheint ein anderes Bild vorzuherrschen. Es suggeriert, dass Verlage, einem Parasiten gleich, nur Nutznießer der kreativen Arbeit sind. Tatsächlich gibt es, wie in jeder Branche, auch im Verlagswesen schwarze Schafe. Doch sie sind die Ausnahme.
Und die meisten Verleger werden nicht reich – wer je ein Buch kalkuliert hat, weiß, dass man mit einem Bruchteil des Ladenpreises alles bezahlen muss: die Druckkosten, das Büro, das Lager, die Löhne, die Steuer. Und nicht zuletzt die Honorare der Urheber. Vor allem aber wird neuerdings die Partnerschaft zwischen Autor und Lektorat, Herstellung, Marketing, kurzum dem Verlag grundsätzlich hinterfragt. Der Autor gilt als unmündiges Opfer, der Verlag als ebenso unmündiger Täter, beide müssen beschützt werden, auf Gesetzesbasis – dieses Bild hat auch den inzwischen wieder zurückgezogenen ersten Entwurf zum neuen Urhebervertragsrecht geprägt.
Man unterstellt beiden Seiten mangelnde Freiheit, in Vertragsdingen und ja, auch in der Liebe zur Literatur. Doch das ist Unfug. Wer die Freiheit der Kunst verteidigen will, sollte nicht immer nach Gesetzen rufen, wenn Vertragsverhandlungen zwischen Autor und Verlag anstehen. Beide sind natürliche Freunde, keine Feinde.