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Autorenbuch Hannes Bajohr MOSKAU – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Hannes Bajohr

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MOSKAU


vor allem Belyayevo, mittags vor der Küche, unter den zwölf Stockwerken liegt eine Brache, die mit getrocknetem Schlamm und Bohlen belegt ist. Darauf laufen ein paar Menschen, halten und bücken, laufen weiter. Sie sammeln etwas. Was, erkenne ich nicht. Kopftücher alter Frauen und bunte Nylonkleider, Hängekörbe aus Weide, kein Fernglas. Die Plattenbauten unserem gegenüber rahmen den Himmel hochkant, der fleckige Beton glänzt wie frisch gegossen. Die Stadt strahlt, von unten nach oben, die Wolken sind auf ihrem Rücken sicher schwarz. Russische Popmusik kommt aus einem Fenster unter uns, Hundegebell aus dem Zwinger vorm Parkplatz, manchmal kreischt der Fahrstuhl im Schacht

ich weiß, heute Abend können wir von hier aus Yugo-Zapadnaya sehen und die orangen Mikrorayons, die wie Blechbüchsen im Hochofen glühen, von weitem zufällige Leuchttürme mit sechshundert Bewohnern. Wir wundern uns über den echten Wald im steinernen; dass er in seiner Mitte einen See umschließt, zeigt uns der Stadtplan, der drei Meter im Quadrat neben dem Eingang hängt

zwischen den Hochhäusern ist es unterholz kühl, Menschen mit Hunden streifen über die zerflossenen Asphaltwege, bunte Rohre auf den Spielplätzen und immer weiter entfernt sich das Rauschen der Autos. Idyllisch, sagst du. Ein Kiosk auf Rädern, die Rollladen unten, das Angebot steht im Fenster. Wir verlaufen uns fast und tauchen unversehens wieder auf, Ulitza Miklucho-Maklaia, atmen durch. Der Supermarkt mit den beiden Sicherheitsleuten, kahle Schädel und Tarnfleck in lila, Säcke Mehl und deutsche Milch. Rote Plastikwürfel an den Schlüsseln fürs Schließfach und Pornos an den Ständen der Videoverkäufer. Kwass-Tanks

Rest August, die Metrostationen sind stickig, Blumensträuße vom Balkon, die alten Frauen stehen auf den Stufen, halten stumm und bleiern billige Pullover in den Händen, Mickymaus und Rentiermuster. Markt bei Teplij Stan, Kasachen, Kirgisen, Mongolen, stinkendes Fleisch auf Ständen, die Metro kreischt beim Fahren, keiner unterhält sich, es ist zu laut, ein Beinloser rollt sich durch den Waggon, bekommt Scheine in die Hand. Werbung für ein Kriegsmuseum, Stalingrad, Wojna, Nemetzkij Tank, ich verstehe wenig. Lenin an der Kievskaja

plötzlich sind alle Sowjets mit Orden und Uniformjacken, woanders Matrosen, nur blauweiß gestreifte Hemden und Saufen im Springbrunnen vorm Manegenplatz. Hochzeit vor der neuen Tretjakov, mit Schleier und Schein. Staub und Asphalt, in der Marschrutka mit dem Koffer auf den Knien. Abends leuchten Scheinwerfer, die Backsteinmauern sind blaßrot angestrichen, Wachablösung, müde Heimfahrt. Die gleichen Frauen auf den Stufen, kasachisches Brot. Der Supermarkt schließt nie, nur lächeln darf man nicht. Fünfliterkanister Wasser und schwarze Füße, Belyayevo

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