Psychologie des Tötens : Der Tätertyp
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In öffentlicher Feierlaune - islamistische Kämpfer bei einer Militärparade in der syrischen Provinz Raqqa Bild: Reuters
Noch mehr Männerphantasien: In seinem neuen Buch „Das Lachen der Täter“ erklärt Klaus Theweleit, warum Breivik ständig grinste – und warum die Lust am Töten nichts mit der Religion von Tätern zu tun hat.
Die Täter lachen. Sie lächeln und grinsen. Manchmal direkt nach der Tat, manchmal währenddessen oder erst viel später, wenn sie mit Gleichgesinnten die Tat feiern. Als Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011 auf der norwegischen Insel Utøya in einer Stunde 69 Menschen erschoss, konnten die Jugendlichen, die sich mit einem Sprung ins Wasser vor ihm in Sicherheit bringen wollten, hinter sich das Gelächter des Killers hören. „Ihr entkommt mir nicht“, rief er. Er brüllte „Jaaa!“ wie ein Fußballfan, wenn ein Tor fällt, sobald er jemanden getroffen hatte. Später vor Gericht dann hörte er nicht auf zu grinsen: Anwälte, Richter, Journalisten, Gerichtspsychiater, Zuschauer - alle hatten Probleme mit seinem Grinsen; diesem Lächeln, das manchmal das Infame verkörperte und andere Male Breivik dazu diente, „seine Person zu entdämonisieren“, wie ein Gerichtsreporter schrieb.

Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Nach den Gründen für sein Dauerlächeln gefragt, antwortete Breivik, er lächle über die Psychiater, die ihn für unzurechnungsfähig erklärt hatten. Was ist das für ein Lachen, dieses Lachen der Täter? Warum lachen sie überhaupt? Klaus Theweleit, Autor des berühmten Buchs „Männerphantasien“, ist Fachmann für diese Frage. Am Vorabend hat er im Deutschen Historischen Museum an einer Podiumsdiskussion zur RAF-Ausstellung teilgenommen, jetzt sitzt er in der Lobby eines der großen grauen neuen Hotelblocks am Berliner Hauptbahnhof. „Das Lachen der Täter: Breivik u. a.“ heißt sein neues Buch, das kommende Woche im Residenz-Verlag erscheint. „Es ist der Versuch eines Psychogramms der Tötungslust“, sagt er, und „ja, stimmt schon, in gewisser Weise ist es auch eine Art ,Männerphantasien revisited‘.“
Was Dschihadisten und Nazis verbindet
„Männerphantasien“ - das ist Theweleits 1977 in zwei Bänden erschiene Doktorarbeit. Ein Meisterwerk, das im linksalternativen Milieu herumgereicht und inhaliert wurde wie eine Droge. Unter dem Titel „Frauen fließen, Männer schießen“ schrieb Rudolf Augstein im Dezember 1977 im „Spiegel“ einen acht Seiten langen Artikel darüber und verspottete die Freiburger Universität, die ihrem Absolventen (Theweleit hatte für seine Arbeit ein „summa cum laude“ bekommen) wegen dessen „ungezügelter Intelligenz“ noch nicht einmal die Abhaltung eines Proseminars gewährte.
Es ging in der Arbeit um die Freikorps-Literatur der zwanziger Jahre. Theweleit analysierte die faschistischen Männlichkeits- und Gewaltphantasien von Soldaten in mehr als zweihundertfünfzig Romanen und Erinnerungen. Er tat das mit einem völlig neuen Verfahren und Wissenschaftssound, in einer Mischung von Literaturwissenschaft und Psychoanalyse, autobiographischer Erzählung, Comics, Karten und politischen Kommentaren. Beim Sammeln seiner Quellen stieß er damals auch das erste Mal auf das Lachen der Täter, wenn Morde wie die an Rosa Luxemburg oder Karl Liebknecht als „Lustmorde“ begangen und entsprechend gefeiert wurden.
Einmal darauf aufmerksam geworden, türmten sich die Belege für die Lust am Töten über die Jahre zu einem schrecklichen Tatsachenberg. In der Täterforschung aber kam das nicht vor. Also fing Theweleit an, die verschiedensten Fälle miteinander in Beziehung zu setzen: von Breivik über afrikanische, ostasiatische, südamerikanische Fälle bis hin zum lachend tötenden Dschihadisten des „Islamischen Staats“ oder den Attentätern von „Charlie Hebdo“. Es ist eine Bestandsaufnahme, bei der es ihm nicht darum geht, die Unterschiede herauszuarbeiten, sondern etwas Universelles: die Grunddisposition eines bestimmten Tätertyps.