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Autorenbuch Peter Berg Lass ihn raus, den Tiger! – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Peter Berg

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Lass ihn raus, den Tiger!

Lass ihn raus, den Tiger!


Nur keine falsche Bescheidenheit! Der Mensch ist zwar ein Primat, aber unter ihnen der am höchsten entwickelte, zumindest soweit wir wissen und von einigen Ausnahmen hier und da mal abgesehen. Mit zwei Fakten, und da sage noch einer: Größe sei nicht so wichtig, lässt sich dies untermauern. Zum einen mit der Größe des Gehirns, zum anderen…, doch dazu später, denn ich bin mir gerade gar nicht so sicher, ob das Gehirnvolumen tatsächlich eine so bedeutende Rolle spielt, wenn wir doch, so hört man es oft, nur fünf Prozent des Potenzials nutzen, also eigentlich doch 95 Prozent geistigen Leerstand haben. Womöglich sind wir also dem Affen näher und überhaupt den Tieren ähnlicher, als wir dies wahr haben möchten, wo sich überdies, glaubt man der Wissenschaft, herausgestellt hat, dass Schimpansen genauso betrügen und anfällig für eine Midlife-Crisis sind. Im Leben des Menschen ist die Midlife-Crisis eine kritische Phase, nicht nur dass der Alkoholkonsum steigt, auch das Suizidrisiko erhöht sich, wie Statistiken deutlich beweisen. Doch wie es scheint sind unsere nahesten Verwandten schlauer, sie sitzen es einfach aus. Ich sage: „wie es scheint“, denn es dürfte nicht gerade einfach sein, für so einen behaarten Affen, an ein Sixpack zu gelangen. Aber haben Sie, fällt mir da ein, schon gewusst, dass es in einem Zoo in Indonesien einen Orang-Utan gibt, der nikotinabhängig ist? Doch! Zwanghaft schmaucht er die Kippen zu Ende, die ihm Besucher in den Käfig werfen. Jetzt musste er auf Entzug, auf eine einsame Insel und ich frage mich, welche drei Dinge er wohl mitgenommen hat. Aber das nur am Rande. Denn dass wir nachgeäfft werden, ist zwar faszinierend, nur nicht in jedem Falle schmeichelhaft. Reden wir also lieber davon, dass Menschengelegentlich etwas Animalisches an sich haben, und manchmal, naja, da will man das sogar, nur dass es oft das falsche Tier ist, an dem man sich orientiert.

 

Als Kind etwa, da möchte man immer fliegen können, so wie ein Vogel, wie ein Wellensittich meinetwegen oder egal. Damals jedenfalls besaß ich einen Wellensittich, und ich dachte immer, der sei ziemlich blöd. Statt nämlich „Hansi“ zu sagen, wenn er nach seinem Namen gefragt wurde, sagte er, oft auch ungefragt und mit meiner Tonlage, „Blöder Vogel!“, so als wolle er mich provozieren. Viel mehr hatte er nicht drauf, außer die Imitation einer quietschenden Kühlschranktür, womit er mich ständig nervte. „Aufhören, blöder Vogel!“, sagte ich dann in der Tonlage eines Wellensittichs. Heute jedoch bin ich überzeugt, dass er sich nur blöd gestellt hat, denn als ich eines Tages mein Zimmer verließ, um mir etwas aus dem quietschenden Kühlschrank zu holen, hatte der Sittich sich irgendwie selbst entpfercht, flog durch die Tür ins Schlafzimmer, wo meine Mutter gerade die Fenster putzte, und wurde daraufhin nie wieder gesehen. Doch ich schwöre, als er so an mir vorbei zischte, da hörte ich ihn rufen: „Endlich frei!“

 

Heute will man nicht mehr fliegen können, und die Vogelfreiheit, nun ja, die schmerzt gelegentlich. Ich wenigstens möchte kein Vogel sein, selbst wenn die Vorstellung eines Schwanenpärchens etwas Ermutigendes hat. Schwänen wird ja nachgesagt, sie blieben ein Leben lang zusammen. Das ist schön, ja. Viel tröstlicher ist aber eigentlich, dass sie trotzdem auch offen für einen Seitensprung sind, so zumindest haben es DNA-Vergleiche erwiesen. Aber wenn ich schon ein Vogel sein müsste, dann wäre ich wohl ein Pinguin. Ein schweigsamer Pinguin, der durch den Frost watschelt, irgendwas ausbrütet und dann, wenn alles zu viel wird, einfach abtaucht. Doch ich bin kein Vogel, ich bin, wie auch einige meiner Freunde, eher ein Mistkäfer, denke ich. Einer von jener Sorte, die eine gigantische Kotkugel vor sich her kullern. Flieg, kleiner Mistkäfer! Doch ich kann nicht, will aus irgendeinem Grund nicht loslassen, muss die ganze Scheiße noch den Hügel hochwälzen. Sisyphus, wir grüßen dich!

 

Ich finde übrigens, wo wir schon so allegorisch über die Fauna reden, dass die chinesischen Tierkreiszeichen neu geschrieben werden sollten, und nebenbei bemerkt auch die altorientalischen, was zum Beispiel soll denn „Jungfrau“ für ein Tier sein? Oder „Waage“? Da stimmt was nicht! Ja, und aus dem chinesischen Kalender würde ich alles rausschmeißen. Es sind einfach die falschen Tiere! Gut, das „Schwein“ kann bleiben. Hinzu käme vielleicht die „Mücke“, für Leute, die einen ständig piesacken, deren Stimme schon auf die Nerven geht. Dann das „Pantoffeltierchen“, für solche, die sich anschleichen. Und „Amöbe“, keine Ahnung, ist streng genommen vielleicht auch kein Tier, muss aber rein, für Männer, die einen umarmen wollen. Meine Freundin sollte am besten `ne „Hummel“ sein, agil und ordentlich was dran. Und ich selbst, das war es dann aber auch, wäre gern ein „Seepferdchen“, glubglub.

Warum? Warum ein Seepferdchen? Nun, zum einen sind sie niedlich und zum anderen mag ich ihr Paarungsritual. Jeden Morgen nämlich, an der verabredeten Koralle, wartet das Männchen auf seine Liebste, die dann seinen Schwanz greift und so eingehakelt flanieren sie synchron durch das Riff, um dann bis zu neun Stunden im Seegras farbwechselnd auf und ab zu hüpfen. Klingt gut, oder? Auf und ab! Auch das mit dem Schwanz, da will man doch seine animalische Abkunft nicht ganz verleugnen!

Im Übrigen, und ich hatte ja versprochen, darauf zurückzukommen, können wir, als die am höchsten entwickelten, stolz sein auf den Schwanz, auf das frei hängende Gemächt, denn unter den Primaten besitzt der Mensch den größten Penis. Also Untier: nur keine falsche Bescheidenheit!

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