FIXPOETRY weiterempfehlen

 


Link: http://www.fixpoetry.com

Autorenbuch Juliane Beer Moderne Sorgen – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Juliane Beer

Sollte Ihr Browser kein Flash unterstützen:

Moderne Sorgen


„Ich bin in letzter Zeit häufig nervös“, gesteht Frau Dickmann vorsichtig. „Unruhig und trotzdem müde.“ Ein ganz seltsamer Zustand sei das. Bislang völlig unbekannt. Einen letzten Versuch will Frau Dickmann wagen, bevor sie sich wieder in die Polizeibeamtin rückverpuppt. Den Frontalangriff.  „Kennen Sie das auch, Frau Paesch?“

Frau Paesch kennt das auch. Jede und jeder würde einen solchen Zustand kennen.

„Was tun Sie dagegen?“, interessiert Frau Dickmann.

Frau Paesch sieht nachdenklich aus. „Kein Wunder, dass es Ihnen schlecht geht!“, sagt sie schließlich.

Frau Dickmann wartetet noch einen Moment schweigend, aber zu konkreten Maßnahmen gegen seltsame Zustände äußert sich Frau Paesch auch dann nicht. Auch auf nochmalige Nachfrage nicht. Ihren gemeinnützigen Job hat Frau Dickmann übrigens frühzeitig aufgegeben. Weil sie ihn nicht mehr aushalten konnte. Dass sie 9 bis 10 Stunden am Tag gearbeitet und nicht einmal ein Dankeschön geerntet hätte, hatte sie Frau Paesch geklagt. Dass sie im Grunde genommen also ausgenutzt worden sei.

Frau Paesch war ein wenig genervt gewesen, schließlich hatte sie wichtigere Dinge zu tun, als ihre knappe Zeit mit schlecht schauspielernden Polizistinnen zu vertun. Doch sie hatte sich nichts anmerken lassen. Den Restverdacht, dass diese Frau gar keine Polizistin war, sondern eine von Kernmann beauftragte Prüferin hatte sie allerdings über Bord geworfen: Die Dickmann war zwar nicht die Intellektuelle, als die sie irgend jemand verkleidet hatte, doch wirkte sie trotzdem immer noch zu intellektuell um von jemandem wie Kernmanns Aufträge entgegen zu nehmen.

Frau Paesch will die Angelegenheit jetzt ein für alle Mal beenden, um sich wieder in Ruhe um ihre wirklichen Kundinnen kümmern zu können. Sie fragt also, wie es denn mit einer schönen Ich-ag wäre.

Frau Dickman ist nicht grundsätzlich abgeneigt, gesteht jedoch, dass sie keine Geschäftsidee habe.

Dass sei auch nicht nötig, gibt Frau Paesch zu bedenken. Es gäbe so viele Möglichkeiten, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, man müsse nur zugreifen, sonst greife jemand anderes zu. Wie es denn beispielsweise mit Luft wäre.

„Luft?“

„Luft! Mit Luft ist es nichts anderes als mit Wasser und Strom. Braucht jeder. Was liegt näher, als es jedem anzubieten. Angebot und Nachfrage!“, gibt Frau Paesch zu bedenken; ´Berliner Luftwerke´, rät sie. Denn spätestens nächstes Jahr, wenn die allgemeine Arbeitslosigkeit noch weiter angestiegen wäre, würde jemand diesen Geschäftszweig entdecken, da ist sich Frau Paesch sicher. Ein bisschen Eigenkapital sei allerdings schon nötig. Große Tanks und Reservoirs, um die Luft zu sammeln, Filteranlagen, um sie zu reinigen - ein wenig Service würden die Leute verlangen für ihr Geld - und schließlich Gebläse, um die reine Luft der Allgemeinheit wieder zu überlassen. „Dafür kann man schon eine ganz ordentliche monatliche Gebühr verlangen, was meinen Sie Frau Dickmann? Wollen Sie darüber mal nachdenken?“    

Frau Dickmann wendet ein, dass die Luft aber doch allen gehöre; Frau Paesch entgegnet, dass ihr das klar sei, es sich mit Wasser, Strom und Gas ja nicht anders verhalten würde. „Vielleicht können Sie sich ein Startkapital leihen, sicher wird Ihnen für ein derart krisensicheres Geschäft auch eine Bank Geld zur Verfügung stellen!“

Frau Dickmann verspricht, darüber nachzudenken, verabschiedet sich und sieht zu, dass sie weg kommt.

weiterempfehlen

zurück

Autorenarchiv

  1. A
  2. B
  3. C
  4. D
  5. E
  6. F
  7. G
  8. H
  9. I
  10. J
  11. K
  12. L
  13. M
  14. N
  15. O
  16. P
  17. Q
  18. R
  19. S
  20. T
  21. U
  22. V
  23. W
  24. X
  25. Y
  26. Z