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Autorenbuch Johannes Witek Michel Foucault schlägt auf eine Hostie ein – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Johannes Witek

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Michel Foucault schlägt auf eine Hostie ein

Michel Foucault schlägt auf eine Hostie ein während drei brennende Kamele vor dem Fenster ihn relativ unbeteiligt
dabei beobachten


Manchmal hätte ich gern eine Beziehun
wie in den Romanen von Max Frisch;
so ein richtiges Mann-Frau-Ding
mit Ehe und Affären und abgefangenen Telegrammen
und der radikalen Infragestellung der subjektiven Identität des Menschen
inklusive des existenziellen Starrens an wohleingerichtete Wände
und spontanen Fluchten nach Italien, wenn sich das alles kombiniert.
und die Aschenbecher wären immer voll
und niemand würde so viel Whisky trinken
und alle würden wissen wie.

Alle wären so irgendwie erwachsen und irgendwo
zwischen lebensmüde und erfolgreich,
die Kinder wären da, aber Randfiguren
wenn das Thema nicht gerade Inzest ist
(wieder ein Hotel in das keine mehr rein dürfen,
lese ich heute in der Zeitung – in dem würde ich dann
beischlafen, definitiv, wenn auch dezent, oder
wie immer man sich das vorstellen muss,
wenn sich alle wieder „umarmen“)
und ich säße verquält in Wohnzimmern Ateliers Automobilen
in Hemd und Cord und Krawatte
und der Aschenbecher wäre voll
und der Whiskykonsum bedenklich
für Humphrey-Bogart-lose Zeiten
und ich würde wissen wie.

Die Sprache, die mein Leben beschriebe,
wäre voller skurril-verschrobener Idiosynkrasien,
ich würde viele Dinge tun oder auch nicht tun
infolge von irgendwas (zum Beispiel Schneestürmen)
ich würde meine Pfeife in die Zuckerdose legen
und was dergleichen Schmähs mehr sind
überhaupt würde ich Pfeife rauchen
und es gäbe viele lange nervenzerfasernde nächtliche Aussprachen
an den Ufern verdammt mondäner Badeseen
und jeder  wäre irgendwo zwischen Respekt für den anderen
und dem Wunsch zu morden
und hinter dem Allem würde
als metaphysisches Prinzip
Ingeborg Bachmann
mit einer Oboe in der Vagina
in eines von Georg Trakls Nasenlöchern fallen.

Ja, das wär schon was. Nicht, dass das Alles
jetzt unmöglich ist. Vieles davon bekomme ich schon
ausgesprochen gut hin. Zum Beispiel das existenzielle Starren
an nicht ganz so wohleingerichtete Wände. Oder die Aschenbecher.
Oder den Whisky. Oder den Wunsch zu morden.

Anderes dagegen ist – man muss es sagen – noch sehr
verbesserungswürdig. Zum Beispiel egal wie
viele Telegramme ich schreibe, keines scheint von irgendwem
abgefangen zu werden. Auch die Ufer diverser Badeseen
haben offensichtlich sehr verloren seit den Fünfzigern.
„Wie“ wusste ich überhaupt noch nie. Und nicht mal
Ingeborg Bachmann
mit einer Oboe in der Vagina
würde heute noch als metaphysisches Prinzip durchgehen.
Außerdem: Wie sehr ich meine spontanen Fluchten nach Italien auch plane,
sie scheinen immer irgendwie in der Salzburger Altstadt zu enden,
wo dann wieder sämtliche Fiaker, die normalerweise vor dem Brunnen
Richtung Domplatz stehen, wegen des beschissenen Weihnachtsmarktes
vorm Cafe Tomaselli aufgereiht sind.

Was schlecht is
· weil die Hölle immer dort ist, wo man vor den Fiaker gespannt ist und
· weil, gerade als ich daran vorbeigeradelt bin, ein Mann in orangefarbener

Straßenarbeiteruniform auf die umstehenden Fiakerkutscher
(unsterblicher, schlapphütiger, ewig triumphierender Granit)
zugelaufen ist und mit deutschem Akzent geschrieen hat:
„Eigentlich ist das ein Kündigungsgrund!“

Worauf einer der Kutscher zurückgeplärrt hat:
„Is eh wurscht, wennst keinen Job mehr hast,
verdienst eh zuviel!“

Während die Pferde, bedeckt von einer hauchzarten Goretex-Matte und
einer handflächendicken Schneeschicht wie die perfekte hegelsche Synthese
- aus Sinnlosigkeit und Geduld zu ewigem Leiden –
Wolken in den grauen, plötzlich viel zu realen Asphalt geatmet haben.

Beim Heimfahren überleg ich dann immer die ganze Zeit,
was mir so was jetzt wieder sagen will.
Nichts wahrscheinlich.

Also hab ich die Häuser gezählt,
die KEINE Weihnachtsbeleuchtung
an Fenstern oder Balkon haben.
Es waren mehr als fünf,
also war mein Tag nicht völlig im Arsch.

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