
Flüchtlingspolitik : Ist das Merkels Kehrtwende?
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Syrisches Flüchtlingslager nahe der jordanischen Stadt Mafraq. Das Bild stammt aus dem Jahr 2013. Bild: AP
Angela Merkel will durch eine Kontingentlösung den Flüchtlingsstrom in den Griff bekommen. Sigmar Gabriel spricht von einem „Neustart“, und die CSU bekommt, was sie haben will: eine Obergrenze.
Illegale Migration auf Wege legaler Einwanderung zu leiten ist eine abstrakte Umschreibung dafür, was seit Monaten in der Flüchtlingspolitik gefordert wird: eine Begrenzung. Auch die Kontingentierung der Flüchtlinge bedeutet nichts anderes. Was Angela Merkel nun in Belek auf dem G20-Gipfel ankündigte, ebendiese Kontingentlösung, kann deshalb die erhoffte Kehrtwende ihrer Politik sein, untermauert vor allem durch die Bemerkung, dass Kontingente, die mit der Türkei und anderen Staaten ausgehandelt werden, nur dann ihren Sinn erfüllen, wenn sich nicht gleichzeitig ein Flüchtlingstreck in Bewegung setzen kann, wie ihn Europa und Deutschland seit Monaten erleben. Illegale Einwanderung müsse dann konsequent unterbunden werden, sagte Merkel. Man kann es auch in etwas unschöneren Worten kleiden: Kontingente sind nur mit Abschottung ein Mittel zur Steuerung.
Die meisten Einwanderungsländer verfolgen eine Kontingentlösung, um die Einwanderung steuern zu können. Sie ermöglicht die in Deutschland angeblich unmögliche „Obergrenze“ und eine Auswahl der Flüchtlinge: Frauen und Kinder können privilegiert werden, aber auch Religionsgruppen. Die jährliche Zahl der Flüchtlinge, die in Resettlement-Programmen der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR aufgenommen werden, ist weit höher als die Zahl, die von Teilnehmerstaaten abgenommen wird. Nicht einmal hunderttausend Plätze werden angeboten, achtzig Prozent davon in den Vereinigten Staaten. Deutschland macht derzeit beides: Es beteiligt sich an den “Resettlement“-Programmen und nimmt darüber hinaus Flüchtlinge auf, die in die EU einwandern. Beides aber ist zu viel. Vor allem: Schlepper und Schleuserbanden machen ein Geschäft, das durch die Aufnahmestaaten auch noch indirekt subventioniert wird. Durch eine Kontingentlösung würde ihnen das Geschäft dagegen verdorben.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte die Kontingentlösung vor Wochen schon als Ausweg aus der aktuellen Flüchtlingskrise vorgeschlagen, wohlwissend (und deshalb vielkritisiert), dass sich ein schrankenloses Asylrecht nur mit Kontingenten verträgt, wenn es durch bilaterale Abkommen eingehegt wird. Denn was wäre gewonnen, wenn sich Deutschland an einer großzügigen Kontingentlösung beteiligte, gleichzeitig aber der Flüchtlingsstrom nicht abebbte? de Maizière wurde deshalb aus der SPD und auch aus der CDU vorgeworfen, dass er das Asylrecht „aushebeln“ wolle. Auf den wunden Punkt wies de Maizière selbst hin: Was ist, wenn trotzdem Asylbewerber nach Deutschland kommen? Oder wenn Kontingentflüchtlinge ihre Meinung ändern und lieber Asyl beantragen, wenn sie erst einmal in Deutschland sind?
Ungeachtet dieser praktischen Fragen ist auch die SPD auf diesem Kurs. Was Merkels Vorschlag bedeutet, umschrieb Sigmar Gabriel mit dem Wort „Neustart“, der eine „chaotische Zuwanderung“ beende. Ausnahmsweise ist Gabriel da einer Meinung mit Horst Seehofer. Der will auf dem CSU-Parteitag am Freitag und Samstag in München von seiner Partei eine Kontingentlösung beschließen lassen. Die CSU wird dabei die Konsequenzen beim Namen nennen: eine Obergrenze. Mit einem solchen Kompromiss wäre Deutschland auf einem guten Weg.
