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Der Schrei zweier Schreibender (II)
Formell orientiert sich Martin Piekars Vielleichtkommentar „Reform und Gegenreform“ (mit den Abschnitten „Unbedingt“, „GegenWarten“ und „Neubedingt“) an Kuhlbrodt, gegenwortet aber mehr als er antwortet. Doch bevor es richtig zur Sache geht, meldet sich ein Herausgeber zu Wort (Wer ist das eigentlich & braucht man ihn überhaupt?, bin ich doch bis jetzt gut ohne ihn ausgekommen!) und erklärt, es gehe darum zwei Biographien (was aufgrund der Art von Kuhlbrodts Texten schon mal angezweifelt werden muss) gegeneinander zu stellen, sogar zwei Poetiken und um die Begegnung „auf engem Raum. Zwei begeben sich in den Widerspruch und machen sich dabei ehrlich.“ Als optisches Hilfsmittel sind in Piekars Texten die Entsprechungen und exakten Übereinstimmungen (also keine Überschreibungen mehr!) mit Kuhlbrodt unterstrichen. Ich halte das allerdings höchstens für eine nette Idee, denn mehr als Schlagworte und Kurzzitate werden so ohnehin nicht sichtbar, aber bei einem Gegen- und Übereinander(schreiben) halte ich das auch gar nicht für notwendig. Was hier vor allem unbeantwortet bleibt, ist die Frage nach der gewählten Form des Austausches: Warum folgen erst die Texte Kuhlbrodts, dann die Piekars? Warum wird hier nicht wirklich überschrieben; links der eine, rechts der andere; der eine oben, der andere unten etc.? Man kann sich also zumindest fragen, ob die gewählte Form dieses gemeinsamen Projektes angemessen ist.
Im Vordergrund steht für mich allerdings das Inhaltliche, doch auch dort ruft die Entscheidung Piekars, Wörter wie Goldbrand als Assoziationshilfe zu gebrauchen, Irritation bei mir hervor. Er schreibt dazu: „Goldbrand ist der Billigschnaps des Volkes gewesen, heute gibt’s auch Billigwhiskey und Billigrum...“ Gewiss ist das zutreffend, aber doch nicht viel mehr als eine assoziative Entgegnung und keine ernsthafte Reflexion. Trotzdem darf man Piekars Versuch, radikal mit Kuhlbrodts Erzählungsformen zu brechen, nicht unterschätzen, denn Piekar erzählt zum einen die Vergangenheit als Vergangenes und scheut dabei nicht die Ich-Perspektive, wodurch sein „Kommentar“ sehr direkt und persönlich wird. Es geht also um das eigene Erleben des Vergangenen und der Gegenwart und gerade dadurch, um das eigene Erleben der Texte Kuhlbrodts, das so um einen Blick erweitert wird, der möglicherweise – ob absichtlich oder unabsichtlich – ebenso verdunkelt wie erhellt.
Aber dies erstmal als grundsätzliche Eindrücke...