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Bücher (I)

Als meine Mutter starb, sagten ihre 100, 1000, 10000 Bücher nüscht, nüscht-mehr. Schweigende Obelisken, zerschwerte Sarkophage, granitene Grabplatten in Miniatur.
Dabei konnte so eine zarte Blattspitze einer einzelnen, bedruckten Seite meiner Mutter Hand berühren wie sonst nichts. Sie zum Leben erwecken. Aber jetzt: Alle Bücher gestorben, die Deckel geschlossen, die Seiten monolithisch zusammengepresst.

Der eine Bruder erbot sich, die Bücher bei sich aufzunehmen, weil der andere kategorisch verlangt hatte, die Bibliothek ja nicht auseinander zu reißen.
Das ist doch sie, dachte auch ich. Aber sie war tot.
Der eine nahm die Bücher bei sich auf, obwohl er mit ihnen nichts beginnen konnte, aber Platz dafür hatte. Der andere, museale, hätte wohl etwas damit beginnen können, hatte aber keinen Platz. – Guter Witz: Die Bücher lagerten ab sofort bei dem einen in der Garage, in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Manta.

Aber vorher. Vorher, vorher! Dieses zärtliche Geräusch, als sie noch lebte, beim Umblättern. Diese ungewollte Zärtlichkeit. Das Versunkensein der Mutter, fernab ihrer Kinder, die aus einem anderen, ungeschriebenen Buch gepurzelt waren.
Der bläulich-grünliche Rauch entstand beim Einatmen der Wörter, beim Einatmen der Sätze, als meine Mutter sie mit ihren Augen vom Papier las. Die Glut der Zigarette war die Glut des Textes, der unter ihren Augen verbrannte.

Ich glaube, die Bücher öffneten sich nun deshalb nicht mehr, weil sie allen Geist, die niedergeschriebenen, purzelbaumenen Existenzen samt ihrer eigenen mitgenommen hatte. Nach unten oder nach oben. Im Schürzenkittel oder im Kopfkissenbezug, im zerseufzten und verschwitzten.