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Semibiographische Notiz eines jungen Vaters (I) – Leas Käfer

Semibiographische Notiz eines jungen Vaters (I) – Leas Käfer

Im Rahmen unseres Kinderzimmerfensters übernachteten diesen Winter mehr als 20 Marienkäfer. Die meisten fanden trotz dieser Zuflucht den baldigen Tod, verstreut in der ganzen Wohnung, wie winzige Inseln. Die wenigsten lagen übrigens mit dem Rücken auf dem Parkett. Sonst hätte ich sie gar nicht so gut ausmachen können, bevor sie die Reise in den Staubsaugerbeutel antraten. Sie hatten wohl alle, als es an der Zeit war, in ihren schwachen Körperchen einen Impuls gespürt, sich aus der Enge des Fensterrahmens auf zu machen, zu einem letzten kleinen Rundflug.

Der Sieben-Punkt-Marienkäfer kommt laut Wikipedia in Europa
am häufigsten vor und wird in der Regel nicht älter als 12 Monate.

An einem der darauf folgenden Nachmittage träumte mir, meine 4 Monate alte Tochter gehe auf Stimmenfang für einen Marienkäfer als Bundeskanzler. Ich sehe sie vor mir mit einem
bunten Wahlkampf-Button und ihrem gewinnenden Lächeln. So weit, so gut, dachte ich und war ganz gespannt auf das politische Programm des Käfers. Er sei angesichts der menschlichen Bedingungen völlig sprachlos, gab mir meine Tochter zu verstehen. Seine Agenda 2040 bestünde lediglich aus 7 Punkten.

Sofort spürte ich einen Konflikt in mir aufsteigen: Soll ich meiner Tochter so früh den Wind aus den Segeln nehmen, behutsam beibringen, ihr Wahlkampf erscheine mir bei nüchterner
Betrachtung völlig aussichtslos? Würde es mir im gleichen Atemzug aber auch gelingen ihre unverfälschte Begeisterungsfähigkeit zu loben, in der Hoffnung sie möge nie den Glauben an etwas Gutes verlieren? Ich biss mir auf die Zunge und nickte ihr wohlwollend zu. Einen fröhlichen Säugling betrachtend überkam mich die Gewissheit, dass einer der Marienkäfer in unserem Fenster überlebt haben wird. Solange ich nicht nachsehe.