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Zwei Fenster
Jetzt haben die Autoren sich auf die Meta-Ebene begeben. Der Kritiker will zurück zu den Texten. Aber ganz will ich die Diskussion um das Ich hier nicht abbrechen. Das lyrische Ich, das Ich der Texte, ist bei beiden von euch durchaus Artverwandt. Für mich kommt da ziemlich viel Zeitgeist durch – historisch versetzt, natürlich. Und genau an diesem Zeitgeistigen, diesem durch das Subjekt gefilterten Gegenwärtigen, will ich weiter ansetzen.
Aus Sicht des Produzierenden liegt das Autobiografische viel weiter an der Oberfläche des Texts. Aus Sicht des Lesenden kommen wir da nur durch den Text hin. Wollen wir das? Ich glaube, wir brauchen das nicht. Ich glaube auch an den Menschen – Ingos Zitat von Martin – aber ich glaube an die Literatur. Deswegen habe ich die Texte als literarische Zeugen gelesen. Den Texten ist die Selbstentblößung zwar eingeschrieben, aber das zu decodieren wird immer Scheitern. Eine Wahrheit hinter den Texten zu suchen, muss meiner Meinung nach aber scheitern. Das heißt aber nicht, dass sie nicht politisch sind. Politisch im folgenden Sinne: sie sind in ein System, in eine Ideologie, in eine Erfahrung eingebettete Momentaufnahmen. Auf biografische Ereignisse zu schließen fällt schwer, aber die Umstände werden kann. Um nicht zu sagen: das Diskursive scheint durch. Und das wiederum tritt mit dem Leser in Dialog. Ist der Autor tot, wenn man mit ihm im Dialog steht? Sein individuelles Erleben stirbt und macht Platz für Interpretation. Das Autobiografische löst sich auf, es wird öffentlich, es wird literarisch, es wird politisch. Damit machen die Texte zwei Fenster auf, die in den gleichen Hinterhof hinab schauen.
Weil ich weiter oben die Form-Frage gestellt hatte und der Herausgeber sich in den Kommentarspalten eingemischt hat, will ich darauf weiter eingehen. Martin sagt: eine schwere Entscheidung. Dem Stimme ich vollkommen zu. Ich fand aber wichtig, das anzusprechen – und finde die Antworten erhellend. Klar, was ist machbar? Was nicht? Das sind Fragen, die man als Kritiker nicht stellen muss. Eine bequeme Rolle. Das Buch ist durchweg gelungen und wir kommen so schnell vom seriellen Erzählen nicht weg. Aber umso wichtiger ist festzuhalten, dass das Medium Text in unseren Köpfen zum Hyperlink wird (auch hier wieder ein Zitat von Martin). Trotzdem: ich will eine Lanze für Apps brechen, damit die Texter in unseren Köpfen noch wilder verlinken.
Da war jetzt wieder viel Meta-Ebene drin, aber die ist ein toller Ort, um zu diskutieren.