Neuen Kommentar schreiben

Überzeitlichkeit, Frankfurt und Ich

Statement

Was mir direkt auffiel war, dass Hans Hektor eine Kunstfigur ist und doch Jans Erlebnisse widerspiegelt. Es ist also die Annäherung an das Ich durch Entfremdung. Ich versuchte die Befremdung durch das Direkte. Autobiographisch so nah zu gehen, dass es mir selbst nicht mehr nah vorkommt. Ich weiß nicht, ob ich jemals so detailiert von mir schrieb und das je wieder tun kann. Ich fühle auch deswegen heute noch etwas wie ein Fremdgefühl bei diesen Texten, als ob nicht ich sie geschrieben hätte. Das liegt vielleicht daran, dass ich den Antrieb in Jans Texten suchte und zu mir persönlich führte und nicht - wie sonst - anfing aus persönlichem Antrieb zu schreiben. Es war und ist weiterhin eine neue Erfahrung für mich. 

Die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen unserer beiden Texte kommen zum Tragen. So habe ich alle Texte nicht nur als Kommentar (aber eben auch) aufgefasst, sondern eher als Ergebnis. Ich halte mich, was den Schrei angeht auch arg zurück. Ich war währenddessen dabei an meinem zweiten Gedichtband zu schreiben. Einige Gedichte flossen auch in die Überschreibungen mit ein. Vielleicht schrie ich mich dort aus? Nein. Je länger ich drüber nachdenke, desto eher sind die Überschreibungen eine Vorbereitung auf den Schrei. Auf viele Schreie, es gibt viele verschiedene Gründe und Arten zu schreien. Ich hoffe, sie kommen heraus.

Zudem kommt, dass mir wichtig war, dass unsere Texte korrespondieren, ohne eine Korrespondenz unsererseits. Ich habe mich mit Jan nicht abgesprochen. Ich bekam seine Texte und war in Klausur damit. Er sah das Ergebnis auch erst am Ende. Überschreibungen sind also zeitlich und subjektiv. Doch gerade da liegt auch ihre Stärke. Der Link über die Zeit hinaus, über die eigene Person hinaus. Ein Hyperlink. Ich habe immer noch angst, dass der Eindruck entsteht, ich reproduziere einfach nur und es hätte sich in der Zeit nichts geändert. Ich sehe dies überhaupt nicht so, ich nehme es auch derart nicht wahr. Als Historiker bin ich mir nicht sicher. Was wiederholt sich? Was ist neu? Was ist eine Abwärtsschleife? Ich sehe keine exakte Wiederholung, ich sehe eine stetig reproduzierte. Die Reproduktion liegt nicht im Individuum, sie ist verankert in den Strukturen, die wir Geschichte, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nennen. Wie geht man dagegen vor? Das ist eine meiner Ängste  und ebenso ein Motor meines Schreibens.

Eines ist sicher: Frankfurt und sein Gefühl. Frankfurt kann euphorisch sein, Frankfurt kann dreckig sein, Frankfurt kann laut sein. Aber man selbst kann an dieser Stadt ebenso verzweifeln. Ich fühlte mich eine zeitlang verloren. Man kann sich in Frankfurt verlieren, wie in jeder Großstadt, aber der Ursprung dieses Verlorenseins ist häufig individuell. Ich verzweifelte und ohne das zu wissen, glitt ich tiefer in meine Verzweiflung, die sich an und aus sich speiste. 

Die Gestaltung des ebooks hingegen ist schwer. Viele Stimmen fänden nebeneinandergestellte Texte stärker, wohingegen ich auch fortlaufende Texte von Jan sah, die man nicht unterbrechen hätte sollen. Diese Entscheidung ist derart komplex, dass ich froh bin, dass ich sie nicht treffen musste.