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Autorenbuch Jürgen Völkert-Marten Nein. Das Herz kein Topf. – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Jürgen Völkert-Marten

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Nein. Das Herz kein Topf.


Nein. Mein Herz ist kein Überläufer. Sowieso nicht. So oder so.

Die Idee war nicht gut. Im September für eine Woche mit Aleke auf die ihr bis dato unbekannte Insel zu fahren, das gleiche Appartement zu buchen wie im September zuvor, gemeinsam in dem Bett zu nächtigen, in dem genau ein Jahr zuvor Manon mit mir lag, in dem sie lachte, in dem sie weinte, in dem meine Hilf- und Ratlosigkeit wie ein fetter Kloß im Halse lag. Nein, keine gute Idee.

Damals wurde mir Manon’s Verhalten immer fremder, dieser verdammte Kloß wuchs und wuchs und wurde zur Herzgarotte. Vertrautes wurde für Manon bedrohlich und fremd, TV-Nachrichten bezog sie auf sich, baute sie ein in ihr neues, Angst auslösendes Bild einer sie verfolgenden Welt. Für sie war ich verstrickt in die Machenschaften gegen sie. Meine immer wieder gestellte Frage, was –um Himmels willen- sie mir denn vorwerfe, beantwortete sie stetig mit „Das weißt du schon ganz genau“. Nichts wusste ich. Was ich denn tun könne, fragte ich. „Lass Dein Herz sprechen“ sagte sie. Als ob dieses gewürgte Herz etwas anderes tat.

Was ich jetzt weiß, ein Jahr später und wieder im September, ist die Bedeutung apriorischer Gewissheit und dass ich dagegen keine Chance hätte: ich sehe was, was du nicht siehst, ich fühle was, was du nicht fühlst, ich höre was, was du nicht hörst und ich bin mir absolut sicher, du lügst, wenn du leugnest, es ebenfalls zu sehen, zu fühlen, zu hören. Was ich jetzt besser kenne, sind zahlreiche Varianten von Krankheiten aus dem schizophrenen Formenkreis. Was ich jetzt spüre ist die gleiche Hilflosigkeit, die Ohnmacht, die Trauer über verlorene Liebe. Mein Mut sinkt von Tag zu Tag. Mein Herz läuft mir über, öfter noch meine Augen von Zeit zu Zeit. Aber: läuft der Topf über oder nicht doch die Milch? Das Herz kein Topf.

Nein, es war keine gute Idee mit Aleke und der Fahrt zur Insel. Mein Herz ist kein Überläufer, kein Deserteur, auch nach zwölf Monaten nicht.
 
Unsere Wege jetzt: identisch.
Das Wetter: nahezu das Gleiche, täuscht meine Erinnerung nicht.
Jede Düne, jedes Vogelgeräusch, jede Baumgruppe, jedes Sanddorngesträuch: vertraut.
Des Morgens: derselbe dissonante Hahn.
Mein Empfinden: gelähmt.
Gelähmt von unendlicher Traurigkeit.

Nein, keine gute Idee und auch nicht fair.
Aleke war unwissend, genoß Wetter, Insel, Meer und spürte doch von Tag zu Tag mehr meine gedankliche Abwesenheit.
Neben mir lief Manon.
Neben mir saß Manon.
Neben mir schlief Manon und doch war sie es nicht.
Es war Aleke und die Herzgarotte drückte und würgte, allmählich auch sie.

Die Insel kann nichts dazu. Sie ist eine gute Freundin. Sie ist einfach da. Für die Glücklichen, für die Unglücklichen. Sie nimmt sich die Zeit. Sie stellt sich der Zeit, arrangiert sich mit ihr. Gebt mir ausreichend Zeit. Bitte.

Ich mag Aleke sehr. Aber Manon liebe ich. Mein Herz ist kein Überläufer. Sowieso nicht. So oder so.  Das Herz kein Topf, kein Deserteur.

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