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Autorenbuch Juli Zucker ROT – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Juli Zucker

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ROT


Ich habe dir eine recht überteuerte Zuckerstange gestohlen, habe mich durch die fleischigen Ohrläppchen der Kassiererin gesprochen, mich an den Fettpolstern von gesichtslosen Leuten vorbei gedrückt; habe mit dem zitternden Zeigefinger über die mit Staub bedeckten Papierhüte, die nur zur Dekoration dienen, gestrichen, grau war der Staub, braun, und ich ganz verunreinigt; Kinder stießen sich ihre Nase an meiner knochigen Hüfte und berührten, während sie mit zahnlosem Mund lächelten, meine mürbe Kniescheibe mit ihren pappenden Händen; es gab sehr viele Clowns von diesem ganzen Glukosesirup und ebenso Musik wie Honig, die sich langsam durch den Körper zog, Zero 7mit In The Waiting Line zum Beispiel, und manchmal auch leise Coldplay, aber die zogen nur an einem vorbei, Musik hat nicht richtig umarmt, floss nicht, sondern unterstrich das Geschehen mit leiser Lautlosigkeit, wie Seifenblasen kannst du dir das vorstellen; und es gab soviel, was den Zähnen einen gewaltigen Kompromiss abverlangt hätte, so viel, das sich in die Wangen hätte schmiegen können; deine Augen hätten pistaziengrün gestrahlt; und -

ich konnte nicht mehr richtig sprechen, nur mehr züngeln, ein paar verkorkste Laute zwischen meinen glühenden Lippen hervor spucken; es wurde ganz warm in der Kniekehle; sogar auf dem rechten Oberarm spazierten mir die Gänse. Ein alter Herr in Schwarz starrte mir auf das Stück Haut, das mir seitwärts zwischen zwei olivgrünen Knöpfen durch die Bluse schimmerte; er passte gar nicht zwischen den ganzen Zucker. Worte waren ganz flauschig, wie in Watte gepackt und ich mag doch keine Watte leiden, so ekelhaft weich, so ekelhaft himmelschreiend, namenlos, doch schmiegsam, schmiegsam, schmiegsam und -

Samt meiner Wäsche drückte sich mir so sehr an die stellenweise verfälschte Haut, dass es mir ganz schwindlig wurde, die Kehle schnürte, mir die Bluse an den Körper klebte; der BH drückte mir Muster in die Haut, rot auf weiß, so, dass man die Abdrücke zwischen den Rippen noch spüren konnte und -

auf diesen abgewetzten Zetteln stand immer etwas von komischen Worten, Glukosesirup zum Beispiel und ich vergaß dich ganz, wie ich so zwischen diesen Geschmacksrichtungen stand; da war Ananas und Maracuja, Zitronen, Waldmeiser, Himbeer und so viele Farben. Ein Rot und ein Weiß zogen sich  über deine Zuckerstange, dick und dünn, mal mehr, mal weniger, von bedächtiger Eleganz, mit einem leisen, aber ausdauerndem Weiß und einem Rot, das zwischen RUBIN und ZINNOBER und KADMIUM und MARS und weißt du noch, gerade diese Pommesfarben -

ich musste gar nicht lange überlegen, musste gar nicht lange suchen, bis mir deine Zuckerstange in die Augen sprang, lebendig und wieder vor Scham erblassend; so viel, woran du dich festhalten kannst; so viel Farbe, die ich dir gerne zwischen die Herzlippen pressen möchte, dass du endlich den Mund hältst, endlich schweigst, mir keine verkrüppelten Phrasen gegen die brennende Kopfinnenwand mehr werfen mögest;
deinen manipulierten Zuckeratem anhalten kannst; und -

ich sage dir mal etwas, neben deiner blöden Zuckerstange würdest du verdreckt aussehen, gerade zu schmierig, ja, als ungepflegt würden dich die Leute empfinden, und deine Klavierfinger wären verklebt und ganz ungeeignet für die Tasten; dein Gesicht wäre fleckig, ganz fleckig, und dein weißer Teint würde verblassen neben der Farbenfreude deines neuen Souvenirs, im Ernst, ganz hässlich würdest du werden, und so viel candy würde ich dir zwischen deine verlogenen Zahnreihen schieben, bis du zugeklebt bist, bis zum Gaumen nämlich, und dass du husten müsstest und wimmernd mit den Augenlidern zittern; die zur Medizin umfunktionierte Süßigkeit, und -

so viele Menschen. Und wenn ich dir sage, alles war aus Glas, alles schien aus Glas zu sein, ganz glatt, wie Porzellan, und ich hatte wenig Mut, die Kälte anzutippen, mit den Fingerspitzen über die buntgefärbten Spiralen, die gezuckerten Herzen, ein blasses Blau oder erschlaffte Frühlingsblumen zu streichen, so glasig war alles, so undurchsichtig, so sauber, so nichtssagend, hohl und gleichzeitig so wahnsinnig bewegt und augenfällig, eindrucksvoll, wie sich die Blumen neben die Herzen gesellten; begeistert war ich, wie sich die frostige Kälte mit der glatt gestrichenen Oberfläche zu identifizieren wusste, wie sehr sie sich ergänzen konnten, ohne zu verlieren; und wie zerbrechlich das Porzellan war, wie wahnsinnig fragil und hauchzart es in frisch geputzten Regalen stand; und-
 
ich möchte dir nur sagen:
du bist Porzellan im Elefantenladen;
ganz ehrlich.
 

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