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Autorenbuch Thomas Losch Sommersonntag in Ottakring – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Thomas Losch

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Sommersonntag in Ottakring


Während ich in Ottakring in der allergrößten Hitze auf die Straßenbahn wartete, kam eine  Frau mit lediglich einem Pullover bekleidet und unten nackt mit  einem Zahnputzglas und einer  Zahnbürste in der Hand auf mich zu, um mir offenbar die Zähne zu putzen, wozu auch immer. Da ich  darauf nicht vorbereitet war, blickte ich sie  ausdruckslos an, was man ja in der Großstadt immer tut, wenn man nicht weiß worum es jetzt eigentlich wieder geht.
Offenbar muss dies diese Frau an meiner Miene bemerkt haben, dass sie in mir leider keinen Patienten oder gar neuen Liebhaber zum Zähneputzen finden würde, ging an mir ratlos vorbei, mich kurz fast verächtlich taxierend, dies mit einem leichten Schulterzucken andeutend, als sei ich eben ein hoffnungsloser Fall, was ja vielleicht  auch stimmt, nur wer will sich schon von unten ohne Frauen auf der Straße an einem Sommersonntag die Zähne putzen lassen.
Ich kenne niemanden.
Die Frau ließ sich aber nicht beirren, ging stolzen Schrittes mit der Zahnbürste im Zahnputzglas in der Hand aufrecht weiter die Straße entlang, ein kleines Stück zumindest, um dann weiter unten an der Haltestelle stehen zu bleiben und vielleicht dem Straßenbahnlenker  der Linie 44 ihre unten ohne  Zahnputzdienste an zu bieten, und diesen vielleicht zum ihrem neuen Liebhaber oder was auch immer zu erklären,  ihn vielleicht sogar einmal zu  heiraten und ihm ein Leben lang die Zähne zu putzen, bis der liebe Gott Euch scheidet, wie man ja so sagt. Und vielleicht auch viele  Kinder mit ihm zu bekommen.
Jugoslawen, die an diesem heißen Sommersonntag auf der Terrasse eines Lokals saßen, starrten sie nun erstaunt mit offenem Mund an, als sei sie das achte Weltwunder, was sie ja auch eindeutig war, um anschließend in brüllendes Gelächter auszubrechen. Kein Wunder, diese Frau war ein Wunder, ihr Pulli rutschte nun nach oben, sodass sich ihr nackter Hintern den Jugos darbot, die ja gerade dabei waren den Sommersonntagsnachmittag zu genießen, während die Zahnbürste Frau   nun  unbeirrt ein Stück Straße stolzierend auf und ab ging, um auf die ersehnte Straßenbahn zu warten.
Ich verstand kein Wort von dem, was die Jugoslawen nun brüllend vor Lachen  sagten, ich verstehe ja immer nur dobre, möglicherweise  sagten sie:
håst scho sowås gsähn (hast du schon so etwas gesehen?)?
Vielleicht aber auch:
schau da dää ån (schau dir die an) !!
Oder gar:
dä putzt sä nackat  dä Zähnt! (die putzt sich nackt die Zähne!).
Dachte ich mir als literarischer Alltagsforscher, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
 

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