Krimi „Zielfahnder“ : Sie werden dich kriegen
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In den Karpaten weitet sich das Bild: „Zielfahnder“ ist ein hochkonzentrierter Krimi, der den Zuschauern einiges abverlangt. Bild: ARD Degeto/WDR/Wiedemann & Berg/
Schwerverbrecher sollen sich vor dem Gesetz nicht absetzen können, Zielfahnder jagen ihnen um die Welt hinterher. Ihnen widmet Dominik Graf einen außergewöhnlichen Krimi.
Im Gemeinschaftszimmer des Zielfahnderteams des LKA Düsseldorf hängt eine große Tafel mit lauter Verbrecherfotos. Schwerkriminelle, verstreut in alle Welt. Über der Tafel sieht man den Schriftzug: „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause“, dazu Gitterstäbe. Eine Art Heimatort, ein Fixpunkt für die Polizisten, die in gefährlichen Einsätzen ohne Rückendeckung und Amtsgewalt ihre Zielpersonen jagen, ist dieser kalt beleuchtete Aufenthaltsraum. Ein bisschen sozialisierender Spaß muss sein. Und Sekt, wenn ein Fang gelungen ist. Dezernatsleiter Karl Vieth (Arved Birnbaum) feiert mit seinen Leuten die Festnahme eines durch halb Lateinamerika verfolgten deutschen Anlagebetrügers in Brasilien. In den Jubel mischt sich aus dem Off der Gefangenenchor aus „Nabucco“. Auch ein wenig Ironie muss sein in dem zweiten Kriminalfilm, den Rolf Basedow (Recherche und Buch) und Dominik Graf zusammen gemacht haben. Wenigstens zum Auftakt.
Nach der zehnteiligen Ausnahmeserie „Im Angesicht des Verbrechens“, in der es um organisierte Kriminalität und Russenmafia in Berlin ging, und die in ihrer hoch konzentrierten Erzählweise dem Zuschauer einiges abverlangte, versucht es der knapp zweistündige Fernsehfilm „Die Zielfahnder – Flucht in die Karpaten“ nun ein paar Nummern kleiner. Er beginnt mit einem spektakulären Ausbruch; es folgt eine Flucht in den Osten und eine atemlose Verbrecherjagd. Um rumänische Bandenkriminalität geht es, die Verwicklungen reichen bis in die nordrhein-westfälischen Politik. Wir tauchen ein in die fremde Welt der Fahnder, in der Drohnen, Computerauswertungen und Bilder von Überwachungskameras keine Rolle mehr spielen. Sie müssen sich mit löchrigen Handynetzen, kulturellen Missverständnissen und fremden Mentalitäten herumschlagen.
Heimvorteil für den Ausbrecher
Zwei Zielfahnder, Hanna Landauer (Ulrike C. Tscharre) und Sven Schröder (Ronald Zehrfeld), reisen dem Ausbrecher Liviu Caramitru (Dragos Bucur) hinterher. Sein Komplize wird schnell gefasst, Caramitru kann entkommen. Der Innenminister Jacobi (Rainer Laupichler), die Effizienz in Person, fordert Ergebnisse und Köpfe. Der Justizminister Jäger (Oliver Reinhard) steht im Verdacht, seine JVA-Leitung nicht im Griff zu haben.
Das größere politische Problem aber ist seine Affäre und die Büroleiterin Susanne Lorenz (Anna Schäfer), die tiefer in den Fall verstrickt ist, als der Karriere dienlich wäre. Florin (Axel Moustache), ein Bukarester Kollege, übersetzt und leistet Amtshilfe für Landauer und Schröder. Radu Bara (Radu Bînzaru), ein ranghöherer rumänischer Kollege, spielt für die Ausländer korrupt. Je näher man den Karpaten kommt, umso größer wird der Heimvorteil Caramitrus. Erst spät vertraut Landauer ihrem Kollegen Schröder an, dass sie mit dem Rumänen noch eine ganz persönliche Rechnung offen hat.
Man sieht viel mehr, als man erfassen kann
Roadmovie trifft Kriminalstück – das heißt allerdings nicht, dass man sich zurücklehnen und entspannt berieseln lassen könnte. Mit den im Dutzend billigeren Euro-Fernsehkrimis, in denen Venedig und Istanbul eher nach Hamburg oder Duisburg in Karnevalsverkleidung aussehen, und in denen alle Beteiligten selbstredend umstandslos Deutsch sprechen, haben „Die Zielfahnder“ rein gar nichts gemein.
In Grafs Krimis, etwa auch in „Eine Stadt wird erpresst“, sieht man in den Bildern immer viel mehr, als man bis zum nächsten Schnitt erfassen kann. In „Die Zielfahnder“ weichen hektische, wackelnden Nahaufnahmen in den Großstädten nach und nach weiten Panoramen: Aufnahmen, in denen man Hunderte Kilometer weit zu sehen scheint. Eine besondere Art des bildgestalterischen Anschauungsrealismus kommt hier zum Zuge (Kamera Alexander Fischerkoesen), die das Erzählte mal begleitet, mal ästhetisch kommentiert und reflektiert. Gleichzeitig verändert sich die Schnittfrequenz (Claudia Wolscht).
Gesprochen wird natürlich Landessprache
Der archaischen Umgebung, deren Bewohner die Zeit völlig anders empfinden als die Zugereisten, entspricht eine Verlangsamung der Kamerabewegung. Rumänische Polizisten auf Pferden nähern sich einer Schäferhütte wie „Die glorreichen Sieben“. Die Kamera wechselt in extreme Distanz. Mit dem Westerngenre spielt Graf ohnehin gern, selbst in seinem Brentano-Film „Das Gelübde“ hat er darauf rekurriert.
Gesprochen wird in Rumänien natürlich Landessprache, begleitet von Untertiteln. Die Polizeidienstvorschrift 384.1 regelt die Zielfahndung als „besonders intensive operative Fahndung“, bei der es um einzelne Täter geht und die Beamten „weitgehend selbständig und unabhängig“ agieren müssen. Gründlich recherchiert, meisterlich verfilmt, hoch spannend, führt der Film „Die Zielfahnder“ sämtlichen Euro-Krimiquatsch ad absurdum.