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Im Gespräch mit Elisabeth Edl : Warum kennen wir Flaubert noch nicht, Frau Edl?

  • Aktualisiert am

Mit den Klassikern so vertraut wie mit zeitgenössischen Autoren: Elisabeth Edl Bild: Burkhard Neie

Hohes Lob ist Elisabeth Edl als Übersetzerin und Herausgeberin längst gewohnt. Nun hat sie die „Madame Bovary“ von Gustave Flaubert neu übersetzt.

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          Bei welchem französischen Autor reifte zum ersten Mal der Gedanke bei Ihnen, sich auf das Exerzitium des Übersetzens einzulassen?

          Zuerst waren da Simone Weil, Julien Gracq und natürlich der unvergleichliche Julien Green, auch eine Liebe fürs Leben. Ich habe ja sehr lange in Frankreich gelebt und an der Universität unterrichtet. Da kam irgendwann fast zwangsläufig der Wunsch, zu übersetzen, denn es gibt keinen schöneren Weg, die Liebe zur Sprache mit der Liebe zur Literatur zusammenzubringen. Stellen Sie sich vor: Sie können Ihre Lieblingsbücher sozusagen selbst noch einmal schreiben. Ein wunderbarer Beruf. Und ich hatte dann das unglaubliche Glück, von Anfang an nur an ganz großen Autoren arbeiten zu können und an Büchern, die mir wirklich etwas bedeuten.

          Mit dem 20. Jahrhundert haben Sie begonnen. Dann kam die Arbeit an neuen Ausgaben von Stendhal, zuerst „Rot und Schwarz“, dann „Die Kartause von Parma“. Der Verdacht lag nahe: Da ist jemand in den Zirkel der Stendhalianer eingetreten, aus dem erfahrungsgemäß so leicht kein Entkommen ist. Doch Sie rissen sich los zu Gunsten Flauberts.

          Unter uns gesagt, ich war nahe dran, mich in Stendhal zu verlieren - und unter seinen zuweilen recht spleenigen Bewunderern. Dann hätte ich alle 84 Bände übersetzt und säße heute auf ein paar tausend Manuskriptseiten, denn das hätte ja kein Verleger je gedruckt! Aber Sie sehen, ich hab die Kurve noch gekriegt. Und selbst während der Arbeit an Klassikern wie Stendhal und Flaubert ist es gut, zeitgenössische Autoren einzustreuen.

          Und wie führte der Weg von Stendhal zu Flaubert?

          Wenn ich schon etwas Neues anfange, dann richtig. Flaubert ist sozusagen der Nachkomme Stendhals, aber der Apfel ist weit vom Stamm gefallen, sprachlich und stilistisch. Außerdem hat sich bei mir auch so eine Art kleiner Größenwahn ausgebildet: Jetzt machst du die größten Romane Frankreichs neu - nach den zwei Hauptwerken Stendhals die zwei Hauptwerke Flauberts, „Madame Bovary“ und die „Éducation sentimentale“. Danach sehen wir weiter, ich habe keine Angst, dass mir der Stoff ausgeht.

          Stendhal wurde lange Zeit nicht ins Deutsche übersetzt. Er hatte durchaus sein Publikum, aber das las eben Französisch. Im Fall von „Madame Bovary“ erschien die erste deutsche Ausgabe fast sofort.

          Es war eben ein skandalöser, unmoralischer Ehebruchroman, berüchtigt durch einen Sensationsprozess, auch wenn der mit einem Freispruch geendet hatte. Das wollte natürlich jeder lesen.

          Und es war lediglich das erste Buch, das er veröffentlichte.

          Flaubert hat früh, schon als Kind, begonnen, wie ein Besessener zu schreiben, und nie mehr aufgehört. Unmittelbar vor „Madame Bovary“ gab es dann die „Versuchung des heiligen Antonius“, also den riesigen, grandiosen, symbolischen Stoff. Das Manuskript hat Flaubert vier Tage lang seinen Freunden Maxime Du Camp und Louis Bouilhet vorgelesen und auf ein begeistertes Lob gehofft. Stattdessen kam das Urteil: „Wir denken, du solltest das ins Feuer werfen und nie wieder davon reden.“ Zugleich aber verordneten sie ihm eine Medizin, um ihn von seinem Hang zur Rhetorik zu kurieren: Er sollte sich eine alltägliche Geschichte für seine stilistischen Exerzitien vornehmen, also das große Werk nicht aus dem großen exotischen oder historischen Gegenstand gewinnen, sondern aus dem Leben von nebenan. Das wurde „Madame Bovary“.

          Der Gegenstand sollte bürgerlich-banal sein. Stellt man Flauberts Hass auf alles Bürgerliche in Rechnung, hat man die Herausforderung der stilistischen Arbeit schon vor sich.

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