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Autorenbuch Janine Lancker Prolog im Viertel – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Janine Lancker

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Prolog im Viertel


"Ja ja, sieht er´s wieder mal: Harrison Ford und Daryl Hannah, ein Meisterwerk von Ridley Scott. Und meines auch. Die alten Sachen vorgekramt. Hängt noch immer da. Jeder Kinogänger muss es streifen. Ihren Blick entgegen nehmen. Und ein Stück von mir darin. Mit reichgetränktem Pinsel trug er Farbe auf Farbe, Scheiße noch eins, die Zeiten waren mal. Die Menschen sind weg von mir. Dran kleben bleiben! An ihre Formen und Weisen halten. Wie packt er es bloß an, den Gefährten seine Beweggründe mitzuteilen? Er wird eine Rede formulieren, eine kleine Ansprache. Vorzutragen bei einem gemeinsamen Dinner vielleicht. In seinem bescheidenen Haus. Vorher: Schaufensterpuppen umkleiden. Cyberspacestyle statt Vom Winde Verweht. Müll rausstellen. Pfandflaschen sammeln, eintauschen gegen Drei-Gänge-Menü. Der Lumpensammler liebt den Müßiggang. Als Künstler flaniert er an Dingen und Menschen vorbei. Steintor. Und in sie hinein. Großsupermarkt. Tritt in sie hinein, wann und wo er will. Takeawayimbiss. In die Person eines anderen. Helenenstraße. Manchmal, ganz tief in sie hinein. Kann er selbst und ein anderer sein. Da kehrt ein altes Gefühl zurück. Das ist, wie in warmen Pansen fassen, den einer gekocht hat, für seinen Hund. Schlüpfrig, in sie hinein. Ist er in ihnen drin: In den runden Brüsten einer jungen Frau. Im Klang ihrer klaren hellen Stimme, ein bisschen dumm, schön dumm, so kann er Schönheit sein. Im Hirn eines fast schon alten Mannes entdeckt er manche Flause, die da nicht hingehört. In Erinnerungsgängen eines Alten. Wird davor bewahrt, mein Ich zu sein: durch den Halt einer erdenden Familie. Er darf ein Narr sein! Spielt die feine Dame aus. In ihrem Lächeln liegt er auf dem ungehüllten Mädchen, das sie mal war, kommt zum Vorschein, ein Ausbruch, manchmal. Nach dem Tod für immer so? Wie geht man eine Rede an? Könnten hier sitzen und essen, ja, essen vielleicht. Welches Kochrezept? An den Dingen abarbeiten. Der Engel der Geschichte fliegt vorwärts, während seine Augen - auf das Gewesene gerichtet - starren. Hier bläst der Fortschritt den Rücken nach vorn. So funktioniert es nicht, da kommt das Verständnis nicht nach, nochmal neu, nochmal neu. Erst mal Kaffee kochen. Ein oder zwei Mariacron. Nachher noch eine Episode schreiben. Ja, ruhig noch zwei. Und warten müssen.
Sicher, es scheitert am Nicht-Ich-Sagen-Können."

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Für Soap-Fans und Bremer Viertel-Freunde: Das Literaturhaus Bremen präsentierte im Februar 2007 einen Monat lang zweimal wöchentlich die Stadtgeschichten "viertelvorzwölf". Ihre Charaktere sind frei erfunden, für Viertelbewohner jedoch nicht untypisch: Die Richtergattin Kirsten Suderow mit eigener Galerie, der kroatische Taxifahrer Milos Jovankovic mit eigenem Taxi, der Student Sven mit dem Traum vom großen musikalischen Erfolg und die Thailänderin Phi Mee, die in einem Asia-Takeaway arbeitet aber von ihrem Prinzen träumt. Als sich plötzlich alle durch einen unbekannten Plakatmaler auf Hauswänden im Stadtteil wieder finden, kreuzen sich ihre Wege und eine rastlose Suche beginnt: nach dem mysteriösen Plakatmaler, nach dem Wesen eines doch eigentlich ganz normalen Stadtviertels und nicht zuletzt nach sich selbst. Die Text-Soap von Fräulein Schmiss und Tim Schomacker flimmerte unter freiem Himmel auf der Hausleinwand über dem "Extra" Am Ziegenmarkt.
 

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