A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
↰

Jürgen Flenker

* 1964
Coesfeld/Westf.

Vita

Geboren zwischen Kirchenglocken und Knochenschinken, Studium der Germanistik, Anglistik und neuen Geschichte in Münster und Reading (UK).

Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, verschiedene Preise, zuletzt 2. Platz beim Lyrikpreis München 2012, lebt als Vielleser und Quartalsliterat in Münster.

2014: Preisträger im Lyrik Wettbewerb postpoetry.NRW

Auswahlbibliografie

Ebers Ende, Jürgen Flenker, Edition Oberkassel
Jürgen Flenker
Ebers Ende
Edition Oberkassel
2013
Aufbrüche, Jürgen Flenker, Sonderpunkt
Jürgen Flenker
Aufbrüche
Sonderpunkt
2012
Jürgen Flenker, das argument der kletterrosen, Wiesenburg
Jürgen Flenker
das argument der kletterrosen
Wiesenburg
2007

Textfläche

ostwind vor ostern

~~wie sich der ostwind aufspielt
zur unzeit ende märz
ein einsamer jäger stöbert er
im schneeramsch nach billigen opfern

du sagst das ist kein liebeslied
dieses heulen das noch
dem letzten hund die schärfe nimmt
und dein atem hängt den worten
wie eine schleppe eine weile nach

noch hält mein kragen dicht
noch bleibt die kehle unbefleckt
nimm du jetzt meinen arm
führ mich fort von hier
vom glatteis bukolischer lügen

uns bleiben die wolfspfade
und das kahlgeäst der erlen
ein frühlingsgespinst daran
wie ein lammfrommer wunsch

25.07.2014

markterkundung

~~reste von tau
über weißhaarigen ebenen
jeder tag ein versuch
den altersdurchschnitt zu senken
im dorf die kirche bleibt stecken
im himmlischen dunst
nur die rabatten suchen
ihr heil im ewigen wachstum

unentwegt fliegen krähen
ihren kurzen schatten voraus
selbst jetzt wenn das licht
ein mindestmaß an stabilität erreicht
scheidet die morgenröte als garant
für eine blutauffrischung aus

manchmal huscht ein hauch
von zukunft vorüber
immer auf der suche
nach einer marktkonformen topographie
verschlafen raschelts im herbstlaub
dann dreht sie sich
auf dem absatz wieder um

25.07.2014

landläufer

~~Ich aber werde dunkel sein
Und gehe meinen Weg allein.
(Jakob Michael Reinhold Lenz, 1751-1792)

 

verstoßen von einem titan
umkreist er den heiligen ort
ein ewiger landläufer der weg
zum olymp ist verschmiert von schleim

ein lachen fängt sich im kahlgeäst
sein kopf verharrt im wurzelwerk
und seine füße hinterlassen
leise spuren in den wolken

die berge rollen ihm davon
schluchten zerklüften sein hirn
der weg ist nicht das ziel
der weg ist nicht einmal der weg

sein geist will erde werden
so setzt er fuß vor wort vor fuß
und unter den sohlen liest er
den flüchtigen abrieb der tage

er rollt seine worte bergauf
ein jedes mit ihm selbst beschwert
und die welt bleibt stumm als warte sie
auf den aufprall seines schweigens

25.07.2014

exegese

~~gedichte sind schwierig
wie so manches andere auch

zum beispiel differentialgeometrie
dekonstruktivismus oder quantenphysik
generative transformationsgrammatik
mikroökonomie oder keilschrift

oder auch
der nebel überm haselstrauch
von lichtfäden durchwirkt
sein flüchtiger tanz
in den sekunden vor tag

aber wer
wollte das schon verstehn

25.07.2014

bukolische notiz

~~und wer wenn wir grasten kannte denn schon das
verfallsdatum der schafe das blöken das
nicht anders als ergebnisoffen
zu nennen war der himmel ein torso

wir zupften halme und dachten an städte
bauliche konzepte auf streuobstwiesen
flaumig weiche Verheißungen auf
dieser allzu blumigen grundlage

und wer wenn wir tanzten hörte die flöten
töne glaubte an den heilenden einfluss
von obst die sattheit der wölfe dass
jetztund einer gelaufen käme zu

bespielen die herden vor nacht lass gut sein
kleinvieh der himmel ist abgegrast und wir
nichts als schneeweiße etiketten
haftend an einem zufälligen grün

25.07.2014