Bücherverbrennung 1933 : In Dresden wurde der Anfang gemacht
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SA-Männer verbrennen unter dem Schutz der Polizei Akten und Bücher aus dem Gebäude der „Dresdner Volkszeitung“ und des Verlages Kaden & Co. am Wettiner Platz in Dresden. Bild: Foto SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Martin Würker
Am 10. Mai jährt sich zum achtzigsten Mal die Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz. Doch die Werke vom NS-Regime verfemter Autoren brannten schon früher, zum Beispiel am 7.März in Dresden. Und auch dort keineswegs „spontan“.
Die Dresdner hatten es nach Hitlers „Machtergreifung“ eilig, trotz aller Bildung, aller Kultur dieser Stadt. Schon fünf Wochen danach und zwei Tage nach der allen rechtsstaatlichen Maßstäben hohnsprechenden Reichstagswahl vom 5. März 1933 loderten Flammen einer „spontan“ inszenierten Bücherverbrennung: am 7. März vor der Volksbuchhandlung an der Großen Meißner Straße, dann wieder am 8. März am Wettiner Platz. Ein zeitgenössisches Foto dokumentiert, dass bewaffnete Polizisten sich offensichtlich schützend vor das Autodafé stellten und zuließen, dass ein SA-Trupp Stapel aufgeschichteter Bücher aus den Beständen der Volksbuchhandlung und aus dem Verlagshaus der sozialdemokratischen „Dresdner Volkszeitung“ anzündeten.
Das hätte sich noch abtun lassen als Handeln eines nationalistisch radikalisierten Mobs, der sich auf der Gewinnerseite ein besseres Auskommen versprach. Doch reagierten - von rühmlichen Ausnahmen abgesehen - auch die maßgeblichen Eliten der Stadt nicht anders. Sie waren sehr schnell auf den Zug aufgesprungen und vollzogen den Zivilisationsbruch.
„Bekämpfung des Schmutzes“
Die renommierte Dresdner Technische Hochschule war dabei keine Ausnahme. Bereits vor der Machtübertragung hatte der NS-Studentenbund bei freien Wahlen die Mehrheit im studentischen Parlament errungen, maßgebliche Dresdner Professoren hatten sich neben Hochschullehrern anderer deutscher Universitäten und Hochschulen bereits Ende Juli 1932 für Hitler und seine NSDAP ausgesprochen. Die Aktivitäten der NS-Studentenbundführung in München fielen auf fruchtbaren Boden. Am 1. April 1933 veröffentlichte der Vorstand der Dresdner Studentenschaft gemeinsam mit dem örtlichen NS-Studentenbund einen Aufruf, in dem allen Juden der Zutritt zum Studentenhaus verwehrt wurde. Zwei Wochen später erschien ein weiterer Aufruf in der Presse, in dem für den 12. April bis 10. Mai 1933 ein „Aufklärungsfeldzug wider den undeutschen Geist“ angekündigt und „12 Thesen wider den undeutschen Geist“ publik gemacht wurden. Die auflagenstarken „Dresdner Neuesten Nachrichten“ leisteten Schützenhilfe.
Ende April 1933 informierte die Dresdner Studentenschaft ihre Berliner Führung vom Abschluss der Plakatierung und von vorbereiteten hetzerischen Pressebeiträgen, mit denen die studentische Bücherverbrennung als Höhepunkt des „Aufklärungsfeldzuges“ angekündigt wurde. In sogenannten Bücherberatungs- und Sammelstellen wurden Bücher „begutachtet“ - nach vorliegenden „schwarzen Listen“, wobei beispielsweise die Sächsische Landesbibliothek, Dresdner Leih- und Schulbibliotheken und das Studentenhaus als Anlaufstellen fungierten. Aus eigener Initiative hatten die Dresdner Akteure den Rundfunk in die Kampagne einbezogen. Eine Verordnung des sächsischen Justizministeriums unter Otto Thierack von Anfang Mai 1933 legitimierte „Die Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild“, die im dringenden Interesse „der sittlichen Erneuerung des deutschen Volkes“ liege.
Opfer der Flammen
Unter dieser lauten Begleitmusik nahm am 4. Mai 1933 eine Abordnung der Studentenschaft der TH Dresden in der überfüllten Aula des Hauptgebäudes das nationalsozialistische Studentenrecht aus den Händen des Rektors Oskar Reuther (1880 bis 1954), eines renommierten Bauhistorikers, entgegen. Danach waren Studenten jüdischer Herkunft von der verfassten Studentenschaft ausgeschlossen. Im Anschluss daran versammelten sich die Studenten und Professoren zur Einweihung eines „Schandpfahls“ zur Schaustellung der Namen derjenigen, „die in Dresden gegen das nationale Gewissen verstoßen und nicht mehr wert sind, geachtet zu werden“. Als Erster wurde an jenem Tag der angesehene Physiker Harry Dember (1882 bis 1943) denunziert, was auch Victor Klemperer in seinen Tagebüchern vermerkte. Dember emigrierte in die Türkei und die Vereinigten Staaten, wo er seine Lehrtätigkeit fortsetzte.